Coaching: Wohin geht der Weg?

Dokumentation von zwei Sitzungen

Abschlussarbeit von Kirsten Haas, als PDF lesen


Name: Frau B, 1. Termin: 90 Minuten

Akquisition, Einstieg, Vereinbarung

Frau B. hat sich an mich gewandt, weil sie meinem Aufruf zur Suche von Coaching-Klienten zu Übungszwecken gefolgt ist.

Bereits am Telefon konnten wir kurz klären, was ihr Anliegen ist und was Coaching generell leisten kann.

Aanalyse & Diagnose

Die Situation

Im ersten Termin lerne ich Frau B. genauer kennen. Sie ist Anfang 50, verheiratet und hat drei Kinder, von denen eines bereit zum Studium aus dem Haus ist und die anderen noch zur Schule gehen.

Seit ihrer Ausbildung vor über 25 Jahren ist Frau B. beim selben Arbeitgeber im kaufmännischen Bereich angestellt.

Dort hat sie regelmäßig die Tätigkeit gewechselt, war aber in den vergangenen Jahren überwiegend im Verwaltungsbereich tätig.

Durch ihre familiären Verpflichtungen war sie fast durchgehend in Teilzeit beschäftigt. Im vergangenen Jahr nahm sie aufgrund struktureller Umorganisation das Angebot ihres Arbeitgebers an und wechselte in eine Transfergesellschaft.

In dieser befindet sie sich aktuell noch für mehrere Monate, danach ist sie arbeitslos.

Das Ziel

Der (zunächst spontan formulierte) Auftrag: „Ich möchte wissen, wohin es danach gehen soll.“ (Anm.: nach der Zeit in der Transfergesellschaft)

Mit Hilfe des Coaching-Hauses hinterfragen wir gemeinsam das Ziel.

Die Klientin schildert ihr Anliegen.

Sie erscheint sehr reflektiert, tendenziell pessimistisch, „warnt“ mich vor, sie sei ein schwieriger Fall und hätte schon alle Möglichkeiten durchdacht, käme aber zu keinem Ergebnis.

Im Sinne eines guten Kontaktes würdige ich ihre Aktivitäten, durch aktives Zuhören.

Im Rahmen der Würdigung frage ich sie nach den Einzelheiten der Anstrengungen, die sie bereits unternommen hat. Sie hat über die Transfergesellschaft Unterstützung in Form einer externen Berufsberatung, das gestalte sich aber zäh.

Bei allen bisher geschriebenen Bewerbungen hat sie von 75 Prozent positives Feedback erhalten und ist zu Gesprächen eingeladen worden. Diesen Erfolg würdige ich, auch wenn sie selber das eher als „geringe Leistung“ einschätzt.

Drei aus den Gesprächen resultierende Angebote hat sie ihrerseits abgelehnt aus unterschiedlichen Gründen.

Ihre Überzeugung ist, dass sie hätte noch mehr Bewerbungen schreiben sollen.

Nach der Frage, was sie denn glaube, wofür das dient, nicht mehr Bewerbungen zu schreiben, sagte sie spontan:

Dass ich mich nicht auf die falschen Jobs bewerbe.

Ich frage nach den Positionen und Unternehmen, bei denen sie sich beworben hat.

Wir stellen fest:

Ihr fehlt eine konkrete Vorstellung ihrer künftigen Tätigkeit, sie weiß nicht, auf welche Jobs sie sich gezielt bewerben soll.

Wir untersuchen die Systeme, in denen sie sich bewegt. Da ihr Mann gut verdient, befindet sie sich in der Situation, auf das Gehalt nicht angewiesen zu sein.

Trotzdem ist die Geldfrage immer wieder präsent („ich will ja nicht weniger verdienen als vorher“).

In ihrem Umfeld stocken viele Freundinnen ihre Arbeitszeiten nach Elternpausen gerade wieder auf, so dass es ihr „fast peinlich“ ist, quasi nichts zu machen.

Da auch ein Sohn bereits das Haus verlassen hat, hätte sie ebenfalls mehr Zeit, auch mehr zu arbeiten.

Auf die Frage nach ihren Emotionen in ihrer Situation ist sie noch nicht klar sortiert. Sie erwähnt, dass es eigentlich ok sei, auch mal nicht zu arbeiten.

Immerhin hätte sie in den vergangenen Jahren durchgehend und viel gearbeitet.

Jetzt könnte es auch mal gut sein. Einen echten Zugang zu ihren Emotionen hat sie aber noch nicht, sie wägt immer wieder ab zwischen positiver und negativer Sichtweise ihrer Situation.

Das Ziel, das wir gemeinsam formulieren, lautet:

„Ich möchte Klarheit gewinnen und sicherer werden, was ich demnächst tun möchte. Damit ich mich gezielter bewerben kann.“

Ob das Ziel trägt, überprüfe ich anhand des SMART-Zieles:

Das Ziel ist spezifisch-konkret: nein

Das Ziel ist messbar: nein

Das Ziel ist attraktiv: ja

Das Ziel ist realistisch: ja

Das Ziel ist terminiert: nein

Aufgrund des Ergebnisses schärfen wir noch einmal nach und entwickeln folgendes Ziel:

„Ich möchte eine Bewertungsskala für mich, anhand derer ich ab morgen Stellenanzeigen überprüfen kann, damit ich mich gezielter bewerben kann.“

Mit dem Ziel ist Frau B. zufrieden. Ich frage sie, woran sie nach unserem Termin merken würde, dass er erfolgreich war. Ihre Antwort: Sie würde mit Freude an die Jobsuche gehen.

Anmerkung:

Ich hatte während der Zielsuche die Hypothese, dass Frau B. sich durch ihre nicht ganz freiwillige berufliche Veränderung vielleicht verletzt und nicht gewürdigt fühlt.

Ich habe ihr hypothetische Fragen und Aussagen zur Verfügung gestellt, um zu schauen, ob meine Spekulation zutrifft. Auch mit dem inneren Team haben wir gearbeitet. Im Ergebnis fand hier aber keine Verletzung oder ein Identitätsverlust statt. Frau B. hatte sich freiwillig entschieden, weil ihr früherer Job ihr keinen Spaß mehr machte und auch die Zugehörigkeit zur Firma nicht mehr so intensiv war.

Hier machte sie den Eindruck, dass sie sich diesen Schritt sehr wohl überlegt hat und damit nicht hadert.

Lösungsentwicklung und -gestaltung

Die Lösungsfindung

Um mit ihr gemeinsam ein Profil mit ihren Kompetenzen, Fähigkeiten, Stärken und Interessen zu erstellen, bearbeiten wir mit Hilfe systemischer Fragen auf dem Flipchart die folgenden Aspekte:

▪ Welche Aufgaben hatte sie in ihrem bisherigen Job? Welches davon sind Herzensthemen, welche möchten Sie nicht mehr in Ihrem Leben haben?

▪ Was sind die daraus resultierenden Kompetenzen, die man benötigt, um solche Aufgaben zu erledigen?

▪ Mit welchen Themen hat sie sich in ihrem bisherigen Job beschäftigt und welche Themen interessieren sie darüber hinaus?

▪ Welcher Rahmen ist für sie wichtig? (Voll-/Teilzeit, Geld, Entfernung etc.)

▪ Welche Werte spielen für sie eine Rolle? (gutes Betriebsklima, sinnhafte Tätigkeit…)

▪ Was möchte sie in ihrem Leben noch lernen?

▪ Wo sehen andere Menschen ihre Stärken?

Während Frau B. ihre Vorstellungen relativ gut benennen konnte, wusste sie beim letzten Punkt (wie sehen Andere Frau B.) nichts zu sagen, auch nicht auf hypothetischer Ebene.

Sie fand die Frage aber hilfreich und spannend, so dass ich ihr die Hausaufgabe mitgegeben habe, andere Personen dazu zu befragen.

Bei der Diskussion der o.g. Punkte hat die Klientin über viele Möglichkeiten der Neuausrichtung reflektiert.

Auffällig war, dass sie jede Idee sofort mit vielen Gegenargumenten selber wieder verwarf. Daraufhin habe ich mit ihr versucht, ihre Überlegungen analog zum Tetralemma einzusortieren in eine der vier Ausrichtungen:

a) An Bewährtem festhalten (einen Job ähnlich ihrem alten suchen)

b) Etwas völlig Neues machen (etwas ganz anderes in Erwägung ziehen)

c) Eine Kombination aus a und b (bspw. bekannte Tätigkeit in völlig anderer Branche)

d) Nichts von alledem


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