Selbstreflexion als Metakompetenz professioneller Coachs

Abschlussarbeit von Susanne Sprengard, als PDF lesen


Einleitung

Schon recht lange trage ich den Wunsch in mir eine Coachingausbildung zu absolvieren und dadurch Menschen, insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene in der Entwicklung ihres Lebenswegs zu begleiten.

Im Laufe meines beruflichen Lebens wie auch im privaten Kontext habe ich vielfältige Erfahrungen mit Supervision, Teamcoaching sowie auch Live Coachings sammeln dürfen.

Ging ich anfänglich immer aus diesen Settings mit einem guten Gefühl heraus, stellte sich dann doch im Nachgang eine gewisse Skepsis ein.

Nicht immer hatte ich dann nach einer abschließenden Reflexion das Gefühl, dass in voller Gänze mein eigenes Thema zur Bearbeitung kam.

Für dieses Gefühl können unterschiedliche Gründe zum Tragen kommen. Das ein oder andere Mal begleitete mich die Frage, ob wir nun wirklich an meinem Thema gearbeitet haben oder ob nicht doch vielmehr die Thematik meines Gegenübers Handlungsleitend war.

Aus meiner Erfahrung in der Erziehung von sechs Kindern konnte ich intuitiv bereits die ein oder andere Coachingerfahrung machen und die ein oder andere Methode ohne den entsprechenden theoretischen Background anwenden.

Doch zeigte mir die Realität, dass man als Mutter und Frau oft auch mit seinen eigenen Themen konfrontiert wird und dann schnell das Thema des Gegenübers zu seinem eigenen Thema machen kann, wenn man sich dieser Gefahr nicht bewusst ist.

Meine Insel – deine Insel – eine pragmatische Metapher, die sich jeder Coach zu Herzen nehmen soll.

So sehe ich eine elementare Kompetenz eines Coaches darin, genau in diesem Bereich ein Bewusstsein zu entwickeln, wenn die Gefahr besteht in Symbiose mit dem Coache zu gehen.

Zu erkennen, wann der Coach seinen Coache auf seine Insel einlädt und dadurch den Coaching – Prozess unbewusst manipuliert, schein für mich eine unabdingbare Kompetenz zu sein, die einen professionellen Coach auszeichnet.

Erfolgreiche Beratungsprozesse zeichnen sich durch ein gelungenes Passing ab, wobei die Haltung eines Coachs eine wesentliche Rolle spielt.

Haltung an sich bildet sich in einer inneren und äußerlichen Haltung ab.

Die äußere Haltung findet sich im Stehen, im Gehen oder im Sitzen wieder. Ob ich einen aufrechten oder einen gebeugten Gang haben oder ob ich sicher oder unsicher auftrete.

Äußere wie innere Haltung können sehr facettenreich sein und bedingen sich gegenseitig.

Die innere Haltung bezeichnet eine innere Grundeinstellung, kann auch als Lebensmelodie oder Lebensphilosophie bezeichnet werden, die unser Denken und Handeln beeinflussen.

So kann die innere Haltung z.B. durch religiöse, sittliche, liberale oder auch konservative Strömungen gefärbt sein, die sich dann auch in unserem Wertesystem wiederspiegeln.

Andersherum kann festgestellt werden, dass

(…) die Kumulation an Werten unsere innere Haltung im Wesentlichen prägt und dadurch unser Denken und Handeln grundlegend und daraus resultierend unser Tun unser Arbeiten bestimmen.

Eine elementare Grundhaltung eines Coaches ist z.B. das Einnehmen einer nicht wissenden interessierten Haltung – Offenheit für das was kommen mag. Empathie, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Sensibilität, Neugierde, Objektivität, Kreativität, Begeisterung, Demut, Respekt und Intuition können weitere Werte sein, die sich auf die Beziehung zwischen Coach und Coache auswirken.

Jedoch können durchaus weitere Werte den Erfolg eines Coachingprozess günstig beeinflussen, die an dieser Stelle jedoch unerwähnt bleiben.

Der Coach als „Befähiger“ und „Ermöglicher“ leistet Hilfe zur Selbsthilfe und ermöglicht seinem Klienten eigene individuelle Lösungswege zu entwickeln.

Im Rahmen dieser Arbeit soll im ersten Kapitel eine Begriffsklärung hergeleitet werden, um daraus folgend Ziele für einen Coachingprozess zu benennen.

Coaching ein Containerbergriff mit vielen Unschärfen lässt viel Raum für Spekulation aber auch für Scharlatanerie, die sich der unscharfen Begrifflichkeit bedienen. Daher bedarf es umso mehr eines Professionsverständnisses und einer klaren Begriffsbestimmung von Coaching um Irrtümern und Missverständnissen vorzubeugen oder auszuräumen.

Professionalität ist unabdingbar die Voraussetzung für erfolgreiches Coaching.

Wo können gegebenenfalls Fehlerquellen im Prozess auftreten?

Wo können Herausforderungen und Störfaktoren den Prozess beeinflussen?

Im folgenden Kapitel werden dann ein mögliches Professionsverständnis mit Blick auf die fünf Kompetenzbereiche der deutschen Gesellschaft für Coaching und Training aufgezeigt.

Als weiteres Modell wird in diesem Kapitel auf die Matrix von Niedermeier und Schaper eingegangen, die sich in ihrer Forschung der emotionalen Kompetenz widmen.

Elementare Metakompetenz eines Coaches bildet somit die Kompetenz zur Selbstreflexion, welche darauf zielt, eine Selbst-Evaluation vorzunehmen um die daraus gewonnen Erkenntnisse auf zukünftige Prozesse anzuwenden (vgl. Steinke 2015, 270)

Ziel des Abschnitts ist, die Bedeutung von Reflexionsprozessen für professionelle Coachs herauszuarbeiten.

Im Anschluss an die theoretische Bearbeitung sollen dann im letzten Kapitel Methoden der Selbstreflexion dargestellt werden.

Coaching – ein Containerbegriff mit möglichen und unmöglichen Bedeutungen!

Coaching boomt und gerade in der aktuellen Zeit ist eine Zunahme von Coachinganfragen zu vermuten.

Coaching ist im deutschen Sprachgebrauch ein populärer Containerbergriff, welcher mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungsgehalten belegt wird.

Laut Schmidt-Lellek wird Coaching weder durch ein staatlich anerkanntes Curriculum noch durch staatliche Gesetzte geschützt und es liegt kein öffentliches Mandat vor. Daraus resultiert, dass derzeit keine staatlich anerkannten Ausbildungsformen, sowie Curricula existieren.

Coaching ist damit aufgrund fehlender Ausbildungsstandards und Gütekriterien,einer bis dato nicht erfolgten Professionalisierung und fehlender Evaluationsprozesse eine schwer zu erfassende und bewertende Dienstleistung.

Jeder und jede kann sich aufgrund der fehlenden Kriterien heutzutage als Coach bezeichnen.

Dies spiegelt sich in dem mannigfaltigen Coachingfort- und Weiterbildungsangeboten wieder

Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass unterschiedliche Coachingformate, von Lifecoaching bis hin zum Businesscoaching wie auch personen- oder auch gruppen- und teamzentriertes Coachings angeboten werden.

Letztlich gilt festzuhalten, dass es sich dabei um einen dynamischen Prozess handelt, der eine konkrete Auftrags- und Zielklärung beinhaltet. Doch in allen oben aufgeführten Setting sollen professionelles Handeln eine grundlegende Rolle spielen.

Der deutsche Verband für Coaching und Training (dvct) definiert Coaching folgendermaßen:

Professionelles Coaching setzt ganz auf die Entwicklung individueller Lösungskompetenz bei der Klientel. Die Klientel bestimmt das Ziel des Coachings.

und weiter:

„Der Coach verantwortet den Prozess, bei dem die Klientel neue Erkenntnisse gewinnt und Handlungsalternativen entwickelt. Dabei wird der Klientel die Wechselwirkung ihres Handelns in und mit ihrem Umfeld deutlich.
Coaching ist als strukturierter Dialog zeitlich begrenzt und auf die Ziele und Bedürfnisse der Klientel zugeschnitten. Der Erfolg von Coaching ist messbar und überprüfbar, da zu Beginn des Prozesses gemeinsam die Kriterien der Zielerreichung festgelegt werden.“ (deutscher Verband für Coaching und Training, Stand: 25.03.2021)

In der begrifflichen Darlegung des dvct`s sind bereits wesentliche Faktoren von Coaching enthalten.

Es lassen sich daraus ableiten, dass das Anliegen und die dahinterliegenden Bedürfnisse der Klientel handlungsleitend für den Coachingprozess sind und der Coach lediglich Prozessleitend ist.

Die Aufgabe des Coachs liegt darin seinen Klienten in der Entwicklung einer individuellen Lösungskompetenz durch Perspektivwechsel und Horizonterweiterung zu unterstützen.

Darüber hinaus ist ein Coachingprozess zeitlich, auf eine Anzahl von Sitzungen, begrenzt.

Eine Abgrenzung zur Beratung sowie psychotherapeutischen Behandlung wird in der vorgelegten Definition nicht vorgenommen.

Der Coach fungiert in diesem Setting lediglich als Geburtshelfer und steuert das Prozessgeschehen durch geeignete Fragetechniken und Methoden.

Darüber hinaus soll ein gelingendes Coaching den Coache dazu befähigen mit den erlernten Kompetenzen auch in Zukunft eigenständige Lösungen zu generieren und somit eigenständig Handlungssicherheit in Problemlagen zu entwickeln.

Basierend auf diesem Verständnis kann als Ziel von Coachingprozessen Hilfe zur Selbsthilfe benannt werden.

Der Erfolg eines Coachings ist anhand der Auftragsklärung und Zielvereinbarung messbar.

Darüber hinaus werden die Frage der Selbstreflexion sowie das Thema der Veränderung in der oben aufgeführten Definition nicht aufgegriffen.

Coaching hat u.a. als Ziel eine bewusste Selbstveränderung oder Selbstentwicklung zu initiieren, die mit einer Selbstreflexion einhergeht.

Laut Greif ist die Selbstreflexion die „hohe Schule beim Coaching“ die nicht in allen Prozessen erreicht werden kann. Coaching kann durchaus auch beratende Elemente enthalten, jedoch sollten diese durch den Coach kenntlich gemacht werden.

Coaching beinhaltet nicht nur Einzelberatung, sondern kann sich auf Gruppen und Teams beziehen. Greif bezeichnet Coaching als einen intensiven und systematischen Prozess, der klare Strukturen aufweist.

Es dient der „systematischen Förderung ergebnisorientierter Problem- und Selbstreflexion. Ausgenommen von Coaching ist die Beratung und Psychotherapie psychischer Störungen (vgl. Greif 2015, S.56 ff).


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