Positive Psychologie

Grundlegendes und Auswahl an Methoden

Abschlussarbeit von Uschi Schräer-Drewer, als PDF lesen


Glück in der Arbeit

Wann sind Menschen glücklich mit ihrer Arbeit? Wann geht es ihnen wirklich gut mit ihrer Arbeit?

Ricarda Rehwald beschreibt in ihrem Buch „Glück in Unternehmen1 3 Bedingungen für Glück:

    1. Sinnempfinden
      Arbeit nimmt für viele Menschen einen wichtigen Stellenwert im Leben ein, da sie dort erfahren, dass sie etwas Sinnvolles für das Unternehmen und damit für die Gesellschaft leisten.
      Sie erleben sich als zugehörig und erfahren, dass sie mit ihrer Arbeit als Teil eines großen Ganzen wertvoll sind für die Erreichung eines Zieles.
      Bewusst erlebbar wird dies in der Kommunikation über das Ziel und seine
      Bedeutung.
      Dies impliziert die Einbettung der konkreten Aufgabe in den Gesamtzusammenhang sowie
      die Übereinstimmung der Werte der Mitarbeitenden mit denen des Unternehmens.

    2. Selbstverwirklichung
      Jeder Mensch strebt nach Selbstverwirklichung.
      Dort, wo Menschen sich mit ihren individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen einbringen und entfalten können, wo sie ihre Ideen und sich selbst verwirklichen können, entwickeln sie sich weiter und sind glücklich.
      Die Wahrscheinlichkeit von Erfolgserlebnissen erhöht sich massiv, was der dynamischen Entwicklung des Unternehmens zugutekommt

    3. Gemeinschaft
      Der Wunsch nach Zugehörigkeit gehört ebenfalls zu den fundamentalen Bedürfnissen unseres Menschseins.
      Zugehörigkeit gibt Sicherheit, einzelne fühlen sich stärker. „Das Gefühl, ein fester Bestandteil einer Gemeinschaft zu sein und als Mitglied der Gemeinschaft Bedeutung zu haben, ist für organisationales Glücksempfinden daher unbedingt erforderlich2

Sinnempfinden, Selbstverwirklichung und Gemeinschaft steigern das Glücksempfinden bei der Arbeit und bewirken:

• Erhöhte Identifikation mit dem Unternehmen und der Aufgabe

• intrinsische Motivation

• Eigeninitiative, Kreativität für neue Ideen und Innovationen

• Leistungsfähigkeit

• positive Stimmung

• Weiterentwicklung von Kompetenzen

• Gesunderhaltung

Im Coaching werden Menschen begleitet, ihren eigenen Weg zu gestalten.

Der Anlass sind Themen und Situationen, für die Cochees eine Lösung suchen. Dabei gehen wir im systemischen Coaching davon aus, dass die Lösung immer im System steckt.

Der Coachingprozess bietet Assistenz, die eigene Lösung zu finden, vergleichbar mit der Aufgabe einer Hebamme bei der Geburt.

Unter Berücksichtigung positiver Psychologie wird darüber hinaus die Bedeutung des entwickelten Wissens um die Stärken, Werte und den Lebenssinn über das konkrete Thema hinaus herausgestellt.

Es geht um das Bewusstsein für den eigenen Lebenssinn, das eigene Lebensziel. Es geht darum, wie die persönlichen Stärken und Werte für dieses Ziel auch in Zukunft genutzt werden können.

So wird aus einem Lösungsfindungsprozess ein Wachstumsprozess.3

Daraus ergibt sich, dass in jeder Phase des Coachingprozesses persönliche Stärken herausgearbeitet sowie für den Prozess und die Weiterentwicklung nutzbar gemacht werden.

Die Brücke zu positiven Emotionen findet dabei besondere Bedeutung, da diese

eine der wichtigsten Grundlagen für menschliche Entwicklungsprozesse darstellt4.

Das Erleben positiver Emotionen wird aktiv gefördert.

„Die Broaden-and-Build-Theorie“ hat gezeigt, dass Menschen in einem glücklichen Zustand in größeren Zusammenhängen denken, bereit sind, ungewöhnliche und neue Wege zu gehen, und sich eher auf Veränderungen einlassen5.

Positive Emotionen unterstützen nachhaltige Verhaltensänderungen.

Dies gilt es sowohl bei der Zielerarbeitung zu berücksichtigen als auch für den konkreten Prozess zu nutzen.

Positive Emotionen für den Prozess aktivieren

Auf unterschiedliche Weise kann der Coach positive Emotionen evoziieren.

• Einladendes Raumangebot,

• Aufbau einer wertschätzenden, respektvollen Arbeitsbeziehung

• Spiegeln persönlicher Werte, Stärken und Ressourcen

• Humorvolle Äußerungen, paradoxe Intervention

• Einladen, Vergangenem eine positive Bedeutung für persönliche Entwicklung zu entnehmen

• Wertschätzendes Feedback

Mit Everestzielen dem Sinn näher kommen

Die Sehnsucht nach dem Ziel motiviert, auch lange und anstrengende Wege zu gehen.

Das Erleben des Gipfels ist im Vorfeld nicht greifbar, kaum vorstellbar.

Die Ahnung, dass es etwas Besonderes, etwas Erstrebenswertes ist, motiviert, sich Schritt für Schritt dem Ziel zu nähern. Im positive Coaching wird das aktuelle Anliegen der Coachees als ein Meilenstein in einen größeren Kontext gestellt.

Das Ziel des Anliegens ist eingebettet in einen größeren Lebenssinn. Es geht darum, sich einer Vision bewusst zu werden, die über das bisher formulierte hinausgeht und das aktuelle Anliegen trägt.

Auf diese Weise dient es als Inspirations- und Kraftquelle. Gleichzeitig ist die Orientierung am Lebenssinn eine Quelle von Resilienz und persönlichen Wachstum.

Die Erarbeitung eines Everest-Zieles auf der Grundlage eines aktuellen Zieles im Coaching ist ein dreischrittiger Prozess6

Erarbeitung des aktuellen Ziels

Durch lösungsorientierte Fragen wird ein positiv formuliertes Ziel erarbeitet, das dem Anliegen gerecht wird und für den Coachee attraktiv ist.

Fragen zur Erarbeitung des Ziels können sein:

• Welches Ziel möchten Sie erreichen?

• Wie würden Sie die Situation beschreiben, wenn Sie das Ziel erreicht hätten?

• Woran würden andere erkennen, dass Sie das Ziel erreicht haben?

Perspektiverweiterung

Das aktuelle Ziel wird eingebettet in ein größeres Ganzes.

Es ist ein Etappenziel auf dem Weg zu einem weitreichendem, erstrebenswertem Ziel.

Es hat eine besondere Bedeutung mit einer großen Wirkung.

Folgende Fragen können dabei hilfreich sein:

• Stellen Sie sich vor, dieses Ziel ist der erste Schritt auf Ihrem Weg zu etwas größerem, zu etwas erstrebenswerten, einer Vision auf einer Skala von 1 bis 100, was ist dann der 100. Schritt?

• Stellen Sie sich vor, es gibt eine Bilddokumentation über Ihre Vision. Das aktuelle Ziel ist auf einem Foto der zweiten Seite zu sehen. Es ist das erste Erfolgserlebnis auf einem längeren Weg. Welches Bild würden Sie am Ende der Präsentation sehen?

• Stellen Sie sich vor, dieses Bild beschreibt ein besonderes Etappenziel in einem noch größeren Kontext. Es motiviert Sie, auf ein noch größeres Ziel hinzuarbeiten. Eine 2. Bildpräsentation entsteht. Eine Fortsetzung mit einem herausragenden Ziel, das Sie bisher für kaum erreichbar hielten. Was ist auf dem Bild zu sehen?

Überprüfung

Echte Everest-Ziele erfüllen 5 Kriterien:

• Sie gehen über die bisherigen Überlegungen und Perspektiven deutlich hinaus und wirken inspirierend (positive Abweichung).

• Sie haben einen Eigenwert in sich

• Der Coachee verwirklicht sich mit seinen eigenen Potenzialen und Stärken bei der Umsetzung des Ziels (Potenzialverwirklichung)

• Das Ziel ist so erstrebenswert, dass es motiviert und Energien freisetzt (Energetisierung)

• Das Ziel ist ein Beitrag für etwas Größeres

Mit folgenden Fragen können die Kriterien überprüft werden:

• Wenn Sie sich das Ziel genauer anschauen, wer profitiert davon? Was wird für Sie und andere dadurch besser?

• Auf welche Art und Weise ist dieses Ziel für Sie und andere wertvoll?

• Welche Ihrer Potenziale und Stärken können Sie einsetzen, damit das Ziel erreicht wird?

• Welche Wirkung hat dieses Ziel auf Sie? Welches Gefühl löst es aus?

• Auf einer Skala von 1 – 10: wie groß ist Ihre Motivation, sich für das Ziel zu engagieren?

• Auf welche Weise ist dieses Ziel auch ein Gewinn für andere?

Everestziele können den weiteren Coachingprozess begleiten. Sie dienen der Orientierung und als Wegweiser bei der Entwicklung weiterer Ziele und Lösungsansätze.


als PDF weiterlesen


Quellen bis hierher

1 Rehwald,R., Glück in Unternehmen, Springer Fachmedien GmbH, Wiesbaden, 2019
2 ebd. S. 11
3 Mangelsdorf, J., Positive Psychologie im Coaching, Springer Fachmedien GmbH, Wiesbaden, 2020, S. 7
4 ebd.
5 ebd. Quellenangabe: Frederickson 2004
6 Mangelsdorf, J., Positive Psychologie im Coaching, Springer Fachmedien GmbH, Wiesbaden, 2020, ebd. S. 21