Zusammenspiel von Bauch und Kopf

in Entscheidungssituationen

Abschlussarbeit von Marleen Penne, als PDF lesen


Bauch sagt zu Kopf ja, doch Kopf sagt zu Bauch nein.
Und zwischen den beiden steh ich.

So singt Mark Forster in seinem Lied Bauch und Kopf. Anhand dieses Satzes lässt sich mein Weg zur Ausbildung als systemischer Coach bei InKonstellation sehr gut beschreiben.

Den ersten Berührungspunkt mit dem Thema Coaching und erste Kontakte mit einem professionellen Coach hatte ich im Rahmen eines Coaching Seminars in meinem Bachelorstudium.

Schon damals war ich total fasziniert und begeistert und wusste –

irgendwann werde ich auf jeden Fall auch eine professionelle Coaching Ausbildung machen.

Die Frage, die mich seitdem beschäftige war:

Wann ist irgendwann?

Vielleicht, wenn ich einige Jahre Berufserfahrung gesammelt habe?

Vielleicht, in 10-15 Jahren?

Denn wer sucht sich schon einen Coach, der gerade Ende 20 bzw. Anfang 30 ist?

Ich sollte auf jeden Fall erstmal etwas Geld ansparen, denn eine Coaching Ausbildung ist auch mit einigen Kosten verbunden.

Dies sind nur einige Gedanken. Und dann war da noch dieses Gefühl, welches mir die ganze Zeit sagte:

Mach es. Worauf wartest du?

Im Sommer 2021 habe ich meine Entscheidung getroffen und mich für die Ausbildung angemeldet. Im September 2021 ging es los und jetzt schreibe ich schon meine Abschlussarbeit, bevor ich die Ausbildung in knapp 1,5 Monaten abschließen werde.

Im Zentrum dieser Arbeit steht das Thema Entscheidungen.

Warum fallen uns einige Entscheidungen schwer, während andere ganz schnell getroffen werden können?

Treffe ich eher rationale Entscheidungen oder sollte ich mich öfter auf mein Bauchgefühl verlassen und nicht so viel nachdenken?

Und was will mir ein „warmes Herz“ oder ein „Stein im Magen“ eigentlich genau sagen?

Die nachfolgenden Seiten geben einen Einblick in die inneren Prozesse, die im Rahmen einer Entscheidungsfindung eine Rolle spielen. Außerdem wird die Methode der Affektbilanz vorgestellt, welche im Coaching häufig zur Bearbeitung von Entscheidungssituationen abgewendet wird.

Die Entscheidungsfindung als innerlicher Verarbeitungsprozess

Entscheidungen bestimmen unser Leben.

Sie sind unser täglicher Begleiter, denn jeden Tag treffen wir unzählige Entscheidungen, welche uns mal leichter und mal schwerer fallen. Viele Entscheidungen werden getroffen, ohne großartig darüber nachzudenken, während in anderen Situationen die Entscheidungsfindung sehr lange dauert.

So lassen sich beispielsweise Alltagsentscheidungen, finanzielle Entscheidungen, oder auch berufliche Entscheidungen unterscheiden.

Außerdem gibt es Entscheidungen mit langfristigen Auswirkungen und Entscheidungen ohne Auswirkungen, sowie Entscheidungen, die andere Personen betreffen und solche, die nur die eigene Person betreffen.

Der Psychologe Hubert Feger (2000) definiert eine Entscheidung als

jeden Prozeß und sein Ergebnis, der dazu führt, daß eine oder mehrere Personen sich darauf festlegen, eine oder mehrere Optionen gegenüber anderen Optionen zu bevorzugen.

Die wirtschaftspsychologische Gesellschaft (WPGS) unterteilt Entscheidungen zusätzlich in vier Kategorien:

Extensive Entscheidungen, Limitierte Entscheidungen, Automatisierte Entscheidungen und Impulsentscheidungen (vgl. WPGS online):

Extensive EntscheidungLimitierte Entscheidung
– Abwägung zwischen verschiedenen Optionen

– Alle Handlungsoptionen und ihre jeweiligen Auswirkungen werden genau durchdacht

– Entscheidung für eine der Optionen

– Zusammenspiel von Rationalität und Emotionen

– Begrenzte Anzahl an Handlungsoptionen

– Schnelle Entscheidungsfindung ohne langes Nachdenken

– Wiederkehrende Entscheidungen

Automatisierte EntscheidungenImpulsentscheidung
– Handlungsroutinen

– Habitualisiertes Verhalten

– Keine bewusste Entscheidungsfindung

– Entscheidung wird aus der Situation heraus getroffen

– Entscheidung durch Spontanität

Je nach Entscheidungstyp unterscheidet sich die Dauer bis zur Entscheidungsfindung sowie der Anteil an rationalen Gedanken und emotionalen Empfindungen.

Allerdings wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass Entscheidungen überwiegend rational getroffen werden.

Der Ansatz des Menschen als Homo oeconomicus geht davon aus, dass stets diejenige Option gewählt wird, welche den größten Nutzen bringt.

Anfang der 1980er Jahre veränderte sich diese Sichtweise durch den portugiesischen Neurologen Antonio Damasio. Dieser konnte zeigen, dass neben den rationalen Aspekten auch Gefühle und Emotionen eine bedeutsame Rolle innerhalb der Entscheidungsfindung spielen (vgl. Hürter et.al. 2011: 1).

Aus guten Gründen also haben Menschen beides, Gefühl und Verstand. Das Geheimnis guten Entscheidens besteht darin, beide mitreden zu lassen. Einfach ist es, wenn eine Option klar besser erscheint als der Rest.
(ebd.)

Von diesem Zeitpunkt an standen Gefühle und Emotionen im Forschungsinteresse als ein Zusammenspiel von kognitiven und emotionalen Prozessen im Rahmen der Entscheidungsfindung.

Hirnareale

Um die Prozesse der Entscheidungsfindung besser verstehen zu können ist es wichtig, die Abläufe in den Hirnarealen Limbisches System und Präfrontaler Cortex genauer zu betrachten.

Limbisches System

Das Limbische System ist die Heimat der Emotionen und der Entstehungsort von Affekten (vgl. Osterath 2018).

Präfrontaler Cortex/ äußere Hirnrinde

Im Präfrontalen Cortex ist der Verstand verankert.

Hier werden rationale Entscheidungen getroffen, Vor- und Nachteile einander gegenübergestellt und zukünftige Handlungen geplant (vgl. ebd.).

Reize und Empfindungen werden ebenfalls über die äußere Hirnrinde wahrgenommen.

Die beiden Areale sind miteinander verbunden und arbeiten bei der Entscheidungsfindung zusammen, wobei der Verstand versucht, Gefühle und Emotionen zu kontrollieren.

Somatische Marker

Antonio Damasio (1994) bezeichnet die über die äußere Hirnrinde wahrgenommenen Körpersignale bzw. -Empfindungen in diesem Zusammenhang als somatische Marker, die uns unbewusst eine Vorentscheidung treffen lassen (vgl. ebd.) und damit die Grundlage unserer Entscheidungen darstellen:

Alle Erfahrungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens macht, beeinflussen unser emotionales Gedächtnis, unser Erfahrungswissen und somit auch unser zukünftiges Handeln.

Erfahrungen die als positiv empfunden wurden und mit positiven Gefühlen und Emotionen assoziiert werden, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit wiederholt zu werden, als solche, die mit eher negativen Gefühlen verbunden werden.

Die somatischen Marker befinden sich an verschiedenen Stellen im Körper und werden unterschiedlich erlebt: So hat jeder schon mal in einer bestimmten Situation oder dem Gedanken daran, einen Druck in der Magengegend verspürt, ein rotes Gesicht oder auch schwitzende Hände bekommen.

Auch der bekannte „Kloß in Hals“ gehört zu den somatischen Markern.

Allerdings ist es von Mensch zu Mensch unterschiedlich, welche somatischen Marker mit welchen Emotionen verbunden sind und wie sie körperlich erlebt werden (vgl. Gramm S. 28).


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genaue Quellenangaben sind in der Original PDF zu finden