Resilienz im Hinblick auf Krisen und Stress

sowie die Bedeutung von Ressourcen für die
Belastungsbewältigung

Abschlussarbeit von Carola Grießhaber, als PDF lesen


Einleitung

Wenn die Arbeit krank macht“, schreibt der Tagesspiegel in seiner Ausgabe im Jahr 2019 (Petter & Schumann).

Doch nicht die Arbeit macht krank, sondern die Bedingungen, die dazu führen, dass die eigentliche Arbeitsaufgabe zur Belastung wird.

Der Arbeits-, Zeit- und Leistungsdruck nimmt durch den wirtschaftlichen Wandel mit seinen veränderten Arbeitsanforderungen und Umstrukturierungen in Firmen zu (Kratzer & Dunkel, 2011).

Dies spiegelt auch der Fehlzeitenreport der DAK im Jahr 2019 wider, in dem psychische Erkrankungen mit 17.1% an zweiter Stelle für Fehltage wegen Arbeitsunfähigkeit nach dem Muskel-Skelett-System mit 21.2% genannt werden (DAK-Gesundheitsreport, 2020).

Der kontinuierliche Anstieg psychischer Erkrankungen stellt laut WHO eines der größten Gesundheitsrisiken des 21. Jahrhunderts dar, die häufige Ursache oder Mitauslöser von Fehlzeiten ist (Poulsen, 2012).

Damit zeichnet sich zwischen Gesundheit und Arbeit ein Konflikt ab denn die vorhandenen Ressourcen für die individuelle Bewältigung sind durch die zunehmenden Anforderungen begrenzt (Kratzer & Dunkel, 2011).

Die Folge ist eine psychologische Fehlbelastung, sofern zur Belastungsbewältigung nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen (Rudow, 2011). Allerdings weist sich Stress nicht immer gleich auf Mitarbeiter aus.

Entscheidend ist die Art der Bewältigung, das sogenannte Coping (Allenspach & Brechbühler, 2005).

Vor diesem Hintergrund nahm die Bedeutung der Resilienzforschung in den letzten Jahren zu. Diejenigen, die in den verschiedenen Situationen auf unterschiedliche Bewältigungsstrategien im Umgang mit Stress zurückgreifen können, verfügen über bestimmte psychologische Faktoren, die sie dabei unterstützen, Belastungen zu bewältigen (Scharnhorst, 2008).

Andere hingegen können in eine Depression oder einen Burnout fallen.

Die vorliegende Arbeit beleuchtet unter den o.g. Gesichtspunkten, dass Coaching bei der zunehmenden Belastung vorbeugend unterstützen kann, sucht sich das Individuum rechtzeitig Hilfe.

Theorie und Forschungsstand

In den nachstehenden Kapiteln werden der theoretische Hintergrund und aktuelle Forschungen beschrieben, welche einen Überblick über die behandelnde Thematik verschaffen sollen. Im ersten Teil der Arbeit werden die Grundlagen von gesundheitlichen Risiken angeführt sowie die Begriffe Krise, Stress und Burnout vorgestellt.

Es wird aufgezeigt, welche Belastungen Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Arbeitsfähigkeit von Menschen haben.

Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit dem Thema Resilienz. Der dritte Teil illustriert die Bedeutung von Ressourcen wie Coping, Selbstwirksamkeit und Salutogenese. Resultierend endet die Arbeit mit der Beleuchtung des Thema Coachings als präventive Maßnahme zur Erhaltung der psychischen Gesundheit.

Gesundheitliche Risiken auf psychischer Ebene

In diesem Kapitel wird Bezug zu psychischen Belastungen genommen.

Die Arbeitssituation nimmt zwar einen großen Stellenwert bei der psychischen Belastung von Mitarbeiter ein, allerdings gibt es auch weitere Themen, die zu einer psychischen Belastung beitragen können.

Hierzu wird im ersten Schritt auf die Definition von Krisen eingegangen, bevor der Fokus auf typische Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz und die daraus resultierenden Belastungsfolgen, wie z.B. Burnout gelegt wird.

Definition und Arten von Krisen

Der Begriff „Krise“ leitet sich von dem griechischen Wort „Krisis“ ab, das für ein bedeutendes Ereignis steht, welches den Verlauf von Entwicklungen, Krankheiten oder Ähnlichem entscheidend beeinflusst (Hehlmann, 1974, zit. nach Hofer, 2016).

Der Begriff „Krise“ spiegelt eine Situation wider, welche von einem Individuum subjektiv als große Belastung empfunden wird und mit starken Emotionen einhergeht
(Hofer, 2016).

Ein „kritisches Lebensereignis“ stellt oft den Anlass einer Krise dar, sodass beide Begriffe häufig synonym verwendet werden.

Auch wenn es viele unterschiedliche Arten von Krisen gibt, so gibt es bestimmte Charakteristika, welche sie verbinden.

Bisher angewandte Bewältigungsstrategien scheinen angesichts kritischer Lebensereignisse nicht mehr effektiv zu sein und bestehende Überzeugungen oder kognitive Schemata müssen zum Teil revidiert werden. Resultat davon können Gefühle von Orientierungslosigkeit, Angst und Kontrollverlust hervorrufen (Yerushalmi, 2007).

Eine Krise muss nicht zwangsläufig durch äußere Umstände erfolgen, sondern kann auch intrapsychisch verortet sein, d.h. wenn zu lange an für wahr gehaltene Grundüberzeugungen festgehalten wurde (Filipp & Aymanns, 2010).

Krisen können auf emotionaler, kognitiver und physiologischer Ebene stark beeinträchtigend wirken und gleichzeitig eine Weiterentwicklung des Individuums und dessen Kompetenzen fördern (Hofer, 2016).

Laut Filipp und Ferring (2002) zählen zu den wichtigsten Merkmalen von Krisen deutliche Veränderungen im Leben des Individuums und im Individuum selbst, die Beeinflussung vieler Lebensbereiche und die emotionale Belastung durch das kritische Ereignis.

Eine Krise wirkt umso stärker, hat das Individuum das Gefühl es hat keine Kontrolle über die Situation

z.B. eine Krebserkrankung in jungem Alter. Darüber hinaus wird eine aktuelle Situation als sehr kritisch betrachtet, sollte sie mit nicht bewältigten Ereignissen aus der Vergangenheit korrelieren.

Die Literatur unterscheidet oft zwischen Krisen in Folge „normativer“ und Krisen in Folge „non-normativer“ Ereignisse.

So beschreibt Filipp (1995) Ereignisse als normativ, wenn diese als berechenbar und typisch für die jeweilige Lebensphase angesehen werden können, z.B. eine Einschulung. Hierbei kann das Individuum sich bereits im Vorfeld bewusst mit der Thematik auseinandersetzen und trifft auf Gleichgesinnte, die in derselben Situation sind aufgrund des Alters.

Non-normative Ereignisse ereignen sich jedoch unvorhersehbar und überraschend und treten im Gegensatz zu normativen Ereignissen unabhängig vom Alter des Betroffenen ein.

Allerdings weisen non-normative Ereignisse im Vergleich zu normativen Ereignissen eine niedrigere Eintrittswahrscheinlichkeit auf
(Filipp & Ferring, 2002).

Arbeitsbedingter Stress

Da der Mensch die meiste Zeit auf der Arbeit verbringt, hat das Erleben von Arbeitstätigkeiten weitreichende Wirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden. Covid-19 hat die Arbeitsbedingungen teilweise noch verschärft, da viele Mitarbeiter keine Trennung mehr haben zwischen Büro und Wohnung (Vershbow, 2021).

Vor diesem Hintergrund hat die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) bereits im Jahr 2010 in einer Unternehmensumfrage herausgefunden, dass arbeitsbedingter Stress zu den wichtigsten Themen innerhalb des Unternehmens gehört (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, 2010).

Dieser wird definiert als: „emotionale und psychophysiologische Reaktion auf ungünstige und schädliche Aspekte der Arbeit, des Arbeitsumfeldes und der Arbeitsorganisation.“

Stress ist ein Zustand, der durch hohe Aktivierungs- und Belastungsniveaus gekennzeichnet ist und oft mit dem Gefühl verbunden ist, man könne die Situation nicht bewältigen.
(Europäische Kommission Generaldirektion V, 1997a).

Richter und Hacker (1998) unterscheiden eine Vielzahl potentiell Stress auslösender Faktoren am Arbeitsplatz.

Mögliche belastende Faktoren können aus der Arbeitsaufgabe (Zeit- und Termindruck, Informationsüberflutung), der Arbeitsrolle (Verantwortung, fehlende Unterstützung), der materiellen Umgebung (Lärm, Klima, Beleuchtung), der sozialen Umgebung (Betriebsklima, strukturelle Veränderungen), dem „behavior setting“ (Isolation) und dem Person-System (Angst vor Aufgaben, fehlende Eignung) entstehen (Richter & Hacker, 1998).

Laut Lohmann-Haislah (2012) werden Arbeitsunterbrechungen, schnelles Arbeitstempo und gleichzeitige Betreuung verschiedenartiger Arbeiten von den Erwerbstätigen in Deutschland ebenso als häufigste belastende Anforderung angegeben.

Fehlende Ressourcen können zusätzlich zu den arbeitsbedingten Belastungsfaktoren maßgeblich für das Eintreten eines Gesundheitsrisikos sein.  Hierbei sind die Dauer, die Intensität, die Art der Ausprägung der psychischen Anforderungen sowie das Zusammenspiel mit anderen Belastungsfaktoren ausschlaggebend für die Entstehung psychischer Beanspruchungen (Morschhäuser, Beck & Lohmann-Haislah, 2014).

So können Handlungsspielraum (Arbeitsplanung und -einteilung, eigenständige Pausenregelung) und soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte (gute Zusammenarbeit, Gemeinschaftsgefühl) als Ressource positive Wirkungen auf die Förderung der Gesundheit haben.

Belastungs-Beanspruchungs-Konzept

Es gibt verschiedene theoretische Modelle, die die Zusammenhänge zwischen Arbeitsbelastung und Gesundheit erläutern (Faltermaier, 2005).

Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept von Rohmert und Rutenfranz (1975) ist hierbei das bekannteste. Erläutert wird, dass es

zur psychischen Beanspruchung als Folge psychischer Belastung kommt.

Während psychische Belastungen in der Arbeitswelt sich nur auf spezifische Tätigkeitsmerkmale im Arbeitsalltag beziehen, haben psychische Beanspruchungen eine Wirkung auf die Person.

Dieselben beruflichen Belastungen können zu unterschiedlichen Beanspruchungen führen und hierbei entweder gesundheitsbeeinträchtigend oder gesundheitsförderlich sein (Poppelreuter & Mierke, 2012).

Es hängt von der individuellen Reaktion einer Person und der Stärke und Dauer der einwirkenden psychisch belastenden Einflüsse ab, ob eine Arbeitstätigkeit als beanspruchend wahrgenommen wird (Morschhäuser et al., 2014).

Beanspruchungen bei der Arbeit werden in kurzfristige, aktuelle und langfristige, chronische Reaktionen klassifiziert, die sowohl physisch, psychisch als auch verhaltensbezogen auftreten können (Ulich & Wülser, 2010).

Kurzfristige Auswirkungen entstehen im Laufe des Arbeitsalltags und zeigen eine physiologische Aktivität, z.B. eine Erhöhung der Herzfrequenz (Rudow, 2011).

Negative emotionale Reaktionen auf Seiten der psychologischen Beanspruchung können u.a. die psychische Ermüdung, ermüdungsähnliche Zustände (Monotonie und psychologische Sättigung) und Stress sein. Hierbei weist die psychische Ermüdung eine mangelnde Leistungsfähigkeit infolge dauerhafter Überforderung auf.


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