Achtsamkeit – Epigenetik und Coaching

Einfluss achtsamkeitsbasierter Interventionen
und Wirksamkeit im Coaching-Prozess

Abschlussarbeit von Viola Bornmann, als PDF lesen


Einleitung

“The Buddha taught followers how to end suffering (ie, dukkha) and to rise above the inevitable experience of illness, aging, and death.

A positive or even neutral mindset (ie, sukha) is the prescription to overcome suffering.”1

Die Lehre Buddhas scheint auch heute nicht an Relevanz zu verlieren. Ganz im Gegenteil: Insbesondere durch die Covid-19 Pandemie seit 2020 ist der Bedarf an Möglichkeiten, Resilienz zu fördern und die Psyche positiv zu beeinflussen enorm gestiegen (United Nations, 2020). Achtsamkeitsbasierte Techniken erfahren dabei immer mehr Popularität.

Mit den Untersuchungen der zugrundeliegenden Mechanismen kann die Lücke zwischen den positiven Auswirkungen und dem Wissen über die zugrundeliegenden Faktoren immer weiter geschlossen werden.

Seit Langem wird angenommen, dass Achtsamkeitspraktiken das Wohlbefinden fördern, indem sie durch die Abwesenheit von sich wiederholenden Gedanken und Bildern und emotionalen Schwankungen in einen Zustand der inneren Ruhe und Entspannung führen2.

Obwohl achtsamkeitsbasierte Techniken auf unterschiedliche Weise den Körper beanspruchen, scheinen sie durchweg positive Effekte aufzuweisen, sowohl bei gesunden Menschen als auch im Zusammenhang mit psychischen oder körperlichen Erkrankungen.

Sie können:

• sich positiv auf die Wahrnehmung von Stress auf auswirken,

• verschaffen Linderung bei Depressionen,

• verringern Ängste 3

• und unterstützen auf mentaler Ebene beim Umgang mit chronischen Krankheiten 4.

Alle verfolgen das gemeinsame Ziel, einen Zustand der geistigen Stille zu erreichen, der sich positiv auf die Gesundheit auswirkt 5.

Da die positiven Ergebnisse von achtsamkeitsbasierten Interventionen auf physiologischen und biochemischen Prozessen beruhen, gab es in den letzten Jahren wachsendes Interesse, die molekularen und epigenetischen Mechanismen zu untersuchen, welche durch die Achtsamkeitspraktiken beeinflusst werden5.

Der Begriff Epigenetik bezeichnet vererbbare Veränderungen der Genexpression, welche nicht selbst in der DNA-Sequenz kodiert sind.

Inzwischen weiß man, dass Lebensstilfaktoren und Umweltfaktoren die Epigenetik der DNA modifizieren können 6 . In den letzten Jahren konnten schon zahlreiche Beweise gesammelt werden, dass die achtsamkeitsbasierten Interventionen einen heilenden Effekt haben.

Die Forschung zum Zusammenhang von Achtsamkeit und Epigenetik ist notwendig, um die zugrundeliegenden Biomarker für die Effekte von achtsamkeitsbasierten Interventionen zu identifizieren, so dass ihr Potenzial bestmöglich ausgeschöpft werden kann.

Weitere Untersuchungsergebnisse bieten die Chance, Coaching- und Therapieformen mit den vielversprechenden Achtsamkeitspraktiken zu ergänzen und zu erweitern.

Bis jetzt konnte schon eine beträchtliche Anzahl von Studien bestätigen, dass achtsamkeitsbasierte Interventionen positive Auswirkungen auf Alterungsprozesse und Symptome im Zusammenhang mit Stress und Entzündungskrankheiten, sowie anderen psychischen und körperlichen Erkrankungen haben 7.

Auch im systemischen Coaching gewinnen Achtsamkeitstechniken immer mehr an Popularität. Denn „der Einsatz von Achtsamkeitsstrategien fördert nicht nur die Fokussierung auf den Coachingprozess, sondern kann auch zur Bearbeitung bestimmter Fragestellungen des Klienten, wie zum Beispiel Stressreduktion oder Förderung von WorkLife-Balance, beitragen“ 8.

So können Achtsamkeitstechniken sowohl für den Coachee, als auch den Coach hilfreich sein und den Coaching-Prozess unterstützen Nachfolgend wird zunächst aufgezeigt, in welchem Zusammenhang Coaching und Achtsamkeit stehen und inwieweit Achtsamkeitstechniken für den Coach und Coachee hilfreich sein können. Danach werden die theoretischen Hintergründe erläutert, in Bezug auf die Wirkung achtsamkeitsbasierter Interventionen. Es wird der Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und biologischen Prozessen aufgezeigt und dargestellt, warum es ein wachsendes Interesse an Forschung zu achtsamkeitsbasierten Interventionen und in jüngerer Vergangenheit auch im Zusammenhang mit epigenetischen Prozessen gibt.

Im Anschluss daran folgt ein kurzer theoretischer Überblick über epigenetische Prozesse. Außerdem werden die achtsamkeitsbasierten Techniken erläutert, die in den verwendeten Studien als Intervention eingesetzt wurden. Im Anschluss werden die Studien, nach ihrem verwendeten Studiendesign geordnet und jede Studie kurz zusammengefasst vorgestellt.

Danach werden die Ergebnisse bezüglich der Haupteffekte auf Stressregulierung, Entzündungsreaktionen und Alterungsprozesse dargestellt und erläutert. Es werden Limitationen der Studien und innerhalb des Reviews aufgezeigt und dadurch einen Ausblick auf weitere Forschung gegeben. Ebenso werden die Achtsamkeitstechniken im Coaching-Kontext beleuchtet und dargestellt, bei welchen Themenbereichen Achtsamkeitstechniken unterstützend angewandt werden können.

In einem abschließenden Fazit werden die Chancen aufgezeigt, die sich durch weitere Forschung im Zusammenhang von achtsamkeitsbasierten Interventionen und epigenetischen Prozessen in Bezug auf den Einsatz von Achtsamkeitstechniken in Coaching und Therapie-Programmen bieten.

Achtsamkeit im Coaching

„Kernelement achtsamen Verhaltens ist es, seine Aufmerksamkeit und Haltung so zu regulieren, dass man unvoreingenommen im Hier und Jetzt sein kann.“9

Diese Kernaussage über achtsames Verhalten kann sowohl für den Coach als auch für den Coachee hilfreich sein. Grundsätzlich bedeutet Achtsamkeit für Coach und Coachee, dass sie der Sitzung die volle Aufmerksamkeit im Moment widmen, was einen offenen und empathischen Prozess unterstützt.

Bezogen auf den Coach können Achtsamkeitstechniken helfen, dem Coachee die volle Aufmerksamkeit schenken. Ebenso kann Achtsamkeit dazu beitragen, Emotionen zu regulieren, empathisch zu reagieren, sowie sich selbst zu reflektieren. Sollten Gedanken während einer Sitzung abschweifen, können achtsamkeitsbasierte Techniken helfen, diese wieder zurückzulenken. Als emotionsregulatorisches Mittel kann Achtsamkeit sowohl vor als auch während der Sitzung wirksam sein.

In Vorbereitung der Sitzung kann Achtsamkeit dazu beitragen, eigene Emotionen loszulassen. Innerhalb der Sitzung kann sie dazu beitragen einen gewissen Abstand zu den eigenen Emotionen und denen des Coachees einzuhalten. Dies ermöglicht es, handlungsfähig zu bleiben und ressourcen- und lösungsorientiert zu handeln. Die Bewusstwerdung der eigenen Emotionen hilft dem Coach außerdem, dass er sich authentisch zeigen kann. Diese Fokussierung der Aufmerksamkeit auf den Coachee gibt dem Coach die Möglichkeit sich empathisch in das Anliegen des Coachees hineinzuversetzen und dessen Perspektive besser zu verstehen.

Auch die Selbsteinsicht in eigenes Verhalten wird durch Achtsamkeit gefördert. Dabei unterstützt eine achtsame Haltung, dem Coachee unvoreingenommen, wertfrei und positiv zu begegnen. Achtsamkeit hilft auch, dass eine Metaperspektive eingenommen werden kann. Diese kann zum Beispiel dazu verhelfen, sich von dem Impuls, einen Rat geben wollen, zu befreien.

als PDF (weiter)lesen


Quellen bis hierher

1 Househam, Peterson & Chopra , 2018, S. 11
2 Ben-Soussan et al., nach Venditti et al., 2020
3 Strauss, Cavanagh, Oliver & Pettman, 2014
4 Buric, Farias, Jong, Mee, & Brazil, 2017
5 Venditti et al., 2020
6 Ammerpohl, 2013
7 Abbott & Lavretsky, Bower et al., Chételat et al., nach Venditti et al., 2020
8 Schmidt, 2016, S. 23
9 Bosch & Michel 2018, S.25