Teamworkshop im Zeichen des systemischen Coachings

Abschlussarbeit von Kristina Vosen-Lütjen, als PDF lesen


Einleitung

Ich bin Kristina Vosen-Lütjen, 33 und aktuell Personalentwicklerin eines Unternehmens im Handel in Köln. Meine Tätigkeiten sind die Beratung von Führungskräften in allen Fragen der Personalentwicklung für sich selbst und deren Mitarbeiter. Dazu gehört u.a. die Konzeption und Durchführung von Teamentwicklungen, Workshops, Strategietagen, Vermittlung von Coachings, Potenzialanalysen und vielen anderen Personalentwicklungsmaßnahmen.

Zuvor habe ich mehrere Jahre im Talentmanagement und Recruiting gearbeitet und Wirtschaftspsychologie B.Sc. an der Rheinischen Fachhochschule studiert.

Wenn das Mittel der Wahl auf einen Teamworkshop fällt, dann führe ich diesen häufig selbst durch, nur in Ausnahmefällen geben wir den Auftrag an einen externen Dritten. Diese Bedarfe sind sehr individuell und werden passgenau auf die Teilnehmer und deren Situation zugeschnitten.

Das heißt ich führe zunächst eine Auftragsklärung durch, anschließend konzipiere ich den Tag und führe ihn als Moderatorin durch. So ergibt sich, dass ich im Folgenden einen Tagesworkshop mit Elementen aus der Coachingausbildung konzipieren werde, die ich teilweise so abwandeln werde, dass Sie auch in einer Gruppen-Konstellation funktionieren.

Mit dieser Ausgestaltung habe ich nicht weniger als den Anspruch, mit Elementen aus dem Coaching, die für eine klassische Coach-Klienten-Konstellation erarbeitet wurden, einem ganzen Team neue Impulse zu geben und sie nachhaltig verändert in den Arbeitsalltag zurückkehren zu lassen, so wie es Friedemann Schulz von Thun schon einmal beschrieben hat:

„Wenn alles gut läuft, geht der Klient nicht nur gut beraten aus den Sitzungen hervor, sondern auch gestärkt und ermutigt, mit neu erworbenen Kompetenzen der Situationsdiagnose, der Selbstklärung und der Selbstberatung, der Kontakt- und Problemlösefähigkeit.“1


Auftragsklärung mit dem Auftraggeber

Der Auftraggeber ist ein Teamleiter mit 12 MitarbeiterInnen. Einige davon arbeiten schon einige Jahre in diesem Team zusammen, fünf davon sind jedoch während der Coronazeit neu dazugekommen und kennen sich entsprechend noch nicht so gut wie Andere. Herausfordernd für das Team ist, dass es keinen festen Tag in der Woche gibt an dem es im Büro zusammenkommt. Es gibt flexible remote-Möglichkeiten, sodass sich viele KollegInnen oft wochenlang nicht persönlich sehen. Auch sind die Aufgaben des Teams sehr operativ. Sie sind für die Performance der Geschäftshomepage verantwortlich und betreuen die Servicehotline für den Onlineshop.

Damit einher geht eine sehr schnelle und flexible Arbeitsweise, an die sich das Team schnell anpassen und entsprechend priorisieren musste. Treten Störungen auf der Geschäftshomepage auf, müssen diese sofort behandelt werden, ungeachtet dessen, was das Team eigentlich geplant hatte zu bearbeiten.

In der Schnelllebigkeit des Handels muss häufig auf ad-hoc Geschäft reagiert werden und das unter großem Zeitdruck. Darunter leidet das Arbeitsklima, der Ton wird rauer und es entstehen Streitigkeiten. Während Corona hat man es verpasst sich besser kennenzulernen. Darin wird die Ursache für diese Streitigkeiten gesehen. Deshalb soll das Verständnis füreinander verbessert werden und durch verschiedene Interventionen und Perspektivwechsel sollen neue Eindrücke und Blickwinkel entstehen. Bestenfalls verbessert sich dadurch auch das Konfliktverhalten.

Als geeignetes Personalentwicklungsinstrument empfehle ich für diese Situation eine Teamentwicklung in Form eines 1-Tages-Workshops. Dies ist für mich die Möglichkeit alle Teammitglieder aneinander heranzuführen, Störungen zu identifizieren und zu behandeln.

„Eine Teamentwicklung ist ebenfalls eine PE-Maßnahme, allerdings mit einem stark prozesshaften Ansatz. Hier erlebt ein Team, z.B. eine Abteilung, eine Maßnahme, die ihm hilft, das eigene Teamprofil zu schärfen, die gemeinsame Ausrichtung zu optimieren, vorhandene Konflikte konstruktiv anzugehen oder sich schlicht untereinander besser kennen zu lernen.“ 2

Konzeption eines Tagesworkshops

In diesem Hauptteil ist die Abschlussarbeit so aufgebaut, dass sie auch als ausführlichen Trainerleitfaden fungieren kann. Das Inhaltsverzeichnis kann ebenso als grobe Agenda für den Moderator dienen. Das heißt ich habe sowohl die Übungsanleitungen als auch das Ziel der Übungen, Methoden und Spiele beschrieben. Die Texte in den umrandeten Kästchen sind die jeweiligen Aufgabenstellungen an die ganze Gruppe oder ausgewählte Teilnehmer.


1. Element: Begrüßung & Erwartungsabfrage

Im ersten Schritt begrüßen der Teamleiter und ich die Teilnehmer natürlich zu dem Workshop. Der Teamleiter resümiert einmal, was in den letzten 12 Monaten im Team passiert ist. Stellt die Herausforderungen dar, die sie gemeistert haben und die Widrigkeiten, denen sie im operativen Geschäft regelmäßig ausgesetzt sind. Er fasst kurz zusammen, dass es heute hauptsächlich darum geht, sich untereinander und als Team besser kennenzulernen und ein paar Interventionen zu erleben, die die Sicht auf die Dinge erweitern sollen. Als Moderatorin begrüße ich die Teilnehmer auch.

Anschließend führe ich eine kurze Erwartungsabfrage der Teilnehmer im Plenum durch. Ich bereite ein Flipchart vor und stelle eben diese Frage im Plenum. Ich notiere die Einwürfe stichwortartig auf dem Flipchart und sage, dass wir am Ende wieder einen Blick darauf werfen werden, ob wir den Erwartungen und Wünschen gerecht werden konnten.

„Was sind eure Wünsche und Erwartungen für heute?“


2. Element: Check-In

Um direkt mit einer Coaching-Methode in den Tag zu starten, nutze ich zirkuläre Fragen für den Check-In. Dies soll sowohl das eigene Ankommen in das hier und jetzt ermöglichen als auch einen Perspektivwechsel ermöglichen.

„Diese «zirkulären» Fragen sollen die Perspektive erweitern und zu neuen Gedanken anregen. Sie fordern dazu auf, etwas über sich selbst oder über die Situation aus der Perspektive eines anderen zu beschreiben, und das geht nur, indem man sich auf die Welt des anderen einlässt und Vermutungen anstellt. Eine zirkuläre Frage erfordert immer einen Perspektivwechsel. […] Im Kern ermöglichen zirkuläre Fragen also immer eine doppelte Information: Ich erfahre etwas zur Sache und gleichzeitig über die Beziehung und das Beziehungsgeflecht des Befragten.“3

Die Fragen werden reihum beantwortet, ohne dass der/die Betroffene gegenüber, eine direkte Rückmeldung über die Einschätzung gibt.


Wir starten mit Fragen:

• Wie ist mein Gegenüber heute hier? Wie geht es ihm/ihr?

• Was beschäftigt ihn/sie gerade wohl am meisten?

• Was würde mein Gegenüber wohl sagen, wenn wir sie/ihn fragen würden, wie es mir gerade geht?

Erst wenn der/die Letzte mit der Fremdeinschätzung fertig sind, darf darüber wie folgt reflektiert werden.


A: Nun darfst du auf deine Fremdeinschätzung reagieren. Tu dies gerne anhand folgender Leitfragen:

• Was hat dich überrascht?

• Was schließt du daraus?


Erkenntnis dieser Übung kann sein, dass sich die KollegInnen sehr gut untereinander kennen und einschätzen können. Ebenso ist die Feststellung möglich, dass sie wenig übereinander wissen und das Gegenüber noch nicht gut einschätzen können. Obwohl sie also in einem Team sind, wissen sie nicht wirklich wie es dem/der anderen geht.

Zusätzlich können Sie ihr eigenes Verhalten reflektieren, denn sie müssen darüber nachdenken, welchen Eindruck ihr eigenes Verhalten auf die anderen gemacht hat. Also welches Bild sich durch das eigene Verhalten bei den anderen zeichnet. Diese Übung zahlt ebenso stark auf die Selbstreflexion ein.

3. Element: Das innere Team des Teams

In der folgenden Übung werde ich eine leicht abgewandelte Methode des inneren Teams anwenden. Es sollen nicht, wie in der Original-Übung die inneren Anteile einer Person herausgefunden werden, sondern die Stärken eines ganzen Teams herausgearbeitet werden.

Ziel ist, das sich das Team über seine Herausforderungen und aktuellen Hindernisse klar wird und erarbeitet, welche vorhandenen Stärken sie für die Bewältigung des Problems einsetzen können.


A: Bitte schreibt auf, was ihr glaubt, was eure größte Herausforderung im Team ist. Dies kann in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft liegen. Ihr habt dafür fünf Minuten Zeit.

Nach der Bearbeitungszeit stellt jeder seine Karte vor. Falls gleiche Themen genannt werden, clustern wir diese. Anschließend wird demokratisch abgestimmt, welches Thema als die größte Herausforderung für das gesamte Team angesehen wird.


A: Wir brauchen nun die wohl größte Herausforderung eures Teams. Dafür stimmen wir demokratisch ab. Jeder darf seinen Klebepunkt auf ein Thema kleben.

Nun, da wir die eine größte Herausforderung des Team erkannt haben, geht es darum die Stärken des Teams zu erkennen, die helfen, diese Challenge zu bewältigen. Das gewählte Thema wird an das Whiteboard geheftet, darunter male ich die bekannte Figur des inneren Teams.


A: Denkt nun an eure Stärken im Team. Was könnt ihr richtig gut, welche Kompetenzen und Fähigkeiten habt ihr? Was macht euch besonders? Was ist euer USP (Unique Selling Point) im Vergleich zu anderen Teams?

Ich sammle die genannten Stärken in der gezeichneten Figur. Da voraussichtlich unterschiedliche Meinungen dazu herrschen werden, wie groß diese Stärke des Teams ist, verzichte ich darauf, die Stärken unterschiedlich groß und klein einzuzeichnen. Wenn die wesentlichsten Stärken im Plenum gesammelt worden sind, wenden wir uns der Frage zu, wie die Stärken bei der Bewältigung der Herausforderung helfen können.


A: Nun blickt auf die größte Herausforderung eures Teams. Welche Stärke könnt ihr wie einsetzen, um dieser Herausforderung zu begegnen?

Es ist ein zweites Whiteboard vorbereitet mit einer Tabelle, in der ich Maßnahmen festhalten kann. Die Tabelle ist wie folgt aufgebaut und hier mit einem Beispiel ausgefüllt:


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Quellen bis hierher
1 (Fischer-Epe, 2002, S. 11 f)
2 (Michael Hess, 2020, S. 209)
3 (Fischer-Epe, 2002, S. 62