Lern- und motivationspsychologische Ansätze

als Basis für effizientes Coaching

Abschlussarbeit von Julia Viviane Lippold, als PDF lesen


Du musst dein Ändern leben.

Persönlichkeit und Persönlichkeitsentwicklung

Schnitze das Leben aus dem Holz, das du hast. (Leo Tolstoi)

Persönlichkeit. Die Neigung, wie man sich im Allgemeinen und in der Tendenz über verschiedene Situationen hinweg verhält, beschreiben wir als Persönlichkeit (Mayer, 2007). Es geht dabei um die Art und Weise, wie wir etwas tun. Überlegen wir lange, bevor wir eine Entscheidung treffen, oder handeln wir eher spontan? Haben wir Ängste vor den Konsequenzen unseres Handelns oder sind wir meist relativ optimistisch? Die Gesamtheit der Persönlichkeit setzt sich aus zahlreichen Persönlichkeitsmerkmalen, wie beispielsweise Intelligenz, Geselligkeit und Ängstlichkeit zusammen. Die Persönlichkeitspsychologie erhebt dabei den Anspruch, diese Persönlichkeitsmerkmale getrennt voneinander zu betrachten. Dennoch lassen sich korrelative Zusammenhänge zwischen einzelnen Persönlichkeitsmerkmalen finden. So wird eine sehr offene Person auch eher extravertiert als introvertiert sein.

Persönlichkeitsentwicklung. Obwohl Persönlichkeitsmerkmale eine relative zeitliche Stabilität aufweisen (Roberts & DelVecchio, 2000), ist der Mensch in der Lage sich mit seiner Persönlichkeit zu entwickeln. Diese Entwicklung beginnt in der Kindheit und setzt sich über die gesamte Lebensspanne fort (Roberts & Mroczek, 2008). Auslösend können hier sowohl Veränderungen in der individuellen Umwelt sein, als auch bewusste Anpassungen seitens der Person. Im Vordergrund steht bei Zweitem nicht, eine vollständig andere Persönlichkeit anzunehmen. Es geht vielmehr um das Auseinandersetzen mit den eigenen Stärken und Schwächen, Fähigkeiten und Grenzen, der Reflexion von Werten, kurz darum, die eigene bestehende Persönlichkeit kennenzulernen und sich in Richtung Authentizität weiterzuentwickeln. Eine introvertierte Person wird selten im Laufe des Lebens eine Rampensau. Im Vordergrund für ein ausgeglichenes, erfüllendes und selbstbestimmtes Leben steht, unsere tiefliegenden Bedürfnisse vor dem Hintergrund der Kernelemente unserer Persönlichkeit zu achten und im Einklang mit den Systemen unserer Umwelt zu begegnen.

Drei Säulen Modell der Persönlichkeitsentwicklung. Um sich auf den Weg der Persönlichkeitsentwicklung zu begeben, bedarf es der Reflexion der eigenen Person. Im Rahmen dieser ersten Säule, der Selbsterkenntnis, stellt sich die Frage nach den eigenen Stärken und Schwächen, die Teil der Persönlichkeit bilden. Wovor habe ich Angst, wann fühle ich mich unsicher, in welchen Situationen trete ich selbstsicher auf? Arbeit am eigenen Selbstbewusstsein stellt für weitere Entwicklungsschritte das Fundament dar und ermöglicht die weitere kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Person. Mit dieser Basis können die Bereiche aufgedeckt werden, in denen eine Entwicklung der Persönlichkeit wünschenswert ist. Die zweite Säule stellt die Selbstakzeptanz dar. Widerstand gegen die eigene Person hemmt den Prozess der Entwicklung. Eine gute Grundlage ist, die eigene Person auch mit ihren Schwächen wertzuschätzen und anzunehmen, so dass man das inne liegende Potential zum Vorschein bringen kann. Die dritte Säule bildet schließlich die eigentliche Selbstveränderung. Aufbauend auf der Exploration der eigenen Persönlichkeit und der Akzeptanz selbiger, sind nun die Schritte möglich, welche zur Entfaltung des eigenen Potentials beitragen. Dies kann sich auf verschiedene Aspekte, wie z.B. der Veränderung von Gewohnheiten oder dem Erlernen neuer Fähigkeiten beziehen. Doch wie lernen Menschen, was motiviert sie dabei und wie lässt sich dies in Handlungen überführen?

Lernen

Was Hänschen nicht lernt, lern Hans nimmermehr?

Nicht assoziatives Lernen. Beim nicht assoziativen Lernen verändert sich die Reaktionsstärke einer Person in Reaktion auf einen einzelnen Reiz in der Umwelt (Eisenstein & Eisenstein, 2006). Hierzu zählen die Habituation und die Sensitivierung. Die Habituation beschreibt eine anfänglich starke Reaktion auf einen salienten Reiz, wie z.B. ein lautes Geräusch oder ein grelles Licht. Da ein solcher Reiz bedrohlich oder in vergleichbarer Weise von Bedeutung sein kann, zieht er schnell unsere Aufmerksamkeit auf sich. Stellen wir dabei fest, dass der Reiz für uns irrelevant ist, so fallen die folgenden Reaktionen bei erneutem Auftreten des Reizes immer geringer aus. Wir habituieren,- d.h. wir gewöhnen uns an den Reiz. Habituation tritt dabei nicht nur bei negativ salienten Reizen auf; auch bei positiven Reizen nimmt die Reaktionsstärke zunehmend ab. Die Sensitivierung stellt das Gegenteil zur Habituation dar. Ein Reiz, der bisher nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stand, kann bei gehäuften Auftreten an Bedeutung zunehmen; wir werden sensitiver gegenüber einem Reiz. Evolutionsbiologisch ist Sensitivierung sinnvoll, um frühzeitiger mögliche Warnhinweise aber auch Chancen wahrzunehmen.

→ Beide Formen des nicht assoziativen Lernens stehen im engen Zusammenhang mit der Aufmerksamkeit einer Person. Coaching Interventionen können durch gezielte Aufmerksamkeitslenkung helfen, Reize oder ganze Situationen wieder bewusster wahrzunehmen oder aber die Salienz eines Reizes/ einer Situation zu reflektieren um die Realitätsorientierung zu stärken.

Assoziatives Lernen. In Abgrenzung zum nicht assoziativen Lernen, liegt dieser Form des Lernens das bewusste oder unbewusste Begreifen von zeitlichen und räumlichen Zusammenhängen (Assoziationen) mehrerer Umweltreize zugrunde (Mitchell, De Houwer & Lovibond, 2009). Hierzu gehören die klassische sowie die operante/ instrumentelle Konditionierung. Bei der klassischen Konditionierung wird eine natürliche Reaktion auf einen Reiz mit einem neuen, unbedeutenden Reiz gepaart/ assoziiert. Dieser neue Reiz kann infolge der Konditionierung dann die gleiche Reaktion hervorrufen wie der eigentliche auslösende Reiz. So zeigt Pawlows Hund Speichelfluss auf ein konditioniertes Glockengeräusch, obwohl diese Reaktion vorher nur als natürliche Reaktion auf Futtergabe eintrat. Grundlage für das Lernen des Hundes ist die zeitliche Assoziation zwischen Futtergabe und Glockengeräusch. Weitere Formen der klassischen Konditionierung stellen die Kontext- und die Pseudokonditionierung dar. Bei der Kontextkonditionierung kann eine ganze Umgebung oder eine Situation konditioniert werden. So kann es sein, dass wir uns in einer bestimmten Gegend ängstigen, obwohl keine aktuelle Bedrohung vorhanden ist. Bei der Pseudokonditionierung können affektiv-emotionale Zustände mit eigentlich bedeutungslosen Dingen assoziiert werden. Das kennen wir z.B., wenn wir einen starken Wirkzusammenhang zwischen einer Stimmung und einem Lied spüren.

→ Klassische Konditionierung beruht auf Wenn-Dann-Beziehungen und prägt einen großen Teil unseres Lebens. Wenn der Partner oder die Partnerin wieder so ein Gesicht macht, stellen wir uns bereits auf einen Konflikt ein. Viele dieser Assoziationen entstehen unbewusst und üben einen großen Einfluss auf unser Erleben und Handeln aus. Coaching kann helfen, zugrundeliegende Zusammenhänge aufzudecken, sie neu zu bewerten und neue konstruktive Verhaltensmuster durch Lernprozesse zu etablieren.

Bei der operanten Konditionierung ändern sich Verhaltensweisen durch Lernen der positiven oder negativen Konsequenzen auf selbige. Beginnend muss ein Verhalten spontan, z.B. dem Trial and Error Prinzip folgend, auftreten. Wenn wir ein neues technisches Gerät einschalten wollen, probieren wir dabei verschiedene Knöpfe aus (ausgenommen sind hier natürlich diejenigen Personen, die einfach die Bedingungsanleitung lesen). Führt die Betätigung eines Knopfes zum gewünschten Effekt, so wird dies als positiv empfunden. Diese positive Konsequenz erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir den gleichen Knopf erneut drücken, also die gleiche Reaktion zeigen, wenn wir das Gerät erneut einschalten wollen. Durch (Miss-) Erfolge lernen wir, und zeigen entsprechend vermehrtes Appetenzbzw. Aversionverhalten (Annäherungs- bzw. Vermeidungsverhalten) gegenüber Personen, Dingen und Situationen.

→ Die Grundprinzipien der operanten Konditionierung helfen zu verstehen, wie Gewohnheiten erlernt werden. Auf dieser Basis können Reflexionsprozesse angeregt werden, um destruktive Verhaltensmuster aufzubrechen und konstruktive Verhaltensmuster zu etablieren. Hier kann beispielsweise erfragt werden, ob die Verknüpfung einer erwarteten Konsequenz tatsächlich mit dem geplanten Verhalten übereinstimmt.

Voraussetzung für Lernen, insbesondere im Rahmen der operanten Konditionierung, stellt ein motivierendes Bedürfnis dar (Gopalan et al., 2017). Haben wir nicht das Bedürfnis, ein Gerät einzuschalten, so kann die Konsequenz auf unser Handeln keinen positiven Verstärkungswert haben. Entsprechend ist es wichtig, neben lernpsychologischen Grundlagen auch zu betrachten, was uns motiviert und wie wir Motivation nutzen können, um zielführende Schritte zu gehen. Dann kann auch Hans noch lernen, was Hänschen vielleicht versäumt hat.


als PDF weiterlesen