Agile Transformation einer Finanzorganisation

unter Einsatz systemischer Elemente

Abschlussarbeit von Jörg Brdek, als PDF lesen


Warum sollte sich eine Finanzorganisation agil transformieren?

Unternehmen in einem zunehmend dynamischeren Wettbewerbsumfeld müssen die Kompetenzen entwickeln, um sich in diesem Umfeld behaupten zu können.

Dabei sind die Einflussgrößen vielseitig. Wettbewerber entwickeln schneller neue Produkte, kommen schneller mit Innovationen auf den Markt.

Zusätzlich kommen durch Digitalisierung und der damit verbundenen Entwicklung neuer Geschäftsmodelle neue Wettbewerber  auf den Markt, die bisher nicht im Fokus waren.

Das Wettbewerbsumfeld verändert sich dadurch radikal.

Und nicht nur das Wettbewerbsumfeld verändert sich, denn neue Geschäftsmodelle und zunehmende Digitalisierung haben Einfluss auf das Kundenverhalten und die Kundenerwartungen. Produkte werden nach anderen Kriterien ausgesucht oder über andere Wege eingekauft.

Die neuen Arbeitgeber bieten potenziellen Mitarbeitern neue Entwicklungsmöglichkeiten, weniger Hierarchien, flexiblere und agilere Arbeitsmodelle oder andere Wege, Work-Life-Balance zu leben.

Das heißt, auch in diesem Bereich wird es zunehmendschwieriger für klassische Arbeitgeber, Talente zu finden und zu binden.

Als Antwort darauf beginnen viele Unternehmen, sich agil zu transformieren.

Zum Teil in einzelnen Projekten bis hin zur kompletten agilen Transformation. Dies geschieht oft in der Produktentwicklung oder in markt- bzw. kundennahen Bereichen, wie Marketing, Vertrieben oder Service.

Was nachvollziehbar ist, da erfolgreiche Unternehmen sich an den Kundenwünschen ausrichten. Um diese immer besser und schneller zu erfüllen,  greifen Unternehmen deshalb auch immer häufiger auf agile Arbeitsweisen zurück.

Querschnittbereiche wie Human Resources oder Finanzen sind oft nicht im Fokus der agilen Transformation, unter anderem auch deshalb, weil diese Bereiche nur wenig bis gar keine direkten Kontakte zum externen Kunden haben.

Und doch gibt es gute Gründe, dass auch Querschnittsbereiche bis zu einem gewissen Grad agil transformieren.

Das sind zum Beispiel:

• Querschnittsbereiche arbeiten in der Regel eng mit den agilen Organisationen zusammen, was es erforderlich macht, die Arbeitsweisen zu verstehen, vor allem, was die Haltung und das Mindset dahinter betrifft.

• Wie oben angeführt, ist das Finden und Binden von sehr guten Mitarbeitern nur möglich, wenn ein entsprechendes Umfeld geboten wird, wo Mitarbeiter mitgestalten können, sich entwickeln können und nicht von klassischen Hierarchien eingeengt werden.

• Auch Querschnittsbereiche haben direkten Kundenkontakt, die Finanzorganisation zum Beispiel im Rahmen der Rechnungsstellung. Auch dort verändern sich die Anforderungen, was Transparenz der Rechnung, zur Verfügung stellen Rechnung (per Papier, Online etc.) oder Bezahlwege betrifft.

Die Anforderungen werden größer und müssen auch im Wettbewerbsumfeld schneller erfüllt werden.

• Und bei der Verbesserung interner Prozesse oder interner Zusammenarbeit können an vielen Stellen agile Rahmenwerke bzw. Methoden ebenfalls hilfreich sein.

Wichtiger als Tools und Techniken ist ein Umfeld, welches agiles Mindset und agile Haltung fördert.

Im Folgenden wird herausgearbeitet, wie systemisches Coaching sinnvoll bei der agilen Transformation von Querschnittsbereichen eingesetzt werden kann.

Dabei liegt der Fokus im weiteren Verlauf auf die agile Transformation einer Finanzorganisation.

Was zeichnet eine Finanzorganisation aus?

Und welche Anforderungen stellt man heute an eine Finanzorganisation?

An eine Finanzorganisation werden vielfältige Anforderungen gestellt.

Auf der einen Seite sind es die klassischen Finanzprozesse, wie ordnungsgemäße Buchführung. Das umfasst die Buchhaltung, die Rechnungsschreibung und auch das Berichtswesen zu Gewinn und Verlust oder Bilanz.

In diesem Zusammenhang existieren umfangreiche rechtliche Anforderungen, die zu erfüllen sind. Deshalb zeichnen sich gute Finanzorganisationen durch hohe Genauigkeit und hohe Zuverlässigkeit aus.

In der Rechnungslegung gibt es im Grunde genommen keinen Raum für Experimente und 80%-Lösungen.

Zu den klassischen Prozessen gehört unter anderem der Planungsprozess, wo klassisch versucht wird, die Zukunft möglichst genau zu planen.

Das geschieht oft für die kurzfristige Jahresplanung, die mittelfristige drei bis vier Jahresplanung und manchmal auch über einen Planungshorizont von 10 Jahren.

Häufig wird auch hier die Anforderung gestellt, möglichst detailliert und genau zu planen.

Ein anderes Feld in einer Finanzorganisation ist das Controlling.

Wobei hier die Controlling-Funktion als Partner der Fachseiten innerhalb eines Unternehmens verstanden wird. Als Partner der Produkt- und Markteinführung neuer Produkte unterstützt.

Aufgrund der agilen und iterativen Herangehensweise von diesen Fachseiten, müssen auch Finanzorganisationen im Rahmen ihrer Unterstützung agil arbeiten.

In kurzen iterativen Zyklen denken und arbeiten. Dabei müssen diese mit Annahmen und unvollständigen Informationen und einer gewissen Unsicherheit arbeiten.

Eine Situation, die für eine auf Genauigkeit und hoher Zuverlässigkeit und hoher Sicherheit ausgerichteten Organisation nicht einfach umzusetzen ist.

Wie unterscheiden sich traditionelle und agile Arbeitsweisen?

Traditionelle Arbeitsweisen sind in der Regel sehr stark hierarchisch organisiert.

Die Führungskräfte setzen Ziele und entscheiden häufig auch darüber, wie diese Ziele erreicht werden.

Traditionelle Führungskräfte zeichnen sich häufig dadurch aus, dass sie nicht nur Führungskompetenzen besitzen, sondern oft auch Experten in ihrem Arbeitsgebiet sind.

Deshalb können sie auch stark vorgeben, wie zu arbeiten ist. Mitarbeiter führen in einem Umfeld ihre Aufgaben aus und haben häufig nur einen geringen Entscheidungsspielraum.

Dieses Umfeld ist in der Regel durch eine hohe Kontrollfunktion geprägt bis hin zu der negativen Ausprägung einer Misstrauenskultur. Fehler werden nicht akzeptiert und Abweichungen vom Ziel sehr detailliert analysiert.

Dabei werden Fehler und Zielabweichungen nicht als Chance zum Lernen begriffen.

Im Gegenteil versuchen häufig alle Seiten Fehler auf andere zu schieben oder gar zu verschleiern.

In agilen Umfeldern ist das anders.

Hier geben Führungskräfte Ziele vor, erklären Sinn und Zweck dieser Ziele, lassen die Mitarbeiter allerdings über den Weg zur Zielerreichung eigenverantwortlich bzw. selbstorganisiert entscheiden.

Es existiert ein hohes Vertrauen in die Menschen, an das Team, deren Motivation und Know-how.

Außerdem gibt es eine Lernkultur, in der Fehler als Chance zu Verbesserung begriffen werden.

Wo ist agiles Arbeiten nun sinnvoll oder gar erforderlich?

In einer Finanzorganisation ist agiles Handeln im Sinne von agilen Methoden vor allem in Projekten sinnvoll einsetzbar, zum Beispiel der Einführung neuer Software oder wenn es um Projekte geht, die neue Zusammenarbeitsmodelle oder Prozesse kreieren.

Wenn agiles Handeln nicht nur auf konkrete Methoden begrenzt wird, sondern übergreifender verstanden wird, dann ist agiles Handeln in allen Aufgabengebieten im Finanzbereich sinnvoll.

Übergreifender heißt in diesem Zusammenhang, unabhängig von einer Methode, dass es bei agilem Handeln auf die Haltung und das Mindset ankommt.

Hiermit ist gemeint, dass nicht der Glaube vorherrscht, dass die Zukunft über einen langen Zeitraum detailliert geplant werden kann, sondern dass man sich in kurzen iterativen Intervallen dem Ziel nähert.

Ein Intervall sieht i. W. wie folgt aus:

• Etwas Neues bauen/produzieren oder kreieren.

• die Ergebnisse regelmäßig überprüfen.

• Feedback erhalten und daraus lernen.

• Anschließend das Produkt, den Prozess, die Zusammenarbeit verbessern. Oder wenn es nicht funktioniert hat, etwas Neues ausprobieren.

Das gibt einer Organisation die Chance, frühzeitig Feedback zu erhalten und schnelle Anpassungen vorzunehmen, anstatt einem Plan lange zu folgen und erst am Ende zu merken, dass er nicht funktioniert hat.

Dazu gehört auch, dass die Experten für die Lösung die Mitglieder der jeweiligen Teams sind und selbstorganisiert arbeiten, also für das Ergebnis verantwortlich sind. Dazu benötigt es ein hohes Vertrauen der Führungskräfte und ein hohes Maß an Vertrauen in den Menschen.

Die Führungskräfte übernehmen in einem solchen Umfeld das Setzen und die Vermittlung der strategischen Ziele, während die Teams die Umsetzung eigenverantwortlich übernehmen.

Darüber hinaus begleiten die Führungskräfte den Prozess, setzen die Rahmenbedingungen und räumen Hindernisse aus dem Weg, welche die Teams daran hindern ihre Ziele zu verfolgen.

Die Führungskraft übernimmt damit eher eine Coaching-Haltung, auch wenn diese sicher nicht der multiparteilichen Haltung eines externen Coaches entspricht.

Denn die Führungskraft ist selbstverständlich Teil des Systems.

Und doch gibt es hier einige Parallelen zum systemischen Ansatz, nämlich der Glaube an den Menschen, dass der Mensch (Klient) der beste Experte für die Lösung seiner Herausforderungen ist und dass der Coach für den Coaching-Prozess, also die Rahmenbedingungen, verantwortlich ist.


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