Wabi Sabi und Aikido

Als Vorbild zum Umgang mit Macht

Abschlussarbeit von Jörg Stappen, als PDF lesen


Einleitung

Bestimmte Werte und Haltungen sind global in vielen Kulturen aber auch über verschiedenen Zeiträumen hinweg vertreten.

In der vorliegenden Arbeit werden die innere Haltung Klienten gegenüber und der Umgang mit Macht im systemischen Coaching mit Teilen der japanischen Kultur verglichen.

Ziel ist es dem geneigten Coach einen umfassenderen Kontext für seine Arbeit vorzustellen.

Was ist Macht?

Die klassische Definition von Max Weber gilt heute als Ausgangspunkt der Machtdiskussion.

Im Gegensatz zur Herrschaft definiert Weber Macht als

Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht

(1956: 28).

Zwei Aspekte sind an Webers Definition besonders bemerkenswert:

Erstens assoziiert er Macht mit Kämpfen und Konflikten, somit sieht er sie als negativ an.

Zweitens verlagert er Macht in die Willenskraft des Menschen, statt sie auf äußerliche, objektive Faktoren — wie Titel, Ämter oder Besitz—zurückzuführen.

Im Gegensatz zur Macht weist Herrschaft einen stärkeren Institutionalisierungsgrad auf, da sie an eine Legitimität zwingend gebunden ist. Das hier beschriebene Verhältnis impliziert von vornherein eine soziale, akzeptierte Hierarchie, wie etwa im Verhältnis von Lehrern und Schülern.

Das Herrschaftsverhältnis endet erst dann, wenn eine der beiden Parteien oder Personen die Institution verlässt. Dagegen wäre ein Machtverhältnis beim Austritt aus der Organisation nicht zwingend beendet.

Das zeigt, dass Macht ein relationaler Begriff ist.

Denn sie ist an die Beziehung zwischen der “Quelle” (der machtausübenden Person) und dem “Ziel” gebunden.

Weil sich die Abhängigkeit des Ziels von der Quelle je nach Bedürfnislage und nach Verhaltensbereich ändern kann, ist die Machtbeziehung ein dynamischer Prozess und keine konstante Verfügungsgewalt.

Macht ist in der Regel auf beiden Seiten einer Beziehung vorhanden.

Die Machtforscher sind sich darin einig:

Macht, und Herrschaft sind keine dispositiven Eigenschaften einer Person.

Sie sind nur im sozialen Kontext denkbar.

Daher sind sie keine rein psychologischen, sondern vor allem soziologische Phänomene.

Diese Aussage impliziert, dass es nach Ansicht einiger Machttheoretiker eine echte Gleichheit unter Menschen nicht geben kann, da symmetrische (gleichwertige) Beziehungen einer sozialen Instabilität unterliegen und dazu tendieren, sich in asymmetrische Beziehungen aufzulösen.

Ist Macht eine Sache der Psyche?

Wir haben schon gehört, dass Macht keine feste, unverrückbare Eigenschaft einer Person ist und dass sie im sozialen Kontext entsteht.

Sie ist auch eine phänomenale Größe, d.h. etwas, das je nach Kontext und Betrachter völlig unterschiedlich wahrgenommen wird. Hier kommen wir in den Bereich des Sozialkonstruktivismus:

In dieser Theorie wird die Vorstellung einer objektiven Wirklichkeit, die für alle Menschen gleich erfahrbar sein soll, abgelehnt.

Die sozialkonstruktivistische Theorie nimmt stattdessen an, dass

Jeweils die subjektive Wahrnehmung ausschlaggebend für das Verstehen und die Deutung der sozialen Wirklichkeit ist.

Ursachen/Grundlagen der Macht

Es gibt noch weitere Ursachen der Macht. Diese sind nach Raven und French (vgl. auch Raven/Rubin 1976) die folgenden Formen:

➢ Macht durch Identifikation oder Vorbildcharakter (Referent Power) ist dann gegeben, wenn die Person B in der Person A ein Vorbild oder Idol sieht und ihr daher blind gehorcht.

➢ Macht durch Legitimation (Legitimate Power) ist dann zu beobachten, wenn ständige Kontrolle nicht mehr notwendig ist, da die zugrunde liegenden sozialen Normen und Werte durch die Sozialisation von den Meisten verinnerlicht wurden.

So akzeptiert man den hohen Status eines Direktors und erkennt die Kompetenz eines Ministers an.

➢ Expertenmacht (Expert Power) und Informationsmacht.

Systemisches Coaching

Im systemischen Coaching muss der Coach den Kontext des Klientensystem in seine Tätigkeit miteinbeziehen.

Dies bedeutet, dass beachtet werden muss, dass Änderungen eines Systemelement immer Auswirkungen auf das Gesamtsystem des Klienten nach sich ziehen.

Dies könnten z.B. Änderungen im familiären oder beruflichen Umfeld sein oder auch könnten sich Veränderungen in freundschaftlichen Beziehungen ergeben.

Die Grundprinzipen des Coachings

Die Haltung des Coaches und der Rahmen des Coachings beeinflussen im Wesentlichen, ob das Ziel des Klienten erreicht werden kann.

Nur in einem Vertrauen schaffenden, sicheren und geschützten Bereich kann sich der Klient öffnen und die Arbeit des Coaching beginnen.

Dabei schaffen folgende Grundprinzipien die notwendige Basis:

Respekt und Wertschätzung: keine Bewertung des Verhaltens des Klienten durch den Coach,

Verschwiegenheit → absolute Vertraulichkeit,

Verantwortung: Beide Seiten sind sich ihrer Verantwortung für das Gelingen des Prozesses bewusst => Coach als Prozessverantwortlicher und der Klient als Träger seiner Lösung in sich

Allparteilichkeit → Verständnis und Wertschätzung für alle Systemelemente und ihrer persönlichen Sichtweisen,

Wechselseitigkeit statt Kausalität „Niemand ist schuld an einer Situation“

Grundhaltung des Nicht-Wissens: Der Coach ist kein Fachexperte, der sein Wissen kundtut, sondern ein Bereitsteller von Lösungsmöglichkeiten, von denen der Klient entscheidet, welche er bevorzugt → keine Expertenmacht (siehe Punkt 2.2).

Die Innere Haltung

Hier kommt das Prinzip der „selbsterfüllenden Prophezeiung“ zum Tragen, das durch die Studie von Rosenthal und Jakobson (1968) aufgezeigt wird.

Sie untersuchte z. B., inwieweit die Erwartungen von Lehrern, hinsichtlich des Leistungspotenzials ihrer Schüler, Einfluss auf die Leistungen und sogar deren Intelligenz nahm.

Demnach hat die selbsterfüllende Prophezeiung Auswirkungen auf das menschliche Beziehungsverhalten.

Daher ist es von entscheidender Bedeutung, wie man als Coach seinem Klienten begegnet, da dies Einfluss auf dessen Verhalten nimmt.

Es können vier grundsätzliche Lebenseinstellungen sozialer Interaktion benannt werden:

➢ Ich bin nicht ok – du bist ok

➢ Ich bin nicht ok – du bist nicht ok

➢ Ich bin ok – du bist nicht ok

➢ Ich bin ok – du bist ok.

Die letztgenannte Haltung „Ich bin ok – du bis ok“ ist die entscheidende Einstellung, um überhaupt den Versuch zu unternehmen, symmetrische Beziehung zum Klienten – quasi auf Augenhöhe – aufzubauen.

Dieses Prinzip der Gleichheit unter den Sozialpartner ist universell und spiegelt sich unter anderem auch in den folgenden Ausführungen zum Wabi Sabi und Aikido wider.

Wabi – Sabi

In Japan gibt es viele tiefe und sinnvolle Konzepte, die Teil der japanischen Kultur sind.

Die Traditionen und Trends des Landes sind sehr interessant und kreisen um verschiedene Formen der Philosophie.

Die japanische Kultur und Philosophie besitzen eine einzigartige Ideologie der Schönheit und ihrer Wahrnehmung in der Welt. Ein solch faszinierendes japanisches Konzept ist “Wabi Sabi”.

Der Begriff Wabi – Sabi ging aus zwei unterschiedlichen Wörtern hervor, die beide vom ästhetischen Wert durchdrungen und tief in Literatur, Kultur, Religion und Philosophie verwurzelt sind.

Beim Wabi geht es sowohl um das Entdecken des Schönen im Schlichten als auch um das Entdecken einer spirituellen Fülle und Gelassenheit, indem man sich von der materiellen Welt löst.

Sabi hingegen hat eher mit dem Lauf der Zeit zu tun, wie alles gedeiht und wieder vergeht und wie das Altern die Erscheinung von alledem verändert.


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