Big Five for Life

Lebenssinn und Lebensziele nach John Strelecky –
und wie man sie im Coaching erarbeiten kann

Abschlussarbeit von Fred Schwarzenberg als PDF lesen


Einleitung

„Manchmal ist es hilfreich, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen.“1

John Strelecky hat durch seine Buchreihen zum „Café am Rande der Welt“ und den „Big Five for Life“ weltweite Bekanntheit erlangt. In seinen Büchern stellt er bildreich und anschaulich seine Auffassung vom Sinn bzw. Zweck des Lebens2 sowie viele weitere Lebens und Unternehmensprinzipien dar. Seine Bücher erfreuen sich großer Beliebtheit – so wurden sie inzwischen in über 40 Sprachen übersetzt3 und über sechs Millionen Exemplare weltweit verkauft.4

Inzwischen gibt es auch ganze Seminarreihen, um den eigenen Sinn des Lebens und die individuellen Big Five for Life zu finden.

Die große Beliebtheit seiner Bücher erklärt sich unter anderem sicher dadurch, dass Strelecky in vielen Punkten eine ganz eigene, häufig aber bestechend logische Sicht auf die Dinge hat. Viele Menschen wünschen sich mehr Sinn im Leben, eine höhere Zufriedenheit, eine bessere Life-Balance….

Die Konzepte von Strelecky scheinen Menschen auf der Suche nach mehr Sinn und mehr Zufriedenheit daher stark anzuziehen.

Ein erfüllteres Leben, ein Job mit mehr Sinn, eine bessere Balance zwischen Pflichten und Lebensfreude usw. – all das sind Themen, mit denen Klient:innen häufig auch ein Coaching in Anspruch nehmen.

Die vorliegende Arbeit hat daher zum Ziel, John Streleckys Konzepte vom Sinn des Lebens („Zweck der Existenz“) sowie den individuellen Lebenszielen („Big Five for Life“) darzustellen und ihre systemische Logik zu betrachten.

In einem weiteren Abschnitt stellt die Arbeit dar, mit welchen Methoden systemische Coaches ihre Klient:innen dabei unterstützen können, ihren Sinn und ihre Lebensziele zu finden.


Der „Zweck der Existenz“

In dem Buch „Das Café am Rand der Welt“ verirrt sich der gestresste Manager John mit seinem Auto und landet schließlich für eine Rast im sogenannten Café am Rande der Welt. Dort staunt er nicht schlecht, als er auf der Rückseite der Speisekarte die folgenden drei Fragen bemerkt:

• Warum bist du hier?

• Hast du Angst vor dem Tod?

• Führst du ein erfülltes Leben?

Insbesondere über die erste Frage gerät John in ein Gespräch mit der Kellnerin Casey.

„Es ist eine Frage, die man sehr ernst nehmen sollte. Sie zu lesen ist eine Sache. Aber wenn Sie über das Lesen hinausgehen, wenn Sie sie wirklich wahrnehmen und sich diese Frage selbst stellen, dann verändert sich Ihre Welt.“5

Die Frage beschäftigt John während seines weiteren Aufenthalts im Café sehr – schließlich möchte er von Casey wissen, was passiert, wenn jemand die Antwort auf die Frage gefunden hat.

„Nun, das ist die gute Nachricht und gleichzeitig die Herausforderung dabei […] Wie erwähnt, erzeugt die Frage den Wunsch, nach der Antwort zu suchen. Sobald jemand die Antwort kennt, entsteht eine ebenso starke Kraft. Sobald ein Mensch weiß, warum er hier ist, warum er existiert, welchen Grund es dafür gibt, dass er am Leben ist, wird er den Wunsch haben, dem Sinn und Zweck seiner Existenz gerecht zu werden. Es ist so, als erkenne man auf einer Karte, wo ein Schatz versteckt ist. Sobald man die Markierung entdeckt hat, fällt es schwer, sie zu ignorieren und nicht nach dem Schatz
zu suchen.“6

Im weiteren Verlauf des Gesprächs wird der „Zweck der Existenz“ noch als Begriff eingeführt:

„Wenn ein Mensch weiß, warum er hier ist, hat er den ,Zweck seiner Existenz‘ erkannt. Wir nennen es verkürzt ,ZDE‘, für ,Zweck der Existenz‘. Im Laufe seines Lebens stellt der Mensch vielleicht fest, dass er 10, 20 oder Hunderte von Dingen tun möchte, um dem Zweck seiner Existenz gerecht zu werden.“7

Die Kellnerin Casey beschreibt damit im Grunde nichts anderes als eine systemische, offene Frage nach dem Zweck der eigenen Existenz („Warum bist du hier?“) und deren Macht, wenn man sich wirklich auf sie einlässt.

Wer die Antwort kenne, werde sein Leben danach ausrichten. Aus systemischer Sicht lässt sich die Ausrichtung auf den „Zweck der Existenz“ (ZDE, englisch „purpose of life“) mit der Aufmerksamkeitsfokussierung erklären.

Unsere Wahrnehmung ist sehr selektiv und geht nur dahin, worauf unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird.8 Jeder von uns kennt solche Beispiele aus dem Alltag: Wenn die Schwester oder eine gute Freundin schwanger sind, fallen einem plötzlich viel häufiger schwangere Frauen in der Stadt auf.

Ein anderes Beispiel: Wer gerader länger Urlaub in Griechenland gemacht hat, wird nach seiner Rückkehr wahrscheinlich viel bewusster griechische Restaurants oder griechische Produkte im Supermarkt wahrnehmen.

Auch auf das, worauf man bewusst einen Fokus legt, richtet sich unsere Wahrnehmung und unsere Aufmerksamkeit. Nach dieser Logik beschreibt Strelecky auch die Umsetzung des Lebenssinns in Handlungen:

Wer überzeugt ist, seinen Lebenssinn zu kennen und weiß, was er oder sie tun will und sein will, wird die eigene Aufmerksamkeit auf alles richten, was dem entspricht.


Das Konzept der „Big Five for Life“

Der individuelle Lebenssinn, der „Zweck der eigenen Existenz“ nach Strelecky, hängt eng mit den „Big Five for Life“ zusammen.

Angelehnt an die fünf großen afrikanischen Wildtiere Löwe, Leopard, Rhinozeros, Elefant und der afrikanische Büffel, die Touristen bei einer Safari gerne sehen möchten, um sie als vollen Erfolg zu betrachten, hat Strelecky das Konzept der „Big Five for Life“ entwickelt:

„Die Menschen messen den Erfolg ihrer Safari daran, wie viele der Big Five sie gesehen haben. Wenn sie drei der fünf Tierarten sehen, ist es für sie eine durchschnittliche Safari, vier Tierarten zu sehen, ist schon ziemlich gut und fünf sind ein voller Erfolg. Ma Ma Gombe erklärt ihrem jungen Begleiter, dass wir alle selbst definieren können, was wir unter Erfolg verstehen, indem wir unsere eigenen Big Five erkennen. Es sind die fünf Dinge, die wir tun, sehen oder erleben möchten, bevor wir sterben. Wenn wir diese fünf Dinge vor unserem Tod getan, gesehen oder erlebt haben, können wir am Ende unseres Lebens zurückblicken und zu uns selbst sagen, dass wir unsere Big Five for Life verwirklicht haben und unser Leben daher erfolgreich war. Denn wir haben – und das ist die zentrale Botschaft – unseren Erfolg selbst definiert.“9

Das Zitat zeigt deutlich die konstruktivistische Grundhaltung:

Wir selbst definieren unsere Ziele, die Dinge, die uns wichtig sind und letztlich auch unseren Erfolg. Jeder hat es nach Ansicht von Strelecky selbst in der Hand, seine Lebensziele zu definieren und seine Aufmerksamkeit voll und ganz auf die Umsetzung bzw. Erreichung dieser Ziele zu setzen. Auch hier steckt ein Stück weit das Prinzip der Aufmerksamkeitsfokussierung drin.

Für Strelecky gehören der ZDE und die Big Five unweigerlich zusammen.

Der ZDE ist somit die große Überschrift über das eigene Leben und die Big Five sind die fünf zentralen Ziele, die jemand in seinem Leben gerne erreichen möchte.

In seinem Buch beschreibt Strelecky, dass dieses Prinzip nicht nur für Personen gelte, sondern auch für jedes Unternehmen. Jede:r Unternehmer:in müsse für ihr bzw. sein Unternehmen definieren, was der Zweck der Existenz dieses Unternehmen sei und welche großen Ziele es erreichen wolle.

Laut Strelecky müssen der ZDE der Mitarbeiter:innen und der des Unternehmens zusammenpassen – und das Unternehmen solle Mitarbeiter:innen so einsetzen, dass es sie dabei unterstütze, deren persönliche Big Five zu erreichen.10

Im Buch beschreibt Strelecky zudem viele seiner Prinzipien für erfolgreiche Führungskräfte und Unternehmer:innen. Diese sollen aber im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter beleuchtet werden.

In seinem zweiten Buch zu den Big Five führt Strelecky nicht nur die Geschichte fort, sondern erläutert tiefergehender, wie sich der eigene ZDE und die Big Five mit dem eigenen Beruf und dem Unternehmen, für das man arbeitet, zusammenbringen lassen.11


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Quellen bis hierhin:
1 Strelecky (2021a), S. 29.
2 In dieser Arbeit werden die Begriffe Lebenssinn und Lebenszweck synonym verwendet und beziehen sich hier auf Individuen. Die Frage nach einem allgemeinen Sinn der Existenz der Menschheit ist
nicht Gegenstand dieser Arbeit.
3 https://bigfiveforlife-seminar.com/philosophie-erfolg-leben/ (zuletzt aufgerufen am 05.03.2023)
4 https://www.boersenblatt.net/news/verlage-news/das-cafe-am-rande-der-weltjohn-strelecky-absofort-bei-tolino-154981 (zuletzt aufgerufen am 05.03.2023)
5 Ebd., S. 33.
6 Ebd., S. 37.
7 Ebd., S. 49.
8 Ausbildungsskript InKonstellation, S. 34.
9 Strelecky (2022), S. 67.
10 Ebd., S. 129f.
11 Strelecky (2021b).