Bindungsangst

… oder die Angst vor Bindungen

Abschlussarbeit von Sophie Willoughby, als PDF lesen


Einleitung

Bindungsangst oder die Angst vor Bindungen hat viele Gesichter. Betroffene erkennen diese häufig nicht, zu spät oder fühlen sich hilflos im Umgang mit eben dieser.

Aber was genau ist Bindungangst und wo liegen ihre Ursachen?

Im folgenden wird auf die verschiedenen Typen der Bindungsangst, ihre möglichen Ursachen und den Umgang mit ebendieser eingegangen.

Anschließend wird auf die Verbindung mit Aggressionen und Wut hingewiesen. Auch psychische Erkrankungen scheinen mit Bindungsängsten zu korrelieren. So zeigten Studien, dass Menschen mit Depressionen und Angststörungen überdurchschnittlich häufig auch Symptome von Bindungsängstlichen aufweisen.1

Abschließend wird auf den Umgang und auf mögliche Lösungswege eingegangen.

Verschiedene Typen von Bindungsängstlichen

1. Bindungsvermeider

Charakteristischer Weise haben Bindungsvermeider viele Beziehungen und/ oder Affären, manchmal heiraten sie auch einmal oder mehrfach.

Der Bindungsvermeider ist sehr aktiv, engagiert und zugewandt in der Phase der Eroberung. Er glänzt mit Charme, Umgänglichkeit und ist nicht leicht zu verschrecken und zu kränken.

Bindungsvermeider können in der Eroberungsphase durchaus ausdauern sein und mit Rückschlägen gut zurecht kommen. Dadurch kann beim Gegenüber der Eindruck entstehen, dass er/sie es ja wirklich ernst zu meinen scheint.

Das Interesse des Bindungsvermeider lässt genau dann nach, wenn die Eroberung geglückt ist und sein Gegenüber sich voll umfänglich in die Beziehung fallen lässt. Die Phase der Eroberung kann durchaus sehr lange andauern, zum Beispiel bedingt durch äußere Umstände (wie andere Parallelpartner, oder räumliche Distanz, wenig Zeit ect.), fehlendes Commitment oder durch ein aufeinandertreffen von zwei Bindungsvermeidern. Solange sich der Partner nicht erobert anfühlt, kann das Spiel weiterlaufen, sogar über Jahre hinweg.

2. Bindungsvermeider mit narzisstischen Zügen

Typisch für diesen Bindungstypen ist eine heftige Phase der Verliebtheit (oft auch Verliebtheit auf den ersten Blick), einhergehend mit der Idealisierung des Partners, gefolgt von einer genauso starken Phase der Kritik, Herabsetzung und Abwertung.

Diesem Bindungstypen fehlt es an Toleranz für die Schwächen des Partners, der Partner erscheint langweilig, der Alltag mit ihm nervt, der Schwächenfokus lässt den Partner unattraktiv werden.

Der Wunsch nach Abwechslung, das Leben spüren, Lebendigkeit, ein spannendes Leben wird als Gegensätzlich zu der Beziehung empfunden. Der Partner erfüllt die Funktion des Sich-selber-spürens nicht mehr und wird aussortiert.

Der Bindungstyp sucht sich Partner, die der Aufwertung dienen, sie müssen nicht nur ihm selbst gefallen, sondern auch von außen als „ein guter Fang“ bewertet werden. Kurz gesagt; der Bindungsvermeider mit narzisstischen Zügen verliebt sich Hals über Kopf in den „besonderen“ Partner, um sich dann zunehmend über ihn zu erhöhen, verliert dadurch die Achtung vor ihm und wundert sich im Nachhinein darüber, dass er/sie immer wieder an die Falschen gerät.

3. Extreme Bindungsvermeider

Ein weiterer Bindungsängstlicher sind Menschen die sich nicht für und nicht gegen die Beziehung/ den Partner entscheiden können. Dies sind Menschen, die zwar durchaus in Beziehungen leben können, sich aber innerlich nie ganz für die Beziehung entscheiden. Sie sind die Wächter über Nähe und Distanz in dieser Beziehung.

Dieser Bindungstyp wählt gern den Flucht/Rückzugsmodus über das stürzen in Arbeit oder auch in zeitaufwendige Hobbys. Überdurchschnittlich oft sind Menschen dieses Bindungstypus sehr erfolgreich, oft selbstständig. Denn sie brauchen viel Freiraum, Selbstbestimmtheit, Entscheidungsmacht und Wahlmöglichkeiten. Partner eines solchen Bindungstypen fühlen sich häufig machtlos und sehr einsam. Obwohl es auch zu gemeinsamer Wohnung, Ehe und Familiengründung kommen kann.

„Wir haben doch noch das ganze Leben vor uns“

Für alle Bindungsängstlichen gilt, dass sie die Oberhand über den Grad an Nähe haben, und den Zeitpunkt sowie die Intensität von Bindung und Autonomie bestimmen. Ein deutliches Machtgefälle entsteht, der Partner wird hingehalten. Sätze wie „Wir haben doch noch das ganze Leben vor uns“ oder „Klar, will ich dich heiraten, aber im Moment passt dieser Schritt nicht in unser Leben.“ Hören die Partner häufig. Sie fühlen sich hilflos, all ihre Versuche nach mehr Nähe, scheitern.

Ursachen der Bindungsangst

Bindungsängste entstehen meist in den ersten Jahren des Lebens, häufig in einem sehr frühen Stadium zwischen der Geburt und dem zweiten Lebensjahr. Die Zeit in der wir Menschen auf maximale Fürsorge eines anderen Menschen angewiesen sind.

Wenn es also in dieser Zeit zu Störungen in dieser Zuwendung zwischen Säugling/Kind und Bezugsperson (meist Mutter oder Vater) kommt, entstehen Ängste in Bezug auf Beziehungen.

Je existentieller der Säugling den Mangel an Zuwendung empfindet, desto mehr wird dies als lebensbedrohlich empfunden oder ist es sogar.

Wie bindungsfähig ein Mensch ist, hängt somit häufig von den Erfahrungen und Prägungen der ersten Lebensjahr meist in Bezug auf die Mutter ab. Da diese Lebensphase sich hauptsächlich im Unterbewussten und Körpergedächtnis abgespeichert ist, haben wir wenig kognitiven Zugang zu den Erlebnissen dieser Zeit, sie sind aber für unsere reflektorisch geprägten Verhaltensweisen grundlegend.

Der Vollständigkeitshalber sei darauf verwiesen, dass es weitere diverse Ursachen für das Entwickeln von Bindungsängsten gibt, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann.

Hier sollen die Hauptursachen in den Fokus genommen werden.

Die Rolle der Mutter

Gerade in den ersten Lebensmonaten ist ein Säugling maximal abhängig von den Reaktionen seiner Mutter auf seine Forderungen zur Bedürfnisbefriedigung. Macht ein Kind hier die Erfahrung, dass seine Bedürfnisse unzureichend, oder verzögernd Beachtung finden, kann dies zu mangelndem Vertrauen in die Bindung zur Bezugsperson führen.

Oder umgekehrt formuliert: kann die Mutter sich unmittelbar und eingehend in die Bedürfnisse ihres Kindes hineinversetzen, bildet dies die grundlegendste Voraussetzung für das Vertrauen in eine zuverlässige Bindung zur Bezugsperson, das Urvertrauen bildet sich aus. Dies beinhaltet das Grundvertrauen in die Welt, in sich selbst (ich bin ok) und in die Bindungsperson (sie ist verlässlich und bedingungslos da).

Dieses Urvertrauen wird im Körpergedächtnis gespeichert, es bildet die Grundlage für die „Insel“ von der wir in unser Leben und auf die Welt schauen. Es ist so grundlegend und tief in unserem Unterbewussten gespeichert, dass es für unser Bewusstsein kaum zugänglich ist.

In Bezug auf Beziehungen, lernt das Kind, dass es die Beziehung mit beeinflussen und gestalten kann. Dass seine Bedürfnisse und Reaktionen Berücksichtigung finden, bedeutsam für das Gegenüber sind.

Studien beweisen, dass dieses Grundbedürfnis Kern aller menschlichen Motivation ist; nämlich Zuneigung und Wertschätzung zu finden und zu geben.

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Quellen bis hierher

1 Grossmann, K., & Grossmann, K. E. (2000). Bindung, Exploration und internale Arbeitsmodelle – 1 der Stand der Forschung. In E. Parfy, H. Redtenbacher, R. Sigmund, R. Schoberberger, & Ch.Butschek (Hrsg.), Bindung und Interaktion. Dimensionen der professionellen Beziehungsgestaltung. Vgl. S. 13-38.