Elternzeit und Coaching

Du hängst ja nur rum und andere Vorurteile

Abschlussarbeit von Adriane Niepel, als PDF lesen


Ein Einblick in eine exemplarische Elternzeit

Bevor wir tiefer in das Thema einsteigen, ist es wichtig zu verstehen, was Elternzeit eigentlich bedeutet und wie das Ganze exemplarisch ablaufen kann.

Dabei gibt es diverse Varianten, die verschiedene Situationen mehr oder weniger ausgeprägt beinhalten.

Dieses Beispiel fasst viele solcher Situationen zusammen und ist exemplarisch zu verstehen. Ich nehme euch mit auf eine Reise, die ihr vielleicht selber erlebt habt, oder falls nicht, euch sicherlich neue Einblicke gewährt.

In unserem Beispiel verdient der Mann (Lukas) wesentlich mehr als die Frau (Laura) und beide entscheiden gemeinsam, dass die Laura zunächst zwei Jahre mit dem Baby zuhause bleibt und danach wieder arbeiten gehen wird, wenn das Kind in den Kindergarten geht. Zunächst klingt es für Laura nach einer Auszeit auf Zeit und Lukas geht weiter voll arbeiten.

Am Morgen fährt er zur Arbeit und am Abend ist er wieder Zuhause. Er arbeitet auch teilweise von zuhause und sitzt dann im gemeinsamen Büro. Wie für die meisten Haushalte ist es üblich, dass Laura, da sie „eh“ zuhause ist die Hausarbeit und den Garten übernimmt, neben dem Baby. Somit kann Lukas nach seinen acht Stunden Arbeit entspannen.

Wenn er zum Beispiel einen Arzttermin für sich machen möchte, klärt er das wie zuvor auch schon mit seinem Terminkalender von der Arbeit. Nach Feierabend isst er mit seiner Familie und dann bringt er je nach Tag und abendlichen Veranstaltungen das Kind ins Bett. Die finanzielle Verantwortung für die Familie liegt nun alleine bei ihm.

Für Laura bedeutet die Familiengründung eine vollkommen neue Ausrichtung, die viele Änderungen mit sich bringt. Die Elternzeit bedeutet nicht nur mit dem Kind auf dem Boden sitzen und spielen. Das Kind braucht Kleidung, die besorgt werden muss, Windeln die gerne bis 10 Mal am Tag gewechselt werden müssen.

Essen, das über Stillen, Flasche, Brei, Nahrung gekocht, gelöffelt, gematscht und aufgeräumt werden will. Spielsachen müssen besorgt und immer wieder gereinigt werden. Schnuller sollen abgekocht und die Babys mit Haferflocken gebadet und mit Öl massiert werden.

Da Babys auf dem Boden krabbeln und alles in den Mund nehmen und sich hochziehen, muss es sauber sein und sicher. Dazu kommt die Aufmerksamkeit, die jederzeit erwartet wird und das in einer 24/7 Bereitschaft. Der Schlaf wird häufig jahrelang unterbrochen. Nicht zu unterschätzen ist auch die Verantwortung für ein anderes Menschenleben und bei Verletzungen und Krankheit zu entscheiden was der richtige Schritt ist. Natürlich sind beide Elternteile verantwortlich, aber wenn Laura fast ausschließlich alleine mit dem Kind unterwegs ist, ist auch diese Situation schnell eine innere Herausforderung oder Stress.

Das Kind möchte außerdem noch gefördert werden, im richtigen Alter mit dem richtigen Spielzeug, Büchern, sprechen lernen und Fahrrad fahren. Das Unkraut im Garten reißt Laura aus und neben ihr das Kind die Blumen. Bei allem muss Laura die Ruhe bewahren und geduldig sein, keine Arzttermine des Kindes vergessen und alles organisieren, damit Kerzen auf der Geburtstagstorte stehen und die richtigen Geschenke zwischen allen Verwandten verteilt werden. Und neben all dem kommt die Oma von nebenan und beschwert sich über die Lautstärke des Kindes, obwohl Laura sich gerade über das herzliche Lachen freut, das endlich nach der endenden Trotzphase wieder laut zu hören ist.

Dies ist nur ein kleiner Einblick dessen, was auch dazu gehört, wenn man sich entscheidet Eltern zu werden.

Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass es oft unterschätzt wird, was die Frau hier in dieser Zeit leistet.

Und auch nach Widereinstieg in das Berufsleben muss Laura sehr flexibel sein und kann nur in Teilzeit zurückkehren oder braucht ein Umfeld, dass die Kinderbetreuung für ein paar Stunden am Tag übernimmt, zum Bespiel die eigenen Eltern oder Schwiegereltern nebenan.

Mit einem Kindergartenplatz ist es rein rechnerisch selbst mit der höchsten Stundenbetreuung (45 Std) meist nicht möglich Vollzeit zu arbeiten. Durch wenigstens eine Mittagspause und Fahrtzeiten sind maximal etwa 30-35 Stunden möglich.

Sofern das Paar keinen Wert darauf legt sich oder den Kindern zu begegnen, können die beiden natürlich Schichtdienst machen, womit beiden eine Vollzeitstelle möglich wäre. Da Laura nun weniger Stunden arbeiten kann, bekommt sie auch nicht mehr die Stelle und Verantwortung, die sie vorher hatte und natürlich nicht mehr dasselbe Gehalt. Außerdem wird es schwer diese Jahre an Gehaltserhöhung wieder aufzuholen. Denn diese Zeit wird als Berufserfahrung nicht angerechnet.

Wieso eigentlich, wo Laura doch so viel geleistet hat?

Schauen wir uns das näher an.

Was hat Laura eigentlich gelernt und ist dies berufsrelevante Erfahrung und könnten dies Eigenschaften sein, die ein Coach braucht.

Fähigkeiten und Haltung in der Elternzeit

Im Folgenden findet sich eine Aufstellung über die Fähigkeiten, die Laura erworben hat.

Diese Aufstellung ergab sich aus Umfragen unter Eltern, die Elternzeit genommen haben. Sie sollten per Freitext die drei bis fünf wichtigsten Fähigkeiten nennen, die sie erlernt oder ausgebaut haben. Umfrage von 12 Personen, sowohl männlich als auch weiblich, die je mindestens mehrere Monate Elternzeit hatten.

FähigkeitAnzahl Nennungen
Haltung, neugierig, wertschätzend, Humor2
Effektives Organisieren + Multitasking 12
Flexibilität4
Kooperation + Konfliktmanagement2
Geduld + Gelassenheit nicht perfekt sein zu müssen7
Erklären1
Zuhören + Aufmerksamkeit + Nachsicht5
Kreativität2
Ambiguitätstoleranz1
Verständnis für andere Rollen (eigene Eltern, Kind, Perspektivwechsel) 4
Bedingungsloses Handeln2
Durchsetzungsfähigkeit2
Selbstreflexion1
Mit wenig Schlaf auskommen1

Haltung – Laura erlebt die kindliche Welt nun aus der Vogelperspektive noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise. Sie muss neugierig sein und wertschätzend, Fortschritt loben und ermutigen, bei Fehlern helfen und erklären, einen sicheren Raum geben und gleichzeitig Freiraum lassen. Bei allem darf sie auch mal wieder Kind sein und ihr Humor prägt sich noch einmal viel freier aus.

Effektives Organisieren – Alle Tätigkeiten die anfallen müssen gut organisiert sein, damit die Wäsche zum richtigen Zeitpunkt die Matschhose wieder frei gibt und kein Arzttermin vergessen wird. In den ersten 5 Jahren gibt es 10 Kinderuntersuchungen plus zusätzlich diverse Termine bzgl. Impfungen und Verletzungen und Krankheiten. (siehe Kinderärzte-im-Netz)

Flexibilität – egal welche Unternehmung Laura mit dem Kind machen wollte, sie musste einen Risikocheck (wie lange weg? Verpflegung notwendig? Laune? Schnuller? Kuscheltier? Weg für Kinderwagen tauglich? Trage? …) machen, sich vorbereiten (auf viele Eventualitäten vorbereitet sein und sonst improvisieren), scheitern und weitermachen.

Konflikte und eigene Meinung – egal ob gut gemeinte Ratschläge oder Beschwerden von der Oma nebenan, Laura muss damit der Situation entsprechend umgehen können, dazu gehört wertschätzend mit den Meinungen anderer umzugehen und den Kindern ein Vorbild in dem Umgang sein, ebenso auch nein-sagen können.

Geduld + Gelassenheit – Laura braucht viel Geduld bei jedem neuen Entwicklungsschritt des Kindes. Jeder dieser Schritte ist wichtig, um zum Beispiel zu lernen die ersten selbstständigen Entscheidungen zu treffen. Dazu gehört ganz banal welche Kleidung das Kind anzieht. Schon mit 2 Jahren entscheiden viele Kinder das selber und machen ein großes Geschrei, wenn man ihren Wunsch übergeht und ihnen signalisiert, dass sie nicht ernst genommen werden.


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