Zeitreise

Arbeiten mit der Timeline

Abschlussarbeit von Daniela Bollmann, als PDF lesen


Einleitung

Wer kennt es nicht?

An bestimmten Punkten in unserem Leben, seien dies private oder berufliche Veränderungsprozesse oder auch der Jahreswechsel, nehmen wir uns Zeit und reflektieren über Erlebtes, Erreichtes, Geleistetes.

Wir werfen einen Blick in die Vergangenheit mit unseren Erfolgen und Misserfolgen und wagen einen Blick in die Zukunft mit unseren Wünschen und Visionen.

Ähnlich funktioniert das Coaching-Tool „Timeline“, mit dem wir uns sozusagen auf eine Zeitreise in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unseres Lebens -privat und/oder beruflich- begeben.

Wir tauchen intensiv in unsere Erlebniswelt ein, die von Erinnerungen an Vergangenes bzw. Vorstellungen von der Zukunft geprägt ist und verbinden diese mit unserer Gefühlswelt. Der sonst häufig rein kognitiv ablaufende Prozess der Reflexion wird auf diese Weise um die Wahrnehmung von Emotionen erweitert und das Unterbewusstsein mit angesprochen.

Durch diese Assoziation mit unserer Gefühlswelt erhalten wir Zugang zu den dahinterstehenden Bedürfnissen, die unser Tun und Handeln beeinflussen. Dabei lassen sich unsere Bedürfnisse insofern nur schwer steuern, als dass sie in unserem Unterbewusstsein verwurzelt sind und somit nicht unmittelbar greifbar bzw. kontrollierbar für uns sind.

Wenn wir jedoch erkennen, welche Bedürfnisse hinter unseren Reaktionen und Handlungen stehen, befähigt uns dies, Verhaltensmuster oder Sichtweisen zu verändern und somit Einfluss auf unsere Zukunft zu nehmen.

Zudem kann der Umgang mit früher erlebten -herausfordernden aber auch erfolgreich bewältigten- Situationen ins Bewusstsein geholt werden und dazu beitragen, Ressourcen zu erkennen sowie Kompetenzen und Strategien zur Lösung der aktuellen Situation zu entwickeln.

Ursprung der Timeline

Die Timeline ist eine therapeutische Technik, die erstmals in den 70er Jahren als „Walking the Time Line“ bekannt und in der Hypnotherapie zur Aufarbeitung von traumatischen Erlebnissen oder belastenden Situationen eingesetzt wurde.

Der Hypnotherapeut Tad James hat diese Technik in den 80er Jahren mit dem NLP1-Trainer Wyatt Woodsmall als „Time Line Therapie“ weiterentwickelt.

Seit Ende der 80er Jahre wird die Technik als eigenständige Methode im NLP angewandt und ist ein wesentlicher Bestandteil der NLP-Ausbildung

Zielsetzung und Anwendung der Timeline

Bei der Arbeit mit der Timeline geht es insbesondere darum, Verständnis darüber zu erlangen, wie uns unsere Erfahrungen (gute wie schlechte), Erinnerungen und Entscheidungen bis zum gegenwärtigen Moment geprägt haben und welche Sicht wir dadurch auf uns und unser Leben haben.

Alles was wir erleben wird initiiert durch äußere Ereignisse, die wir subjektiv über unsere Sinnesorgane erfahren. Diese Wahrnehmung über verschiedene Sinneskanäle wird unter dem Begriff „VAKOG“ zusammengefasst:

VAKOG

V – visuell (sehen)
A – auditiv (hören)
K – kinästhetisch (fühlen)
O – olfaktorisch (riechen)
G – gustatorisch (schmecken)

Anschließend durchlaufen eingehende Eindrücke und Informationen einen inneren „Weiterverarbeitungsfilter“.

Hierbei werden neue Ereignisse mit bereits gespeicherten Erfahrungen, Erinnerungen und Entscheidungen sowie unseren Einstellungen, Werten und Glaubenssätzen auf unbewusster Ebene abgeglichen, die letztlich unser Handeln und unsere Reaktionen beeinflussen.

Ziel der Arbeit mit der Timeline im Coaching ist es, unbewusste Prozesse und Emotionen aufzudecken und zu reflektieren, welchen Einfluss sie auf uns und unser Handeln haben.

Im systemischen Coaching wird die Timeline insbesondere zur Ressourcenstärkung und -aktivierung eingesetzt. Sie ermöglicht dem Klienten, aus seiner Vergangenheit zu lernen, beispielsweise indem er Ressourcen und Lösungsstrategien erkennt, die er bereits in der Vergangenheit erfolgreich zur Bewältigung herausfordernder Situationen eingesetzt hat.

Die Time Line Therapie nach Tad James und Wyatt Woodsmall findet Anwendung zur:

• Veränderung von Erinnerungen

• Wandlung negativer Gefühle

• Beseitigung von Phobien

• Erschaffung einer unwiderstehlichen Zukunft

• Veränderung der Richtung der Timeline

Darüber hinaus bietet die Timeline die Möglichkeit, Erlebnisse aus der Vergangenheit neu zu prägen und damit negative Gefühle oder Glaubenssätze aufzulösen.

So beschreibt beispielsweise Angelika King in ihrem Buch „Seelen-Coaching mit der Timeline-Methode“, welche Veränderungen auf spiritueller Ebene möglich sind. In der von ihr weiterentwickelten Form der Timeline erfolgt die Heilung spiritueller Blockaden über einen definierten Prozess, den der Klient auf seiner Zeitreise aus einer Flugperspektive („Schwebe- bzw. Fliegetimeline“) durchläuft.

Arten von Zeitlinien

Für die Arbeit mit der Timeline ist es sinnvoll, zu verstehen, wie wir Zeit empfinden und innerlich anordnen, um zwischen Ereignissen der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft zu differenzieren. Dabei unterscheidet sich die Art und Weise wie unser Gehirn die Vorstellung von Zeit räumlich speichert.

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten von Zeittypen anhand des Verlaufs ihrer Zeitlinien unterscheiden:

Through Time

Der „Through Time“-Zeittyp nimmt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als außerhalb seines Körpers liegend wahr.

Bei diesen Menschen verläuft die Timeline beispielsweise von links nach rechts oder von oben nach unten. Dabei befindet sich die Zeitlinie vollständig im Sichtfeld des Klienten; d.h. er kann die Zeiten jederzeit vor sich sehen ohne den Kopf drehen zu müssen. Die Tatsache, dass sich die Timeline außerhalb des Körpers befindet, bedeutet, dass der Klient die Zeit „dissoziiert“ (losgelöst) erlebt – wie ein Betrachter von außen.

Dieser Typ entspricht dem Anglo-Europäischen Konzept von Zeit, bei dem z.B. Pünktlichkeit und Zeitplanung eine Rolle spielen und Ereignisse in linearen Strukturen ablaufen.

In Time

Der „InTime“-Zeittyp nimmt einen Teil der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft als hinter sich liegend wahr (häufig die Vergangenheit).

Bei diesen Menschen verläuft die Timeline durch den Körper. Demnach befindet sich die Timeline nicht vollständig im Sichtfeld des Klienten; d.h. er muss sich umdrehen, um einen Teil der Zeit zu sehen. Die Tatsache, dass die Timeline durch den Körper verläuft, bedeutet, dass der Klient die Zeit „assoziiert“ (verbunden) erlebt – wie ein Beteiligter im Moment.

Dieser Typ entspricht dem arabischen bzw. südländischem Konzept von Zeit, bei dem sich alles im Moment abspielt und z.B. Pünktlichkeit eine eher untergeordnete Rolle spielt.

Warum ist dieses Verständnis als systemischer Coach wichtig?

Wie beim Inselmodell2 kann der Coach nicht davon ausgehen, dass der Klient das gleiche Zeitempfinden hat. Dies ist insofern wichtig, als dass der Coach jederzeit eine neutrale Haltung wahren und dem Klienten die Gestaltung der Timeline im Raum überlassen sollte.

Dies gilt sowohl für die Ausrichtung der Timeline als auch für die Abstände zwischen den jeweiligen Ereignissen. So kann es auch während des Coaching-Prozesses dazu kommen, dass der Klient Veränderungen an der Struktur seiner Zeitlinie vornimmt, die für ihn von wesentlicher Bedeutung sind.

Es ist empfehlenswert, den Klienten -nach Aufbau der Timeline- aktiv einzuladen, zu überprüfen, ob der Aufbau für ihn so passend ist.

Phasen und Ablauf der Timeline

Phase I – Vorbereitung / Einstieg

In dieser Phase des Coaching-Prozesses geht es darum, das Thema bzw. die Fragestellung für das Coaching festzulegen und die Zeitreise mit der Timeline vorzubereiten.

Der Klient beschreibt hierfür seine aktuelle Situation und benennt prägende, biographische Stationen seines Lebens / seiner Karriere – je nach Zielsetzung. Der Coach notiert diese (im Wortlaut des Klienten) auf separaten Karten (= eine Karte pro Ereignis).

Anmerkung:
Der Klient kann auch selbst die Karten schreiben; jedoch empfiehlt sich, dies als Coach zu übernehmen, so dass der Klient sich vollständig auf die Denkarbeit konzentrieren kann.

Ablauf

Einstiegsfrage / Fokus klären: berufliche / private Timeline

„Welchen Fokus möchten Sie für das heutige Coaching mit der Timeline legen?“

„Was beschäftigt Sie in diesem Zusammenhang besonders?“

„Welche Fragestellung möchten Sie mit der Timeline für sich klären?“

Vergangenheitsbetrachtung: 5-6 prägenden Ereignisse

„Welche Ereignisse auf Ihrem bisherigen Lebensweg / in Ihrer Berufslaufbahn waren für Sie am prägendsten?“

Gegenwartsbetrachtung: aktuelle Situation und Bezeichnung

„Wie sieht Ihre aktuelle Situation aus?“

„Welche Bezeichnung / welchen Titel geben Sie Ihrer aktuellen Situation / dem heutigen Tag?“

Zukunftsbetrachtung: Ereignisse der Zukunft

„Welche Ereignisse prägen Ihre Zukunft? (kurzfristig/mittelfristig)

„Wenn Sie nun etwas weiter in die Zukunft blicken, was möchten Sie dann noch erreichen / erleben?“

Anmerkung:

An dieser Stelle kann der Coach mit Vorschlägen zu künftigen Ereignissen unterstützen; bspw. runder Geburtstag, der Renteneintritt, der 70. Geburtstag


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Hinweise
Aus Vereinfachungsgründen wird der Begriff „der Klient“ bzw. „er“ gleichgestellt mit „die Klientin“ bzw. „sie“ und gleichbedeutend mit „Coachee“ verwendet.

1 NLP = Neuro-Linguistisches Programmieren
2 Inselmodell: jeder Mensch nimmt Situationen unterschiedlich wahr, basierend auf seinen persönlichen Erfahrungen (= seiner Insel)