Strukturierungs- und Auswahlhilfe

mithilfe des Systemischen Denkmodells

Abschlussarbeit von Matthias Künzi, als PDF lesen


Einleitung

Mit dieser Arbeit möchte ich mich mit dem systemischen Denkmodell und daraus abzuleitenden möglichen Handlungen (sogenannte Interventionen) im Coaching beschäftigen.

Das heisst wie das systemische Denkmodell dabei hilft, den Coaching Prozess zu strukturieren und entlang dieser Struktur mögliche Interventionen auszuwählen und anzuwenden.

Das systemische Denkmodell

Als erstes möchte ich anhand der verschiedenen Definitionen und Erklärungen versuchen das systemische Denkmodell für mich fassbar zu machen. Die Erkenntnisse daraus werde ich als Handlungshinweise (H1…Hn) festhalten, um daraus konkrete Anwendungs-Ideen fürs Coaching abzuleiten.

Grundlagen aus «Begleitdokumentation InKonstellation»

In der Begleitdokumentation zur Ausbildung als systemischer Coach findet man die folgende Definition zum systemischen Ansatz1:

Das Besondere am Systemischen Ansatz ist, dass ein ganzes System mit allen seinen Einzelelementen in Augenschein genommen wird, in dem sich ein Mensch bewegt.

Im systemischen Ansatz wird das Individuum nur als Teilaspekt eines ganzen, in sich funktionierenden Systems, betrachtet und die jeweilige Einflussnahme der einzelnen Elemente auf alle anderen und das gesamte System fokussiert.

Weiter wird dann auf die Frage eingegangen was genau ein System ist und was systemisch Abend arbeiten bedeutet. Dabei werden das folgende Bild und untenstehender Text als Erklärung angeboten2:

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Systemisch arbeiten bedeutet, dass die Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Elemente und deren Zusammenwirken innerhalb eines Systems gelegt wird.

Dabei ist die Vorgehensweise und Interventionsform des systemischen Arbeitens grundsätzlich bei Coaching, in Supervisionen, in gruppendynamischen Prozessen und der Therapie gleich.

In der Arbeit wird versucht, der Komplexität des Systems gerecht zu werden und die gegenseitigen Beeinflussungen und Wechselwirkungen zu beschreiben.

Dabei liegt der Hauptfokus auf den Mustern und Regeln, den Veränderungen des Systemzustandes, den Strukturen und dem Verhältnis der Bestandteile innerhalb des Gesamtgefüges.

Zusammengefasst lassen sich die folgenden Hinweise zu möglichen Coaching Interventionen hieraus ableiten:

H1. Wechselwirkungen und gegenseitigen Beeinflussungen der Systemelemente sollten betrachtet werden

H2. Regeln innerhalb des Systems sind relevant

H3. Veränderungen des Systems sollten beachtet werden

H4. Strukturen des Systems sollten beachtet werden. Es kann an den verschiedenen Strukturteilen gearbeitet werden (Arbeit an Personen, Arbeit im System, Arbeit am System, Arbeit am Kontext)

Das sind wichtige Hinweise für Coaching Interventionen.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob andere Definitionen und Grundlagen weitere Hinweise bieten. Deshalb habe ich weitere Quellen diesbezüglich untersucht.

Grundlagen aus Wikipedia «systemische Beratung»

Folgender Eintrag ist in Wikipedia unter dem Begriff systemische Beratung4 zu finden:

Systemische Beratung ist ein Oberbegriff für verschiedene Beratungsformate. Dieser Oberbegriff bezeichnet die Beratung von Individuen oder Gruppen (z. B. Paare, Familien, Teams, Organisationen) in Bezug auf deren jeweiligen Kontext: ihr soziales System.

Systemische Beratung bezieht sich auf die Grundlagentheorien Systemtheorie, Konstruktivismus, Kybernetik zweiter Ordnung und Synergetik.

Weiter heisst es dann:

Diese Grundlagen bilden zwar den Reflexionshintergrund systemischer Arbeit, sind aber nicht geeignet, konkrete Vorgehensweisen oder eine Haltung zu legitimieren.

Wissenschaftliche (valide) Nachweise für die Wirksamkeit der Systemischen Beratung existieren nicht – lediglich für einzelne Indikationen der Systemischen Familientherapie.

Das ist sehr interessant.

Das heisst, dass keine konkreten Vorgehensweisen aus den systemischen Grundlagen abgeleitet werden können.

Diese Quelle gibt also keine neuen Erkenntnisse und Hinweise für die Arbeit. Auch ist hier der Begriff systemisch sehr vage und nicht konkret definiert.

Weshalb ich weiter nach konkreteren Infos und Definitionen gesucht habe. Fündig geworden bin ich bei Fritz B. Simon und dem Buch «Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus»

Grundlagen aus «Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus» Fritz B. Simon

Hier findet sich die folgende Definition5:

Wenn man nach einer Definition sucht, wodurch sich das „systemische Denken“ von anderen Formen des Denkens (z. B. unserem westlichen Alltagsdenken oder dem Denken der newtonschen Physik) unterscheidet, so kann man sagen:

Systemisches Denken verwendet Erklärungen, die sich aus der Systemtheorie ableiten lassen

und das heißt konkret: An die Stelle geradlinig-kausaler treten zirkuläre Erklärungen, und statt isolierter Objekte werden die Relationen zwischen ihnen betrachtet.

Hier sind einige Aspekte erwähnt. Diese sind allerdings weiter oben schon als Hinweise festgehalten.

Ein neuer Begriff ist mit der Aussage „zirkuläre Erklärungen“ gegeben. Was jedoch die gleiche Bedeutung hat wie die Aussage: „…gegenseitige Beeinflussung der Systemelemente“.

Dieser Hinweis wurde als H1 bereits festgehalten.

Mit den 10 Geboten6 für systemisches Denken, wollte Fritz B. Simon die im Buch dargestellten Modelle und Theorien für die Praxis als Handlungsempfehlungen nutzbar machen.

Das tönt sehr vielversprechend.

Schauen wir und diese 10 Gebote an:

Gebot 1: Mache dir stets bewusst, dass alles, was gesagt wird, von einem Beobachter gesagt wird!

Gebot 2: Unterscheide stets das, was über ein Phänomen gesagt wird, von dem Phänomen, über das es gesagt wird!

Gebot 3: Wenn du Informationen beschaffen willst, triff Unterscheidungen!

Gebot 4: Trenne in deiner inneren Buchhaltung die Beschreibung beobachteter Phänomene von ihrer Erklärung und Bewertung!

Gebot 5: Der Status quo bedarf immer der Erklärung!

Gebot 6: Unterscheide Elemente, Systeme und Umwelten!

Gebot 7: Betrachte soziale Systeme als Kommunikationssysteme, d. h., definiere ihre kleinsten Einheiten (Elemente) als Kommunikationen!

Gebot 8: Denke daran, dass die Überlebenseinheit immer ein System mit seinen relevanten Umwelten ist!

Gebot 9: Orientiere dein Handeln an repetitiven Mustern!

Gebot 10: Betrachte Paradoxien und Ambivalenzen als normal und erwartbar!

Die folgenden zusätzlichen Hinweise zu möglichen Coaching Interventionen lassen sich aus der Arbeit und diesen Geboten von Fritz B. Simon ableiten:

H5. Es gibt keine objektive Wirklichkeit, sondern nur eine Beobachtung und subjektive Deutung und Bewertung einer Wirklichkeit. (aus Gebot 1 und 4)

H6. Was beschrieben wird ist ein Modell der Beobachtung und nicht die Beobachtung selbst. (aus Gebot 2)

H7. Informationen beziehen sich immer auf Unterscheidungen von Elementen, Systemgrenzen und Umgebungen (aus Gebot 3 und 6)

H8. Stabile Systeme sind nur dann stabil, wenn sie aktiv und dauernd stabil gehalten werden – das gilt sowohl für positive Zustände als auch negative Zustände. (aus Gebot 5)

H9. Jede Veränderung, welche zu Stabilität führen soll, muss basierend auf repetitiven Prozessen geschehen. (aus Gebot 9)


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1 InKonstellation Begleitdokumentation, Seite 8 und folgende
2 InKonstellation Begleitdokumentation, Seite 11 und folgende
3 InKonstellation Begleitdokumentation (Seite 11)
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Systemische_Beratung
5 Simon, Fritz B. Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus (S.12-13)
6 Simon, Fritz B. Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus (S.112-116)