Die Wingwave Methode im Coaching

aus wissenschaftlicher Perspektive betrachtet

Abschlussarbeit von Lucas Langen, als PDF lesen


*Bildquelle




Einleitung

Die Wingwave-Methode ist eine nicht therapeutische Coaching-Intervention, welche von Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund entwickelt wurde. Sie wird vor allem im Leistungs- und Emotionscoaching eingesetzt, da sie bereits in kurzer Zeit bzw. in wenigen Sitzungen Erfolge erzielen soll.1 Durch die Anwendung soll z.B. Stress reduziert, oder Glaubenssätze verändert werden, andererseits dient sie ebenfalls der Ressourcenstärkung.

Die Intervention nutzt hierbei vor allem die Komponente der Augenbewegungen aus dem sogenannten „eye movement desensitization and reprocessing“, kurz „EMDR“. Dieses Verfahren besteht aus einer strukturierten Herangehensweise, Informationen zu verarbeiten. Dabei werden Elemente aus personenzentrierter, körperlicher, interaktiver sowie kognitiver Therapie zusammengeführt und nach einem standardisierten Protokoll angewandt.

Ursprünglich wurde die Intervention vor allem im Hinblick auf posttraumatische Ereignisse verwendet, während sie mittlerweile bei einer Vielzahl an Beschwerden durch belastendende Lebenserfahrungen zum Einsatz kommt.2

Ergänzend zu den Elementen des „EMDR“ sowie neurolinguistischer Kommunikation, kommt der sogenannte „Bi-Digital-O-Ring-Test“ (BDORT) zum Einsatz.


Diese Arbeit dient dem erfolgreichen Abschluss der systemischen Coaching Ausbildung und widmet sich dem Thema der Wingwave-Methode im Hinblick auf den bisherigen Forschungstand.

Zu Beginn der Arbeit wird die eigentliche Intervention inklusive ihrer Durchführung kurz beschrieben. Im Anschluss werden die Bestandteile der Wingwave-Methode (EMDR + BDORT) vorgestellt und im Kontext der aktuellen Forschung genauer betrachtet. Auf der Basis der vorgestellten Studienergebnisse findet eine aktuelle als auch kritische Auseinandersetzung mit der Methode statt. Als weiterer Aspekt wird auf die möglichen Mechanismen und Theorien hinter der Wirksamkeit von EMDR eingegangen. Das Abschlussfazit soll die Möglichkeit bieten, sich ein eigenes Bild der Intervention zu machen, und Implikationen für den Praxisalltag aus wissenschaftlicher Perspektive zu entnehmen.


Hauptteil

In den folgenden Abschnitten werden zum besseren Verständnis die WingwaveMethode, der „BDORT“ als auch das „EMDR“ grob beschrieben.


Die Wingwave-Methode und deren Durchführung

Die Wingwave-Methode ist laut der Entwickler ein Leistungs- und EmotionsCoaching, welches innerhalb weniger Sitzungen bereits seine Wirkung entfalten soll. Verschiedene Themen können innerhalb der Intervention gecoacht werden, dazu gehören Abbau von Stress, erhöhte Kreativität oder das Auseinandersetzen mit Konflikten. Mittels Augenbewegungen welche vom Coach hervorgerufen werden, soll die REM-Schlafphase imitiert werden, um eine stressabbauende Wirkung zu erreichen.3

Der Name des „wingwave“ setzt sich aus „wing“, dem angedeuteten Flügelschlag eines Schmetterlings, sowie dem „wave“, dem Geistesblitz/ guten Einfall („brainwave“) zusammen.

Die im folgenden Abschnitt beschriebene Durchführung basiert auf dem Buch „Wingwave-Coaching – Wie der Flügelschlag eines Schmetterlings“ (BesserSiegmund, C.; Siegmund, L.; Siegmund, H.).

Bevor ein „Wingwave-Coaching“ durchgeführt wird, sollte der Coachee auf die bevorstehende Intervention vorbereitet werden. Eine grobe Einführung in den theoretischen Hintergrund der Anwendung, als auch eine Aufklärung über mögliche körperliche Reaktionen während der Durchführung sollten stattfinden, sodass Coach und Coachee sich ungestört dem Prozess widmen können. Vor allem plötzlich auftretende Emotionen und körperliche Folgereaktionen können so besser eingeordnet werden.

Bevor die Intervention startet, wird der „BDORT“ durchgeführt, der im weiteren Verlauf der Arbeit beschrieben wird, um bestimmte Themen oder Erinnerungen zu präzisieren. Anschließend werden noch einige Vorkehrungen geschaffen. Ein selbst installierter, „sicherer Ort“ und eine dazugehörige Beschreibung durch ein einzelnes Wort, werden vom Coachee assoziiert, um diese als Anker und somit als Unterstützung nutzen zu können. Außerdem werden zu Beginn Signale zur Unterbrechung oder Weiterführung des Coachings vereinbart, sodass der Coachee in der Lage bleibt jederzeit aufhören zu können.

Im Anschluss wird das konkrete Thema benannt, um welches es im Coaching gehen soll. Dies kann z.B. eine bestimmte Erinnerung an ein Erlebnis aus der Vergangenheit sein. Gezielt für dieses Thema wird die sogenannte „blockierende Ich-Kognition“ bestimmt. Gemeint ist eine Aussage, welche das Thema am konkretesten beschreibt.

Ein Beispiel könnte sein: „Ich werde mein Abitur nicht bestehen, da ich immer zu nervös vor Prüfungen bin“.

Zur besseren Einschätzung sowie der Erfolgskontrolle, wird eine gegensätzliche Ich-Kognition definiert, welche der Coachee anhand einer Wahrscheinlichkeitsskala einschätzen soll. Des Weiteren soll die derzeitige subjektive Einschränkung durch das zu bearbeitende Thema auf einer Skala definiert werden.

Die eigentliche Intervention beginnt und der Coachee fokussiert sich mit allen Sinnen auf das bestimmte Erlebnis/ die Situation, während er den WinkBewegungen des Coaches folgt.

Nach der Durchführung mehrerer Sätze Wink-Bewegungen und sich zeigender körperlicher Entspannungszeichen wird erneut der „BDORT“ zur Überprüfung vollzogen. Dieser wird abschließend mit der Aussage: „Das Thema ist in Ordnung“ überprüft, und notfalls wird nach tieferliegenden Themen gesucht, falls der Test „schwach“ ausfällt.

Die Intervention wird so lange durchgeführt bis der „BDORT“ „stark“ getestet wird.

Abschließend wird zur Erfolgskontrolle die Glaubhaftigkeit der im Vorhinein definierten positiven Ich-Kognition eingeschätzt und die verbundenen Emotionen mit einem Bodyscan intensiviert.


“eye movement desensitization and reprocessing” (EMDR)

EMDR wurde im Jahre 1989 von der amerikanischen Psychologin Francine Shapiro entwickelt. Mittlerweile ist diese Intervention international anerkannt und im Hinblick auf Wirksamkeit in der Traumatherapie empirisch belegt.

Shapiro stellte bei einem Spaziergang im Park fest, dass Sakkaden Augenbewegungen das Ausmaß ihrer negativen Gedanken linderten, und konnte dies durch die Ergebnisse ihrer ersten Studien unterstützen .4

Mittlerweile besteht „EMDR“ aus einem achtphasigen Protokoll:

Anamnese und Behandlungsplan, Vorbereitungsphase inklusive Bewältigungsstrategien, Visualisierung des Themas inklusive Bewertung, Desensibilisierung durch bilaterale Stimulation (auditiv oder visuell), Stärkung der positiven Kognition, Durchführung Bodyscan, Anwendung von Entspannungstechniken, abschließende Evaluation.5

Eine Sitzung dauert dabei zwischen 50 bis 90 Minuten, während eine bis drei Sitzungen den Durchschnitt abbilden. Mittlerweile wurden weit über 300 Studien zu EMDR durchgeführt, während einige Meta-Analysen einen gleichstarken oder gar größeren Effekt im Vergleich zu Medikamenten oder anderen Therapieformen finden.6

Das „adaptive information processing“ Model wurde 1994 von Shapiro vorgestellt und beinhaltet die Vorstellung, dass Menschen teilweise Informationen inadäquat verarbeiten und im neuronalen Netzwerk begleitet von Gedanken und körperlichen Reaktionen abgespeichert werden.

Erreicht die Person ein bestimmter Trigger, kommen Erinnerungen hoch und die körperliche Reaktion läuft immer wiederkehrend ab, solange die ursprüngliche Information nicht richtig verarbeitet ist.7

Trotz der enormen Mengen an empirischen Untersuchungen gibt es bisher keine eindeutige Erklärung für die Wirksamkeit hinter der EMDR-Intervention. Landin-Romero et al. (2018) widmeten sich dieser Frage in ihrem systematischen Review. Die Autoren führen mehrere Theorien und Erklärungsansätze vor. Hierbei werden drei Kategorien beschrieben: psychologisch, psychophysiologisch sowie neurobiologisch.

Die psychologische Theorie bietet den Ansatz der Entspannung und einer daraus resultierenden geringeren Intensität des traumatischen Erlebens durch bilaterale Stimulation des Gehirns (z.B. durch Augenbewegungen).

Aus physiologischer Sicht betrachtet wird ein parasympathischer Tonus des vegetativen Nervensystems sowie die Imitation der REM (rapid eye movement) Schlafphase vermutet.

Neurobiologisch gesehen und durch Ergebnisse von Hirnscans untermauert zeigt sich eine höhere Interaktion beider Hemisphären, wodurch erlebtes besser abgerufen werden kann und gleichzeitig die emotionalen Reaktionen geringer sind.8

Die Autorengruppe kommt zu dem Schluss, dass die Augenbewegungen während der EMDR -Intervention zwar zu schnelleren Ergebnissen führen als in anderen Therapieverfahren, diese jedoch nicht essentiell sind, sondern auch durch auditive bilaterale Stimulation ersetzt werden können.

Da die Intervention selbst viele Einzelbereiche enthält, ist bis zum heutigen Tage nicht eindeutig klar, ob nun Augenbewegungen, Aufmerksamkeitslenkung oder bilaterale Stimulation etc. die eigentliche Wirkung entfalten.

Im Coaching wird der Test dazu verwendet, zu bearbeitende/problematische Themen des Klienten zu identifizieren.9

Die Idee der Entwickler der „Wingwave“ Methode ist, dass die entfaltbare Kraft der Fingermuskulatur im „BODRT“ je nach emotionalem Zustand unterschiedlich ausfällt.

Erinnert sich ein Klient also z.B. an ein bestimmtes Lebensereignis, löst dieses einen individuell emotionalen Zustand aus, welcher wiederrum Einfluss auf die Kraftentwicklung der Finger haben soll.


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Quellen bis hierher
*Bild entnommen aus: https://www.ambbdort.org.br/templates/yootheme/cache/bdort1-c5ecba40.jpeg
1 (https://wingwave.com/ueber-wingwave/was-ist-wingwave/, 22.04.2023)
2 (Shapiro 2002)
3 (https://wingwave.com/ueberwingwave/was-ist-wingwave/ 22.04.2023)
4 (LandinRomero, Moreno-Alcazar, Pagani, & Amann, 2018)
5 (Landin-Romero et al., 2018)
6 (Chen et al., 2014)
7 (Shapiro & Maxfield, 2002)
8 (Landin-Romero et al., 2018)
9 (Frank P.G. Weiland, Rathschlag, & Klatt, 2021)