Transformation von Glaubenssätzen im Coaching

Abschlussarbeit von Karen Werding, PDF lesen


Einleitung 

Ich möchte das Thema meiner Abschlussarbeit mit folgendem Beispiel einleiten:
Ein Coachee kommt zu einem Coaching, weil er sich nicht entscheiden kann, ob er einen neuen Job annehmen, in seinem alten Job bleiben oder auch keine der beiden Varianten wählen soll. Hier kann der Coach im Rahmen seines Coachingprozesses eine klassische Intervention durchführen, die den Coachee in seiner Entscheidunsfindung unterstützt.

Nun kann es aber sein, dass der Coachee den Glaubenssatz in sich trägt, dass man mit dem zufrieden sein sollte, was man hat. Dieser Glaubenssatz könnte ihn zum aktuellen Zeitpunkt daran hindern, mit einer klassischen Intervention an dieser Stelle weiter zu kommen und zu einer Lösung zu finden.

Es würde dem Coachee vielmehr helfen, diesen hinderlichen Glaubenssatz zunächst aufzulösen und sich dem Thema anschließend noch einmal zu widmen.

Situationen wie diese tauchen im Coachingprozess immer wieder auf. Aus diesem Grund befasst sich meine Abschlussarbeit mit dem Thema Glaubenssätze und Möglichkeiten ihrer Transformation.

Zunächst werde ich darauf eingehen, was Glaubenssätze sind und sowohl ihre Entstehung als auch ihre Auswirkung auf unser Leben beleuchten. Anschließend stelle ich die unterschiedlichen Arten von Glaubenssätze vor. Im nächsten Schritt werde ich die Methode “The Work” von Byron Katie als ein mögliches Modell, Glaubenssätze zu transformieren, vorstellen. Im Schlussteil werde ich die vorgestellte Methode kritisch reflektieren.


Glaubenssätze

Definition

Wie wir fühlen und welche Gefühle wir überhaupt in uns wahrnehmen können, beziehungsweise welche Gefühle in unserem Erleben zu kurz kommen, hängt wesentlich von unserem angeborenen Temperament und unseren Kindheitserfahrungen ab.

Einen wichtigen Einfluss nehmen hier unsere unbewussten Glaubenssätze.

Unter einem Glaubenssatz versteht man in der Psychologie eine tief verankerte Überzeugung, die eine Einstellung zu uns selbst oder zu unseren zwischenmenschlichen Beziehungen ausdrückt.

Viele Glaubenssätze entstehen in den ersten Lebensjahren durch die Interaktion zwischen dem Kind und seinen nächsten Bezugspersonen.1

Positive und negative Glaubenssätze

Die positiven Glaubenssätze entstanden in Situationen, in denen wir uns von unseren wichtigsten Bezugspersonen angenommen und geliebt fühlten. Sie stärken uns. Die negativen Glaubenssätze dagegen entstanden in Situationen, in denen wir uns falsch verstanden und abgelehnt fühlten. Sie schwächen uns.2

Das Wort „Glaubenssatz“ sagt bereits viel aus. Es sind Sätze, an die wir glauben und die unser Handeln beeinflussen. Bei diesen Überzeugungen handelt es sich um etwas, was für uns wahr ist und unserer eigenen subjektiven Wirklichkeit entspricht.

Unser Verstand weiß nicht, was real im Außen ist, in welcher Zeit wir leben und was gerade passiert. Sobald ein Gedanke in unseren Kopf kommt, wird dieser, wenn wir ihm folgen und glauben, zu unserer derzeitigen Realität. So können uns positive Gedanken beflügeln und voranbringen, aber genauso gut können wir Angstschleifen in der Zukunft drehen oder hätte/wäre/könnte Grübelfalten über unsere Vergangenheit kreiiren. Unser Körper reagiert auf all das, weil unser Verstand uns das Signal gibt, genau diese Gedanken sind im Hier und Jetzt real.

In meiner Arbeit konzentriere ich mich auf die negativen, destruktiven Glaubensätze, da sie eine große Macht über unser Handeln haben und uns das Leben manchmal unbewusst und unnötig schwer machen.

Entstehung von Glaubenssätzen

In der Psychologie geht man davon aus, dass die nachhaltige Nicht-Erfüllung der psychischen Grundbedürfnisse zur Entstehung von negativen Glaubenssätzen führt.

„Die vier Grundbedürfnisse sind:

• Das Bedürfnis nach Bindung
• Das Bedürfnis nach Autonomie und Kontrolle
• Das Bedürfnis nach Lustbefriedigung bzw. Unlustvermeidung
• Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung bzw.  Anerkennung

Immer wenn wir Stress, Kummer, Wut oder Angst verspüren, sind unsere Grundbedürfnisse im Spiel.  Meist ist nicht nur eins, sondern sind gleich mehrere oder sogar alle nicht befriedigt worden.3

Um diese Gefühle möglichst wenig zu spüren und trotzdem der Erfüllung unserer psychischen Grundbedürfnisse näher zu kommen, entwickeln wir sogenannte Schutzstrategien.4

In der Literatur ist in diesem Zusammenhang auch häufig von dem Begriff „Innere Antreiber“ die Rede.

Taibi Kahler unterscheidet fünf Antreiberdynamiken, um ein Nicht-OK-Gefühl zu kompensieren:

1. Ich bin OK, wenn ich perfekt bin.
2. Ich bin OK, wenn ich stark bin.
3. Ich bin OK, wenn ich gefällig bin.
4. Ich bin OK, wenn ich mich anstrenge.
5. Ich bin OK, wenn ich mich beeile.5

Die Entstehung von Glaubenssätzen und Schutzstrategien ist hoch komplex. Ich möchte in der vorliegenden Arbeit den Fokus auf den Umgang mit negativen Glaubenssätzen legen.

Ein hinderlicher Glaubenssatz darf durch Erkenntnisgewinn abgelöst werden und durch eine neue, kraftvollere Annahme und Affirmation ersetzt werden. Die jeweilige Ressource, die jeder Glaubenssatz ebenfalls in sich trägt, darf an dieser Stelle durchaus auch seine Würdigung erfahren.

Im Folgenden möchte ich die Methode „The Work“ von Byron Katie zur Arbeit mit Glaubenssätzen im Coachingprozess näher vorstellen.

„The Work“ von Byron Katie

Die Methode

Byron Katie war über zehn Jahre lang depressiv und konnte die letzten Jahre sogar ihr Schlafzimmer nicht mehr verlassen. Dann wachte sie eines Morgens auf – doch nicht nur ihr Körper erwachte, sondern auch ihr Geist. Nach den jahrelangen Depressionen und Angstzuständen begriff sie von einem Moment auf den anderen: „Wenn ich meinen Gedanken glaube, dann leide ich und wenn ich meine Gedanken hinterfrage, hört das Leiden auf.“ Die Ursache ihrer Depression waren ihre Überzeugungen über die Welt.

Die Methode, die sie seit dieser Erfahrung lehrt, nennt sie „The Work“. Und zwar deswegen, weil es eine fortwährende Arbeit ist zu hinterfragen, ob unsere Gedanken und Perspektiven tatsächlich wahr sind.

Im Folgenden möchte ich Byron Katies Methode als ein Instrument vorstellen, um die eigenen inneren Gefängnisse zu verlassen.

„The Work“ besteht aus vier Schritten, die uns darin unterstützen, die negativen (stressauslösenden, angstmachenden, deprimierenden, …) Gedanken zu hinterfragen, sodass sie ihre Macht über uns verlieren und wir innere Freiheit erfahren.

Der Gedanke, der dein Leiden erzeugt, so Byron Katie, ist immer ein Urteil: über andere, über das Leben, über dich oder deinen Körper.

Hast du das Urteil wahrgenommen, das dich leiden lässt, beginnst du mit „The Work“. Dabei stellst du dir immer wieder die Situation vor, als der Gedanke den stärksten Einfluss auf dich hatte. Von hier aus stellst du dir nun vier simple Fragen zu deinem Gedanken. Danach drehst du deinen Glaubenssatz einfach um. Es hilft gerade zu Beginn, wenn dich jemand dadurch leitet, denn oft kehrt die alte, picksende Stimme deines Glaubens verpackt in einer neuen Form in einer anderen Frage zurück.

Wie lautet der negative Gedanke, den ich verändern möchte?

Die vier Fragen von „The Work“:

1. Ist das wahr?
2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass es wahr ist?
3. Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
4. Wer wärst du ohne diesen Gedanken?


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1 Vgl. Stahl, Stefanie, S.22
2 Vgl. Stahl, Stefanie, S.22
3 Vgl. Stahl, Stefanie, S.32
4 Vgl. Stahl, Stefanie, S. 89
5 Vgl. fritz.tips/innere-antreiber