Systemisches Enneagramm

Ich bin Ich! – Verstehst DU Dich?

Abschlussarbeit von Carina Holzmann, als PDF lesen


Einleitung

Das christliche Weltbild sieht die menschliche Schöpfung als „Gottes Ebenbild“ an. Ein Vers aus dem ersten Buch Mose soll diese Sonderstellung noch einmal verdeutlichen:

Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.1

Diese Ausnahme „Mensch“ kann aus Sicht der christlichen Sozialethik in fünf verschiedene Aspekte des Menschen als Person differenziert werden:

▪ Der Mensch ist Geist in Leib:
Der Mensch ist einerseits Teil der materiellen Natur, andererseits vollzieht er im Selbstbewusstsein vernunfthafter Subjektivität geistiges Leben.

▪ Der Mensch ist Mit-Sein:
Der Mensch braucht andere Menschen. Eine Persönlichkeit entwickelt sich erst durch die Vermittlung von Individualität und Sozialität anderer Menschen. Insofern wird der Mensch „nur unter Menschen ein Mensch“.

▪ Der Mensch ist moralisches Subjekt:
Der Mensch kann sich selbst die Gesetze seiner Handlungen machen und dessen Ziele dafür setzen, somit steht er in der Freiheit der moralischen Entscheidung und in der Verantwortung für seine Praxis. Der Mensch ist ein autonomes Wesen, das nicht nur lebt, sondern sein Leben führen soll.

▪ Der Mensch als sündiges Wesen:
Der christliche Glaube zeigt den Mensch im Spannungsfeld von Schuld und Erlösung. Er versagt sowohl in der Erfüllung seiner Bestimmung als auch in der sozialen Interaktion in der Verwirklichung des Gemeinwohls. Das Christentum zeigt sich hinsichtlich der Sünde gegenüber allem skeptisch, das meint „den Himmel auf Erden“ erschaffen zu können.

▪ Der Mensch als transzendentes Wesen:
Der Mensch ist das Wesen, das die Unmittelbarkeit seiner Lebenszusammenhänge transzendiert und die Frage nach Ursprung und Sinn des Ganzen stellt – seines Lebens, der Natur und der Gesellschaft.2

Des Weiteren betrachten wir den Menschen als komplexes Wesen:
Aus der Systemtheorie wurde der Mensch erstmals mit seiner ganzen Vielfalt angesehen.

Der systemische Ansatz spricht hier von dem Menschen als System in unterschiedlichen Kontexten in denen er sich umgibt und erfasst dabei die geistige, physische wie psychische Individualität des einzelnen Menschen.3

Das Enneagramm kann diese Individualität fördern, in dem es einen Zugang zu den menschlichen Charaktertendenzen schafft und versucht bestimmte Verhaltensweisen aufzuzeigen, damit der Mensch um seine Stärken und Schwächen versteht4 und die Einladung erhält an sich zu arbeiten.5

Das Enneagramm dienst als diagnostisches Instrument und zur Ressourcenstärkung des Einzelnen.6

Das Enneagramm

Das Enneagramm handelt von neun Persönlichkeitsstrukturen, die in einem Modell abgebildet werden.

Ennea bedeutet: Neun und Gram bedeutet: Figur.

Das grafisch dargestellte Modell besteht dabei aus einem Sechszack und einem Dreieck. Die Zahlen, die den jeweiligen Persönlichkeitsstrukturen zugeordnet werden sind kreisförmig, im Uhrzeigersinn beginnend, von EINS bis NEUN, angeordnet.7

Abbildung 1: Coaching mit dem Enneagramm8

Im Kontext anderer Bücher wird oft von Enneagramm-Typen gesprochen, hier wird bewusst von Strukturen geredet, um zu verdeutlichen, dass es einzig und allein um die strukturelle Grundlage der Persönlichkeit geht und nicht jemandem wie im „Schubladen-Denken“ einen festgelegten Typ oder eine Typisierung zu verpassen.

Das Enneagramm-Modell verfügt über drei Zentren der Wahrnehmung und Aufmerksamkeit. Der Bauch, das Herz, der Kopf.

Jeder Mensch verfügt über ein Primärzentrum, das (s)eine zentrale Rolle für ihn spielt, mit dem er die meiste Verankerung spürt.

Die anderen zwei Zentren folgen nachgeordnet. Sie sind ebenso wichtig für den Menschen, nur nicht Ausgangspunkt für das „Betriebssystem“ der Struktur.

Bestimmte Redewendungen wie „mein Herz springt vor Freude“ oder „das fühlt sich im Bauch nicht gut an“ oder „zu viel Denken macht Kopfweh“ beschreiben eine Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche und sind Teil unseres Sprachgebrauchs geworden.

Allein die Differenzierung dieser Wahrnehmung eines Menschen lohnt sich schon sehr, sich genauer mit dem Enneagramm zu beschäftigen. 9

Der Bauch stellt entwicklungsgeschichtlich das älteste und instinkthafteste Zentrum dar. Hier spielt sich alles um das eigene Territorium, der Kampf ums Überleben und den Raum, den sich jedes Tier sichert ab.

Unbewusste Entscheidungenkriterien werden hier „aus dem Bauch heraus“ gefällt.

Das Herz steht für das Thema Kontakt und Beziehung. Die eigene Wahrnehmung steht hier im Vordergrund, ist einem jemand schnell sympathisch oder eher unsympathisch.

Der Kopf ist als Zentrum der Wahrnehmung sehr präsent. Hier entstehen Gedanken, die einen Ausgangspunkt und eine Orientierung zu rationalen Überlegungen geben können. 10

Wie schon in Abbildung 1 erkennbar repräsentieren die Strukturen 8,9,1 die Menschen mit dem Primärzentrum Bauch. Die Strukturen 2,3,4 zeigen das Herz und 5,6,7 stellen die eher kopflastigen Menschen dar.

Die Strukturen 9,3 und 6 bilden im Enneagramm ein inneres Dreieck, dass Triade genannt wird.

Die Triade zeigt die drei menschlichen Bedürfnisse auf:

1. Sicherheit angesiedelt an die Struktur 6, den Kopfmenschen
2. Autonomie angesiedelt an die Struktur 9, den Bauchmenschen und
3. Beziehungen angesiedelt an die Struktur 3, den Herzmenschen11

Einblicke in die Enneagramm-Strukturen

Zur Darstellung der Verhaltensweisen und zur Bestimmung der Struktur sockelt jede einzelne der neun Strukturen auf vier Säulen, die alle repräsentiert sein müssen, um eine Enneagramm-Struktur sicher zu erkennen und zu bestimmen.

Die Säulen wachsen aus dem Boden der Primärenergie, unsere primäre Verankerung zu Gefühlen, und dem dazugehörigen Grundthema.

Eine Säule stellt das Lebensthema dar, dass sich wie ein roter Faden durch die anderen drei Säulen zieht und mal stärker und mal schwächer erkennbar ist.

Die zweite Säule bildet das Grundbedürfnis in den Strukturen. Dieses natürliche Bedürfnis hilft der Festlegung der Triade einer Struktur.

Die dritte Säule zeigt sich in der Grundangst eines Menschen. Diese Angst ist die schlimmste und schmerzlichste Erfahrung eines Menschen.

Das Lebensthema sowie die Grundangst können dabei entweder stark ausgeprägt oder sogar ständig vermieden werden

Die Abwehr bildet die vierte Säule. Sie stellt sicher, dass die Strukturen in ihrer Funktion erhalten bleiben und wird als Sicherung für die Psyche benutzt.

Je nach Triade:

Bauch, Herz, Kopf äußert sich die Grundangst als Aggregatzustand Angriff, Flucht oder Erstarrung.

Das Grundbedürfnis und die Grundangst können aus diesem Kontext heraus als Gegenspieler gesehen werden.12


als PDF weiterlesen


1 Deutsche Bibelgesellschaft. Übersetzer: Luther, M. (2013). S. 4.
2 vgl. Anzenbacher, A. (1998). Christliche Sozialethik. Paderborn, München, Wien, Zürich: Schöningh. S.179 ff.
3 vgl. Unterlagen von INKONSTELLATION zur systemischen Coaching Ausbildung. S.8.
4 vgl. Rohr. R. & Ebert, A. (2019). Das Enneagramm, Die 9 Gesichter der Seele. München: Claudius Verlag. S.18.
5 eigene Wort in Schrift gefasst.
6 vgl. von Witzleben, G. (2014). Das systemische Ennegramm, Der Einsatz des Strukturmodells in Coaching und Therapie. Bielefeld: tao.de in J. Kamphausen Mediengruppe GmbH. S.13.
7 vgl. ebd. von Witzleben, G. (2014). S.181.
8 Abbildung 1: TIMO. (2018). Coaching mit dem Enneagramm. URL: Coaching mit dem Enneagramm | Welcher Typ bin ich? (lifecoach-muenchen.de) [07.03.2022]
9 vgl. ebd. von Witzleben, G 2014). S.13.
10 vgl. ebd. von Witzleben, G. (2014). S.19 f.
11 vgl. ebd. von Witzleben, G. (2014). S.23.
12 vgl. ebd. von Witzleben; G. (2014). S.23.