Ressourcenorientiertes Arbeiten in der Schule

Abschlussarbeit von Patric Ott, als PDF lesen


Einleitung

Die Schule als Ort der puren Vermittlung von Wissen entwickelt sich zunehmend zu einem Ort, an dem die Schüler zwar immer noch im klassischen Sinne Wissen vermittelt bekommen, aber darüber hinaus auch „Persönlichkeiten und Begabungen entwickelt werden“ (vgl. Zekl 2014).

In meiner Funktion als Schulsozialarbeiter wurde mir diese Entwicklung täglich vor Augen geführt.

Neben dem Erlernen von Fachwissen geht es zunehmend darum, den Schülern zu helfen, ihre persönlichen Kompetenzen kennen zulernen und weiter zu entwickeln.#

Es geht im Schulalltag verstärkt darum, den Schülern Eigenverantwortung nahezubringen und sie für ihr Handeln zu sensibilisieren.

Auch die Arbeit mit den Eltern und Familien der Schüler nimmt einen immer größeren Stellenwert ein. Die Schüler haben individuelle Probleme, die auch oftmals in Verbindung mit deren sozialem Umfeld stehen.

Diese können zu Lernschwierigkeiten und nicht zuletzt auch zu Schulverweigerung führen.

Die Schule übernimmt zunehmend, neben der Aufgabe der Wissensvermittlung, auch die Aufgabe der Erziehung der Schüler.

Wie können Schüler mit Konfliktsituationen umgehen?

Wie erlernen sie es, gemeinsam zu kooperieren?

Wie gelingts, Eltern in den Prozess einer Lösungsfindung für ihr Kind gezielt mit einzubeziehen?

All dieses sind Fragen, mit denen die Schule täglich in Berührung kommt. Der Ansatz der lösungsorientierten Kurztherapie, wie er unter anderem von Peter de Jong und Insoo Kim Berg im Buch „Lösungen (er-) finden“ beschrieben wird, bietet hier für die Schule eine gute Basis, um mit Schülern und deren sozialen Umfeld gezielt umzugehen.

Das Anliegen dieser Facharbeit ist es aufzuzeigen, wie Ansätze des Systemischen Coaching in den Umgang mit Schülern und deren Eltern und Familien einfließen können und eine lösungs- und ressourcenorientierte Kooperation zwischen ihnen und der Schule entstehen kann.

An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in dieser Facharbeit versucht wurde, möglichst die neutrale Person zu nutzen und nur lediglich aus dem Grund die weibliche Form ausgelassen wurde, um das Inhaltliche so einfach wie möglich beim Lesen verdeutlichen zu können.

Der Pädagoge als Coach der Schüler als Coachee

Schule ist von ihrem Grundverständnis her kein idealer Ort um Schülern die Möglichkeit zu geben, sich frei zu entfalten und ihre Grundbedürfnisse, wie sie nach Prof. Dr. Klaus Grawe benannt sind, zu befriedigen (vgl. Grawe 1998).

Er nennt unter anderem das Bedürfnis nach Kontrolle/Selbstbestimmung als eines der Grundbedürfnisse des Menschen.

Dieses Grundbedürfnis ist für Schüler in der Schule, wie sie im klassischen Sinne gelebt wird, kaum zu erlangen. Dissoziales Verhalten kann eine Reaktion sein und ein mangelndes Bedürfnis zum Ausdruck bringen. (vgl. ebd. 1998).

Nehmen wir an, ein Schüler nutzt jede Möglichkeit, den Erfolg von anderen schlecht zu machen. Oder aber der kleinste eigene Erfolg wird auffallend deutlich allen kommuniziert, ob sie nun Interesse daran zeigen oder nicht.

Hier lässt sich laut Prof. Dr. Grawe auch ein fehlendes Grundbedürfnis ableiten. Nämlich das Bedürfnis nach Erfolg.

Wenn der Mensch keinen Erfolg hat, dann fehlt ihm etwas.

Im Kontext Schule kann es passieren, dass Schüler dann ihre Erfolgslosigkeit mit dem dissozialen Verhalten des Niedermachens anderer zu überspielen versuchen.

Die Bedürfnisse nach Bindung und Zugehörigkeit, Lust und Unlustvermeidung sowie Selbstwerterhöhung und Schutz komplementieren die von Prof. Dr. Klaus Grawe genannten Grundbedürfnisse.

Die Institution Schule hat ein Bildungs- sowie einen Erziehungsauftrag. Durch die vorgegebenen Lehrpläne und Lerninhalte, die im Unterricht durch die Lehrer vermittelt werden müssen, überwiegt hier allerdings der klassische Bildungsauftrag (vgl. Just 2017).

Somit spielt es in der Schule von vorneherein eine große Rolle, die vermittelten Lerninhalte durch u.a. positives Abschneiden bei Lernstanderhebungen in Erfolg umzuwandeln.

Das Bedürfnis nach Kontrolle und Selbstbestimmung ist für Schüler im Schulalltag besonders schwer zu erlangen.

Durch die Vorgaben des Lehrplans bleibt wenig Spielraum um dem Einzelnen eine Mitbestimmung zu ermöglichen. Durch freie Arbeitsphasen beispielsweise oder auch Projektwochen, in denen die Schüler die Möglichkeit haben, sich selbst auszusuchen, an welchem Thema sie arbeiten möchten, hat sich in der Vergangenheit bereits einiges verändert.

Die Erkenntnis, dass Wissen erst dann als gesichert betrachten werden kann, wenn es zu Verknüpfungen mit schon bestehendem Wissen führt, also so eine Sinnhaftigkeit des Erlernten zu erkennen ist, hat hier zu einem Umdenken geführt.

Die Lehrer sind nicht mehr die „allwissende(n) […] im Klassenzimmer […], sondern werden zu Gestaltern und Gestalterinnen“, die ihre Schüler dazu anregen, selbst zu bestimmen, an welchem Thema sie arbeiten möchten (vgl. Zekl 2014).

Somit wird die Lehrkraft zu einem Teil zum Coach und der Schüler dadurch zum Coachee
(vgl.ebd.)

Der Lerninhalt wird nicht mehr rein nach Lehrplan vermittelt, sondern konzentriert sich auch auf die Ressourcen des einzelnen Schülers.

Hier sind deutliche Parallelen zu einem klassischen Coaching-Gespräch zu erkennen. So wie der Coach versucht die Ressourcen und Fähigkeiten seines Coachee zu erkennen und ihm zu verdeutlichen verhält sich auch der Lehrer gegenüber seinem Schüler.

Es soll nicht das Nichtwissen im Vordergrund stehen, sondern das bereits vorhandene Wissen dazu genutzt werden, neues Wissen damit zu verknüpfen.

Begriffsdefinition Coaching

Um näher zu erkennen, was die oben erwähnte Erkenntnis und deren Umsetzung für die Funktion des Lehrers bedeutet, gilt es an dieser Stelle den Begriff Coaching in seinem Ursprung zu erkennen.

Wir gebrauchen den Begriff Coaching heute wenn es darum geht auszudrücken, dass eine Person eine andere Person bei etwas für sie alleine schwer lösbarem unterstützt/begleitet (vgl. Zekl 2014).

Der Ursprung des Wortes stammt allerdings aus dem Gebiet des Sport. Ein Coach, ein Trainer, bringt dem Sportler etwas bei. Er kennt die theoretischen Kenntnisse und leitet den Sportler dazu an, diese in die Praxis umzusetzen.

Auch der Lehrer ist also ein Coach für seinen Schülern. Er bringt ihm das theoretische Wissen bei.

Allerdings wird daraus noch nicht automatisch ein Coaching-Prozess. Hierzu gehört eben auch, dass der Schüler die Fähigkeit erlangt, das theoretische Wissen praktisch anwenden zu können. Erfolg zur praktischen Umsetzung kann dann erwartet werden, wenn folgende drei Voraussetzungen gegeben sind.

    1. Die „Einschätzung der eigenen Kompetenzen“
    2. Die „zeitliche und räumliche Erreichbarkeit des Zieles
    3. Der „Aufwand den die Person betreiben muss, um das Ziel zu erreichen“ (vg. Zekl 2014)

Das bedeutet, wenn sich der Schüler seiner Kompetenzen die er besitzt bewusst ist, ein Ziel erreichbar scheint und der Aufwand sich in Ertrag verwandeln lässt, kann man davon ausgehen, dass Erfolg erlangt wird.

Im Coaching-Prozess können wir eben dieses auch erkennen.

Der Coach legt dem Coachee durch dessen eigenen Aussagen seine Kompetenzen vor Augen. Über beispielsweise Skalierungsfragen wird eine zeitliche und räumliche Erreichbarkeit geschaffen.

Der Aufwand kann durch eine Wunderfrage die Form der Gestaltung annehmen, die dem Coachee den lohnenden Ertrag verdeutlicht.

Wie im Sport geht es auch in der Schule um das Erreichen von Vorgaben. Im Sport spiegelt der Pokal, die Medaille, die Vorgabe wieder. Um den Pokal zu erlangen, muss man am Ende das Spiel gewonnen haben.

In der Schule ist der zu erreichende Notenspiegel die Medaille, die dazu führt, in das nächste Schuljahr oder auf die gewünschte Weiterführende Schulform wechseln zu können.

Um den Schüler oder eben den Coachee als Lehrer und Coach bestmöglich bei seinen Zielen zu unterstützen, geht es darum ihm seine Ressourcen aufzuzeigen und „die Verbesserung der Selbstmanagementfähigkeiten des Gecoachten“ zu erreichen (vgl. Zekl 2014).

Anwendbare Coaching-Tools im Umgang mit Schülern

Viele der Tools und Gesprächsansätze, wie sie uns von Experten im lösungsorientierten Coaching-Prozess nahegebracht werden, lassen sich in der Schule ebenfalls gut anwenden.

Wie bereits in den vorherigen Punkten deutlich ausgeführt wurde, gibt es Parallelen zwischen der Bindung eines Lehrers/Pädagogen zu seinen Schülern und einem Coach zu seinem Coachee.

Somit liegt es auch nahe, dass einige der im Coaching-Prozess angewendeten Coaching-Tools durchaus Anwendung im Umgang des Lehrers/Pädagogen mit seinen Schülern finden.

Paraphrasieren

Wenn in der Schule mit Schüler gesprochen wird ist das Paraphrasieren lassen ein wichtiger Garant dafür, sicher zu stellen, dass der Schüler das Gesagte auch verinnerlicht hat.

Umgekehrt gilt dasselbe. Auch das Gesagte des Schülers sollte vom Lehrer/Pädagogen paraphrasiert werden, damit auch der Schüler das Gefühl bekommt verstanden worden zu sein.

Unter einer Paraphrasierung versteht man die Wiederholung des Gesagten mit eigenen Worten.

und weiter:

„Man führt keine neue Information und/oder Wertung in die Situation ein, sondern versucht nur, den Inhalt der erhaltenen Botschaft mit eigenen Worten wiederzugeben.“(vgl. Patrzek 2015)

Durch das Wiederholen durch die/den Lehrkraft/Pädagogen wird auch eine „Haltung des Nicht-Wissens“ eingenommen, wie sie von Anderson und Goolishian 1992 hervorgehoben wird (vgl. de Jong/Berg 2014).

Das Paraphrasieren bietet eine Möglichkeit, die „Wirklichkeitskonstruktion“ des Schülers zu akzeptieren.

Die „Wirklichkeitskonstruktion“ eines jeden Einzelnen setzt sich aus dem zusammen, was seine subjektive Wahrnehmung in dem Moment zulässt zu erkennen.

Die eigene Realität ist für jeden Einzelnen ausschlaggebend für das eigenen Handeln. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich „von richtig und falsch auszugehen“ (vgl.Just 2017).

Den Schülern (dem Coachee) wird durch das Paraphrasieren das Gefühl gegeben, dass die Lehrer/Pädagogen (der Coach) sie „wirklich hören“ (vgl. de Jong/Berg 2014).

Auf diese Weise kann ein Vertrauensverhältnis zwischen Lehrern/ Pädagogen und den Schülern geschaffen werden, welches ein Fundament für eine zielführende Zusammenarbeit bieten kann.

Komplementieren

Ein weiteres nützliches Tool im Umgang mit Schülern ist das „Komplimentieren“.

Jede Person besitzt Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ihr in bestimmten Situationen hilfreich sein können. Das können Eigenschaften wie Humor, Hilfsbereitschaft und auch Robustheit sein
(vgl. de Jong/Berg 2014).

Schüler wiederholen und festigen das Verhalten, für das sie Lob erfahren haben.

Dieses Lob oder Kompliment hilft dem Schüler, sein positives Verhalten zu sehen. Dieses kann dazu führen, dass dieses Verhalten in den Vordergrund gestellt wird, um weiter dafür gelobt zu werden.

Hier kann der Lehrer/Pädagoge durch positive Verstärkung den Schüler dazu ermutigen, sein positives Verhalten zu manifestieren.


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