Gefangen im eigenen Denkrahmen

Der entstörte Mensch.

Wie wir uns und die Welt verändern.

Eine pragmatische Utopie von Petra Bock

Abschlussarbeit von Brigitte Schwermann, als PDF lesen


Nicht die Zeit ist aus den Fugen geraten, sondern unser Denken ist aus der Zeit gefallen.

Petra Bock

Einführung

Das Buch “Der entstörte Mensch” von Petra Bock stellt eine neue Perspektive auf unser Menschsein vor; eine positive Vision für die negativ aufgeladene Welt von heute.

Petra Bock beschäftigt sich wissenschaftlich und professionell mit den großen Umbrüchen des Menschen.

Dieses Buch bietet mittels gut verständlicher Ideen aus Coaching und Psychologie disruptive Perspektiven.

Es ruft zum mutigen Bruch mit alten Denkmustern auf hin zu einem Denken neuer Qualität.

In der gerade angebrochenen Epoche der Menschheit, dem Anthropozän, sollte Entfaltung statt des uralten Codes brutaler Überlebenslogik stehen.

Unsere Widerstände folgen einem Denkmuster und einer Logik, die in der letzten Epoche der Menschheits- und Erdgeschichte entstanden ist.

Der notwendige Wandel zum humanistic turn muss deshalb in unserem Inneren ansetzen und das Denken als ein lebendiges Netz verstehen, indem dem Denken ein neues Paradigma zugrunde gelegt wird, das sich vom alten Denken diametral unterscheidet.

Das alte Denken und seine Logik

Binäre Konzepte (nein-ja, gut-böse…) funktionieren bald nicht mehr; weil sie rein an Konkurrenz und Überleben orientiert und somit kein passender Wegweiser für unsere neue Menschlichkeit sind.

Die Transformations-Forscherin Petra Bock hat in unserem wettbewerbsorientierten Denken ein Muster entdeckt, das die Ursache unserer heutigen Probleme und gleichzeitig der Code der bisherigen menschlichen Zivilisation sein könnte.

Das alte bipolar-hierarchische Denken und seine simplifizierende Logik sind geprägt von Problemen mit Veränderungen, Angst vor Instabilität, innerer Unfreiheit und der Logik des Überlebens.

In unserem heutigen Denken haben Sicherheit und Kontrolle oberste Priorität.

Der alte Denkrahmen manövriert uns in immer gleiche Probleme und Blockadeschleifen und ist uns keine Orientierung mehr.

Unsere Denkmuster sind in unserer mentalen Welt als komplexe Frames gespeichert, das bedeutet, dass sie nicht nur mit Gedanken, sondern auch mit Erinnerungen, Bildern, Gefühlen und Erwartungen assoziiert sind und außerdem verschiedene Sinneskanäle abbilden und somit eine sehr große Wirkung auf unser Erleben haben.

Es macht daher einen eklatanten Unterschied, ob wir unsere Zukunft als Dystopie oder als Chance framen.

Unser Denken findet Gefühle und Bilder, entsprechend unseres „Auftrages“.

Wie Individuen und Gesellschaften ihre Überzeugungen framen, beeinflusst maßgeblich ihre Lebensrealität. Das Leben als Überlebenskampf ist unser heutiges Lebensparadigma, das wie ein mathematisches Axiom wirkt. Das bedeutet, dass wir es nicht hinterfragen und für unantastbar halten.

Jede weitere Information zu einem Thema wird analog zu diesem Fundamentalparadigma interpretiert.

Die Logik unseres mentalen Bauplans bestimmt darüber, was und wie wir etwas wahrnehmen und interpretieren, sie triggert und steuert unsere Gefühle, unsere Sinnkonstruktion und alles, was sich geistig, emotional und körperlich abspielt.

Frames gehören zum sogenannten schnellen Denken. Leben als Überleben reduziert uns in eine vereinfachende Bipolarität, Enge und der Neigung zu Extremen.

Im Klartext:

Nicht die Wirklichkeit, sondern die Logik unseres Denkens zwingt uns zum Scheuklappendenken.

Gedanken und Gefühle lösen das gestörte Denken aus und verstärken es.

Petra Bock analysiert sieben Störungsframes:

    1. Katastrophendenken: Menschen und Gesellschaften mit diesem Denken („Vollkaskomentalität“) gestalten nichts aus eigenem Antrieb und verlieren ihre visionäre Kraft; sie reagieren nur noch.
    2. Bewertungsdenken: Alles wird bewertet und gut ist nie genug. Bewertungs- und Katastrophendenken sind mentale Strategien, die die Lebensqualität stark herabsetzen.
    3. Druck: Gezielte Erzeugung von Stress. Mit Druck bringt man sich selbst und Andere zum Funktionieren; es ist ein Machtinstrument zur Disziplinierung und Ausbeutung.
    4. Selbstverleugnung: Unterordnung und sich selbst vergessen. Selbstverleugnung führt dazu, dass ungerechte und primitive Machtverhältnisse zementiert werden. Selbstverleugnung ist die Kehrseite von Dominanz
    5. Misstrauen: Eine misstrauische Lebenshaltung pflegt Vorurteile, lässt die menschliche Entwicklung stagnieren, isoliert und repetiert das ewig Gleiche. Misstrauen hält uns von Kooperation ab; wir bauen Barrikaden auf.
    6. Festhalten an starren Regeln, insbesondere an destruktiven Wenn-Dann-Konstruktionen, die uns unserer Kreativität entreißt. Regeln täuschen Sicherheit vor.
    7. Übermotivation: Sucht nach Motivation und Nichtaushalten der nicht besonderen Momente.

Diese sieben Störungsmuster sind zu beobachten, wenn Menschen sich selbst oder andere blockieren.

Zusammen bilden sie eine Welt des Closed Mind, eine verschlossene, unfreie, negative und blockierende Denkstruktur, die unsere Entfaltung behindert sowie unsere nötige Unerschrockenheit blockiert, der Komplexität unserer Zeit zu begegnen.

Im Modus des gestörten Denkens führen wir in unserem inneren Dialog eine ungleiche, von inneren Konflikten geprägte Beziehung zu uns selbst, in der die eine Seite die andere immer wieder ab- oder aufwertet. Wir lernen früh, unsere eigentlichen Bedürfnisse, unsere Kreativität und Entfaltungskraft abzuwürgen.

Paradoxerweise folgt unser Denken einer destruktiven Logik, in der Ausbeutung, desaströser Wettbewerb und ein rücksichtsloser Kampf um Dominanz richtig sind.

Dieses Denken verschärft Konflikte, produziert Angst, Druck, Misstrauen und die anderen Störungsframes.

Dieses zweidimensionale Denkschema passt nicht mehr in unsere heutige Wirklichkeit.

Wir brauchen ein neues Paradigma, das es uns ermöglicht, das Leben unter neuen Umständen zu begreifen, offener und wirksamer, vielfältiger.

Ein Denken das dem disruptiven Wandel der menschlichen Zivilisation in eine gefühlt und gelebt andere Dimension gerecht wird.

Aus den genannten Gründen sind wir heute lebenden Generationen diejenigen, die den zweiten großen Wandel zu voll ausgereiften psychoemotional stabilen erwachsenen Menschen vollziehen müssen, um der „Great Acceleration“, wie Erdwissenschaftler dieses Phänomen nennen, gewachsen zu sein.

Es hat etwas fundamental Neues in unserer komplexen, dynamischen und interdependeten Welt begonnen.

Der letzte Klimawandel vor ca. 12.000 Jahren (von der Eiszeit zur Warmzeit) hat Menschen abverlangt, das nomadische Leben aufzugeben, sesshaft zu werden und – mit Hilfe eines neuen Denkens – eine ebenso beeindruckende wie zerstörerische menschliche Zivilisation aufzubauen.

Veränderung erzeugt Stress und Menschen unter Stress können keine komplexen und nachhaltigen Entscheidungen treffen.

Mit unserem jetzigen Denkmuster sind wir dem Leben im Hyper-Change nicht gewachsen. Wir brauchen eine offene Haltung und Zugang zu unserer Imagination und Kreativität.

Neues Denken braucht neue Begriffe. Wichtig ist, den Anderen auf Augenhöhe wahrzunehmen, zuzuhören, hinzuhören und nachzudenken. Wichtig sind Toleranz, Freiheit ohne Egokult, Pluralismus und eine Kommunikation des Miteinander nicht des Gegeneinander.

Aus der Kontradiktion im gestörten Denken wird im neuen Denken die Denkbewegung der Beiordnung und Verbindung, ein Sowohl-als-auch mit dem obersten Paradigma der Entfaltung.


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