Systemisches Konfliktcoaching für Führungskräfte im Großunternehmen

Abschlussarbeit von Manuel Zurbuchen, als PDF lesen


Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Albert Einstein


Fokus der Arbeit

Diese Abschlussarbeit behandelt das Konfliktcoaching für Führungskräfte im Großunternehmen. Es werden mögliche Methoden des Coaching-Prozesses für die Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten bei Konflikten beschrieben. Klarstellend ist zu erwähnen, dass der Coachee ebenfalls jeder Mitarbeiter im Unternehmen sein könnte, allerdings soll in dieser Arbeit der Fokus auf Führungskräfte bleiben.

Was ist in Großunternehmen möglicherweise unterschiedlich zu Bilateralen- bzw. Konflikten in Kleinunternehmen?
Aufgrund der hohen Anzahl an Mitarbeitern und Prozessen, die in Großunternehmen zusammenwirken müssen, ergibt sich hieraus im Wirkungs- und Verantwortungsumfeld ein weitreichendes Umfeld mit zahlreichen Schnittstellen – oder anders betrachtet ein mitunter anspruchsvolles System. So finden sich Mitarbeiter oft in unterschiedlichen Organisationsformen wieder, wie z.B. einer Matrixorganisation, die zum einen disziplinarische sowie fachliche Führungskräfte haben kann. Hier existieren u.U. diverse Wechselwirkungen aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen der jeweiligen Bereiche, Abteilungen, Projekte, u.a.

Wird die Organisationsform mit persönlichen Zielen einzelner Führungskräfte kombiniert, ergibt sich hieraus ein prozessuales Umfeld für Mitarbeiter und Führungskräfte, welches Spannungen und Konflikte mit sich bringen kann.

Kommen zu dem soeben beschriebenen Umfeld noch ein kontinuierliches Changemanagement und/oder persönliche Spannungen eines jeden einzelnen z.B. aus dem persönlichen privaten Umfeld hinzu, so stellt dies eine Herausforderung für die Führungskraft dar.


Wie definiert sich Konflikt

Es gibt zahlreiche Definitionen für einen Konflikt. Eine dem Systemgedanken gerecht werdende ist folgende:

Zwischenmenschliche Konflikte: Unvereinbarkeit im Denken, Fühlen, Wollen oder Handeln zwischen zwei Personen, die mindestens einer Partei als Beeinträchtigung erlebt wird. Für soziale Konflikte gilt o.g. Passus analog nur in Gruppen.

(InKonstellation, 2022)

Die folgende Abbildung skizziert ein mögliches Umfeld inkl. mit entsprechenden Konfliktpotentialen.

Aus den unterschiedlichen Konstellationen entstehen Ursprünge für unterschiedliche Konflikte.

In der Abbildung wird transparent, dass Führungskräfte von Großunternehmen sich in einem Netz an potenziellen Konfliktfeldern bewegen. Jede Person existiert als Einzelperson, die Bedürfnisse, Ziele, Ängste, Nöte, Verhaltensmuster, Glaubenssätze etc. hat.

In einem Unternehmen nimmt diese Person allerdings u.U. eine Rolle an, welche in einem System „spielt“ und nicht zwangsläufig deckungsgleich mit der Privatperson sein muss. Dies kann zu inneren Konflikten führen, die in der Umgebung des Arbeitsumfeldes entstehen oder auch verstärkt werden.

Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, in welcher Beziehung der Coachee zu den einzelnen Personen aktuell und im zeitlichen Verlauf auch zukünftig steht bzw. stehen muss/möchte. Diese Herausforderung kann mit dem systemischen Ansatz Hilfestellungen geben.


Weshalb hilft der Systemische Ansatz in Konfliktsituationen?

Der systemische Ansatz durchleuchtet gezielt die Wechselwirkungen, Beziehungen, Kommunikationsmuster, Eigenverhalten einer Person als Bestandteil eines Systems. D.h. jedes Tun, oder Nicht-Tun einer Person hat eine Auswirkung auf das System und somit auf
das gesamte Umfeld.
So erzeugt der systemische Blick einen Perspektivwechsel, d.h. eine Betrachtung des Gesamtzusammenhangs von außen.
Systemische Denken

„Systemisches Denken ist ein Denkmodell, das dazu dient, komplexe Situationen zu begreifen und in ihnen erfolgreich zu handeln. Zentrale These ist, dass es in einem sozialen System nicht die eine Ursache gibt, sondern dass hier stets verschiedene Faktoren sich wechselseitig beeinflussen“

(Eckard König, 2020)

Wird dieser Ansatz für eine Konfliktsituation betrachtet eröffnet es die Chance einer systemischen „Bearbeitung“ des Konflikts für den Coachee.


Möglichkeiten eines Coachingprozesses

Der Coachingprozess von Konfliktsituationen lässt sich u.a. mit dem GROW-Modell eröffnen. Das GROW Modell nach Johan Whitmore dient als Leitfaden für einen strukturierten
Coachingprozess.

Die vier Phasen definieren sich wie folgt:

G: Goal/Ziel – Anliegen klar machen und Ziel definieren
R: Reality – aktuelle Situation erfassen
O: Options – Lösungsmöglichkeiten + Ressourcen erarbeiten
W: Will – Schritte klein bis groß mit Termin definieren.

Für die Anliegen- und Zieldefinition bietet sich zur geordneten Vorgehensweise die Anwendung des Coachinghauses an.

Für die Anliegen- und Zieldefinition bietet sich zur geordneten Vorgehensweise die Anwendung des Coachinghauses an.

Phase im GROW-Modell:

G: Goal/Ziel – Anliegen klar machen und Ziel definieren → Coaching-Haus
R: Reality
O: Options
W: Will


Das Coaching-Haus

Im Coachinghaus wird mit dem Abfragen des Anliegens gestartet. Diese muss i.d.R. sortiert werden. Um das Umfeld (System) zu erfassen, werden anhand eines Beispiels zu dem Anliegen mitwirkende Personen, wirkende Umfeld, etc. erfragt.

Fragen können z.B. sein:
✓ Welche Personen mit welchen Rollen wirken in dem Konflikt mit?
✓ Wie verhalten sich einzelne Mitarbeiter vs. Führungskräfte? (Gruppensituation)
✓ Wann kommt es zu einem Konflikt?
✓ Welches Beispiel kann hierzu erklärt werden?
✓ Welche Gefühle entstehen beim Erläutern des Beispiels?

Über die Beschreibung des Gefühls im Konflikt ergibt sich ein besseres Greifen des Anliegens zur Ableitung des Ziels inkl. Auftrag an den Coach.

Das Ziel sollte so formuliert sein, als wäre die Coachingsitzung bereits vorbei, d.h. z.B. als Ziel „Ich schaffe es, der Person xy beim nächsten Treffen entspannter zu begegnen“.

Beispiel für einen Auftrag an den Coach aus Sicht des Coachee „mit mir eine Methode finden, die ich verwenden kann, vor oder im Gespräch“.

Zum Greifen des Anliegens ist oftmals eine Skalierung z.B. 0-10 zur besseren Einschätzung hilfreich.

Die Skalierung muss dem Coachee erläutert werden, d.h. z.B. 0=schlechtes Gefühl; 10=sehr gutes Gefühl.

Phase im GROW-Modell

G: Goal/Ziel
R: Reality – aktuelle Situation erfassen
O: Options
W: Will

Die Reality erfasst die aktuelle Situation und gibt Transparenz, wie weit der Coachee von seinem definierten Ziel entfernt ist.

Fragen können z.B. sein:
✓ Wie kam es zu der aktuellen Konfliktsituation?
✓ Wann ist dieser Konflikt entstanden?
✓ Welche sozialen Konflikte sind bekannt (siehe Seite 4 Abbildung 1)?
✓ Welche zwischenmenschlichen Konflikte wirken (siehe Seite 4 Abbildung 1)?
✓ Welche Hierarchie-Führungskraft mit welchem Level hat Einfluss auf den Konflikt?
✓ Wem ist der Konflikt nützlich?
✓ Was wurde bisher unternommen?
✓ Wieviel Einfluss haben sie aktuell auf diese Situation?
✓ Welche Rolle spielen die eigenen Mitarbeiter?
✓ Welche Rolle spielt ihr Chef?


als PDF weiterlesen