Gewaltfreie Kommunikation nach M. B. Rosenberg

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Die Antwort auf die Frage nach der Ursache von Gewalt liegt in der Art und Weise,wie wir gelernt haben zu denken, zu kommunizieren und mit Macht umzugehen.

Marshall B. Rosenberg

Einleitung

Das Kommunikationsmodell der Gewaltfreien Kommunikation wurde in den 60er Jahren vom Psychologen und international anerkannten Friedens- und Konfliktmediator Marshall B. Rosenberg (1934 – 2015) entwickelt.

Basierend auf den Fragenstellungen, was einige Menschen dazu bewegt, zum Wohlergehen aller beizutragen (bspw. Gandhi) und andererseits andere Menschen davon abhält, forschte er nach Möglichkeiten der friedvollen Kommunikation und verbreitete seine Erkenntnisse in Trainings zur „Gewaltfreien Kommunikation“ über den Globus.

Das Unbewusste in der Kommunikation

In der zwischenmenschlichen Kommunikation spielt sich nur ca. 1/8 in Form von Zahlen, Daten, Fakten auf der Sachebene ab.

Der Rest sind nicht klar benannte „Begleiterscheinungen“, wie z.B. Befürchtungen, Stimmungen, Ängste und Erwartungen im Umgang miteinander, die im Verborgenen bleiben, aber wesentlicher Teil der Kommunikation miteinander sind (psychosoziale Ebene).

Rosenberg sah im Umgang mit diesen unbewussten Kommunikationsanteilen die Ursache für Konflikte.

Nach seiner Ansicht neigen wir dazu, statt Klarheit zu schaffen, durch verschiedene konfliktfördernde Verhaltensweisen auf diese verborgenen Anteile zu reagieren – bspw. durch:

● Interpretation/Wertung

● Vorannahmen/Urteile

● Strategien/Manipulation, um ein gewünschtes Ziel zu erreichen

● …

Rosenberg bezeichnete diese eskalationsfördernden Verhaltensweisen als „Wolfssprache“ und verstand den Wolf als Sinnbild eines Systems von Über- bzw. Unterordnung. Weitere Kennzeichen dieser Art der Kommunikation sind:

● Kritik

● Bestrafung

● Belohnung

● Forderungen

Auch Lob und Komplimente stellten für Rosenberg Stilmittel der Wolfssprache dar.

Dies begründete er damit, dass beide voraussetzen, dass es Menschen gibt, die wissen, was gut oder richtig ist und aus dieser erhöhten Position heraus Urteile fällen können.

Eskalation in der Kommunikation

Rosenberg ging von zwei Grundannahmen aus:

1. alles, was ein Mensch sagt, tut oder lässt, ist ein Versuch, seine wie auch immer gearteten Bedürfnisse zu erfüllen,

2. die Kommunikation des Gegenübers lässt ein positives oder negatives Gefühl entstehen, abhängig davon, ob das gerade vorherrschende Bedürfnis erfüllt oder nicht erfüllt wird.

Wie oben dargestellt gibt es in der zwischenmenschlichen Kommunikation ein deutliches Missverhältnis zwischen dem, was zu Tage tritt und den häufig verborgen bleibenden Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen der Gesprächspartner.

In der Folge kommt es im Gespräch auf einer Seite mitunter voreilig zu Vorwürfen o.ä. (bspw. durch Interpretation, Urteile und Vorannahmen), weil ein negatives Gefühl entstanden ist, für das wir gerne unser Gegenüber verantwortlich machen.

Das negative Gefühl wiederum resultiert daraus, dass der empfangende Gesprächspartner sein momentan vorherrschendes Bedürfnis nicht erfüllt sieht.

Dieses Vorgehen wiederum veranlasst auf der Gegenseite zu einem Abwehrverhalten/Gegenangriff.

Das Potential ist groß, dass es nun zu gegenseitigen Schuldzuweisungen bzw. einem handfesten Streit kommt.

Beispiel für eine mögliche Gesprächssituation:
Ein Paar (A und B) hat sich für eine bestimmte Zeit verabredet und A ist zur ausgemachten Zeit an Ort und Stelle, während B 30 Minuten auf sich warten lässt, was bereits schon öfter vorgekommen ist.

Während Person A wartet, laufen bei ihr nach und nach verschiedene Gedanken ab und negative Gefühle machen sich breit. Als B schließlich ankommt, münden diese in der gereizten Reaktion:

„Du bist schon wieder viel zu spät. Ich bin deswegen total genervt!“ B verteidigt sich unter Umständen und unter der Annahme gegenseitiger Schuldzuweisungen eskaliert die Situation.

Paradigmenwechsel durch die Gewaltfreie Kommunikation

Rosenbergs Kommunikationsmodell hat kooperatives und wertschätzendes Handeln zum Ziel.

Das Modell macht es uns zur Aufgabe, dass wir unser Gegenüber aus der Verantwortung für unsere Gefühle im Verlauf eines Gesprächs entlassen und diese für unsere Bedürfnisse und Gefühle selbst übernehmen.

Das setzt jedoch voraus, dass wir uns unserer Gefühle und Bedürfnisse bewusst sind – diese Übersicht kann bei der Identifizierung helfen.

Wir müssen weiterhin bereit sein, Gefühle und Bedürfnisse mit unserem Gegenüber zu teilen und uns auf ein Gespräch auf Augenhöhe einzulassen. In diesem Zusammenhang prägte Rosenberg den Begriff „Giraffensprache“.

Merkmale dieser als Gegenpol zur „Wolfssprache“ sind:

●  gegenseitige Akzeptanz

● Win/Win als Ziel

● echt und ehrlich

●  Empathie und Mitgefühl

●  verstehen und verstanden werden

● Verantwortung liegt bei beiden

● Objektive Beschreibung statt Interpretation des Verhaltens

Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

1. Die Situation beobachten und sachlich schildern
(#Zahlen #Daten #Fakten #Kamera)

2. Gefühle identifizieren und ausdrücken

3. Bedürfnis identifizieren und ausdrücken

4. Bitte

Angewendet auf das obige Beispiel könnte eine mögliche Reaktion nun folgendermaßen aussehen:

1. „Du bist eine Stunde später als verabredet und hast mir nicht Bescheid gegeben.“

2. „Ich bin genervt und traurig.“

3. „Ich möchte meine Zeit sinnvoll nutzen und einbezogen werden.“

4. „Kannst Du mir bitte zukünftig vorher Bescheid geben, um wie viel Du Dich verspätest?“

Es geht nicht nur darum, die eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu verbalisieren, sondern ggf. auch unser Gegenüber dabei zu unterstützen – der Flexiblere führt.

Formelhaft betrachtet könnten die vier Schritte so umgesetzt werden:

Beobachtung Wenn ich A sehe, höre, erlebe, Wenn Du A siehst, hörst, erlebst,
Gefühlfühle ich mich B, fühlst Du Dich dann B,
Bedürfnis weil ich C brauche. weil Du C brauchst?
Bitte Bist Du bereit mir D zu geben? Hättest Du jetzt gerne D?

Kritik am Modell und Grenzen

Die am Ende stehende Bitte wird häufig als eine Art moralische Erpressung angesehen. Nach Rosenberg sei es jedoch wichtig, auch ein Nein als Möglichkeit auf eine Bitte akzeptieren zu können.

Darüber hinaus gehe es nicht darum, die Haltung des Anderen zu ändern, sondern eine neue Strategie im Umgang mit den eigenen Interessen zu erproben.

Bedürfnisse sind nicht immer miteinander vereinbar und auch nicht zwangsläufig positiv – exzessives Nichtstun kann in einer Partnerschaft zu negativen Gefühlen beim Gegenüber führen.

In einer solchen Situation ist wertungsfreie Empathie sicher irgendwann nicht mehr möglich.

Aber es geht darum, seine Emotionen verständlich auszudrücken und zwischen Beobachtung & Interpretation zu trennen.

Dem Modell mit seinen vier Schritten haftet etwas lebloses Formelhaftes an.

Dem kann entgegen gehalten werden, dass gemeinsame klare Spielregeln das Miteinander erleichtern und eine dissoziierte Betrachtung der Situation zu einer leichteren Klärung verhilft. Bei häufiger Anwendung ist zudem denkbar, dass die Abfolge nach und nach geschmeidiger klingt.

An seine Grenzen stößt das Modell jedoch, wenn es daran scheitert, seine Gefühle und Bedürfnisse klar zu erkennen oder zu benennen. Gelingt dies zwar, aber eine Person muss häufiger der flexiblere Part sein, kann sich ein auch ungünstiges Ungleichgewicht einstellen, dass sich bestenfalls in absehbarer Zeit ausgleicht.

Schwierig wird die Anwendung zudem in beruflichen Welten, die ähnlich hierarchisch angelegt wie ein Wolfsrudel und durch Über- und Unterordnung funktionieren.

Ein einzelner GfK-Vertreter wird in diesem System keine Chance haben.


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Quellen
https://www.gfk-training.com/ (aufgerufen am 30.01.2019)
https://www.landsiedel-seminare.de/gewaltfreie-kommunikation.html#marshall (aufgerufen am 30.01.2019)
https://www.zeitzuleben.de/gewaltfreie-kommunikation/ (aufgerufen am 30.01.2019)
http://nvc-trainer-akademie.com/2013/04/gewaltfreie-kommunikation-schattenseiten/ (aufgerufen am 30.01.2019)
https://www.youtube.com/watch?v=IhWYxItZ9jc (aufgerufen am 30.01.2019)
Orth, Gottfried & Fritz, Hilde. 2013. Gewaltfreie Kommunikation in der Schule. Paderborn: Junfermann Verlag