Embodied Communication

im Systemischen Coaching

Eine Beleuchtung der neuen Kommunikationstheorie nach
Storch und Tschacher und ihre Implikationen für den Coaching-Prozess

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Einleitung

Herausforderungen kennt jeder Mensch. Und jeder hat Bewältigungsstrategien, um mit ihnen umzugehen. Sucht eine Person freiwillig einen Coach auf, ist häufig ein gewisser Reifegrad erreicht, um externe Begleithilfe anzufragen.

Das kann ein (innerer) Konflikt, eine Entscheidung, der Wunsch nach Entwicklung oder vieles Anderes sein. Die Anliegen sind vielfältig.

Im Coaching-Prozess, meist schon bei der Auftragsklärung, erweitert oder vertieft sich das Anliegen.

Häufig stellt sich in diesem Schritt heraus, dass die vorgebrachte Situation symptomatisch für ein tiefgründigeres Anliegen ist; unter Umständen eins, dass dem Coachee vorher nicht bewusst war. In dem Moment wird ein Thema hinter dem Thema erarbeitet. Das Thema, das hier bereits leicht mitschwingt – die Rolle des Unbewusstseins – beleuchten wir auf Seite drei weiter.

Gewinnt der Coachee eine neue Erkenntnis, hat der Coach bereits Wesentliches geleistet.

Im Systemischen Coaching leistet der Coach Hilfe zur Selbsthilfe, denn jeder trägt die Lösung für sein Problem bereits in sich.

Mit guter Prozessbegleitung, Fragen und Methodenkenntnis unterstützt der Coach den Coachee. Neben Methodenkenntnis ist etwas weitaus Fundamentaleres ebenfalls entscheidend für ein erfolgreiches Coachings: der Rapport.

Doch wie entsteht guter Rapport, also der direkte Kontakt zwischen Coach und Coachee?

Über Kommunikation.

Dafür schauen wir uns zwei Kommunikationsmodelle an.

Das Sender-Empfänger-Modell

Um Kommunikation zu verstehen, steht uns traditionell das Kommunikationsmodell der beiden Mathematiker Claude Shannon und Warren Weaver zur Verfügung. 1949 veröffentlichten sie gemeinsam ihr Buch The Mathematical Theory of Communication.

Das Modell hat seinen Ursprung in der militärischen Nachrichtentechnik und wurde im Laufe der Zeit auf die interpersonelle Kommunikation übergestülpt und fortan von Kommunikationswissenschaftlern weltweit genutzt und in Teilen weiterentwickelt.

Die Annahme schien zu sein, dass die Funktionsweise, beispielsweise vom Morsen, eine gelungene Veranschaulichung persönlicher Kommunikation sei (Storch & Tschacher, 2014.

Das Modell besagt in aller Klar- und Einfachheit, dass ein Sender eine Botschaft an einen designierten Empfänger sendet.

Kommunikation erfolgt linear in eine Richtung. Gibt der Empfänger eine Antwort, so wird der Empfänger zum Sender und sendet eine Botschaft linear zurück. Bei dieser Theorie liegt der Fokus auf der Richtung der Botschaft sowie auf der Botschaft selbst (van Ruler, 2018).

Die Kommunikationstheorie, insbesondere das Element der Einseitigkeit wurde früh kritisch hinterfragt. Wiener ergänzte das Modell um die Komponente „Feedback“ (1961). Da dies der Cybernetik entsprang, wurde auch hier schnell entdeckt, dass eine Feedback-Schleife in einem linearen Modell keine Dynamik oder Zirkularität erzeugt (Ruler, 2018).

Aber die Vorstellung, dass Kommunikation nicht linear, sondern vielmehr in beide Richtungen geht, war gegeben.

Der Fokus erweiterte sich laufend weiter, beispielsweise auf Interaktion (Bales) und auf Metakommunikation (Watzlawick). Darüber hinaus wurden soziale und kulturelle Hintergründe sowie Kontext, in dem Kommunikation passiert in Betracht gezogen, aber auch der Prozess, in dem Kommunikation Bedeutung erlangt, schreibt Ruler (2018).

Deutschlands bekanntester Kommunikationswissenschaftler Schulz von Thun konzentrierte sich hingegen auf die Information zwischen Sender und Empfänger und entwickelte die berühmten vier Ebenen einer Botschaft (1981).

Ohne auf jeden Ansatz genau einzugehen, lässt sich laut Storch und Tschacher (2014) zusammenfassen, dass Theorien, die auf das Sender-Empfänger-Modell zurückgehen gemein haben

– dass Kommunikation zielgerichtet ist und der Sender eine Absicht verfolgt.

– dass es eine fixe Botschaft gibt.

– dass der Empfänger die Botschaft vom Sender verstehen kann.

Was bedeutet das für den Coaching-Prozess?

Kennt der Coachee seine Motive und Bedürfnisse, kann er sein Anliegen zielgerichtet kommunizieren. Sollte der Coachee sie nicht kennen, so lässt sich das im Dialog erörtern, denn der Coach kann dank guter Kenntnis den wahren Kern einer Botschaft dechiffrieren.

Beide achten und reagieren auf das Gesagte und Gehörte.

Der geschulte Coach kann dabei auch unterschiedliche Ebenen in der Kommunikation ausmachen.

Viele Ansätze im Coaching fokussieren sich auf das gesprochene Wort. Der Narrative Ansatz, das Werte- und Entwicklungsquadrat sowie systemische Fragen beruhen alle auf dem gesprochenen Wort und führen einen Perspektivwechsel herbei. Auch das vier-Ohren-Modell ist geeignet, um Verständnis für die eigene Kommunikation oder von jemand anderem zu erlangen.

Doch reicht das Kommunikationsmodell aus, um die vielen Wirkmechanismen zu erklären, die bei gelungener Kommunikation passieren?

Das Unbewusstsein in der Kommunikation

Im Marketing ist bekannt, dass

Konsumenten 90% ihrer Kaufentscheidungen unbewusst treffen… Meistens bekommen wir gar nicht mit, was da abläuft.

(Giersch, 2019)

Wie kommt das? Bessel van der Kolk, ein international anerkannter Psychiater und Autor erklärt in seinem Buch The Body Keeps the Score, den Aufbau unseres Gehirns und gibt damit erste Ansätze, wie unser Gehirn und unser (Un-) Bewusstsein zusammenhängen.

Das Gehirn ist von unten nach oben aufgebaut.

Alles startet mit dem Reptilien-Gehirn, mit dem Neugeborene bereits auf die Welt kommen. Es kümmert sich um überlebenswichtige Aufgaben wie Essen, Schlafen, Atmen und vieles mehr. Darauf folgt das limbische System, das sich entwickelt, wenn das Baby auf der Welt ist. Es ist die Schaltzentrale aller Emotionen und entwickelt sich auf Basis aller Erfahrungen, die wir machen und ist damit auch für unser Affektverhalten verantwortlich.


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