Effectuation – eine Einführung

Abschlussarbeit von Sabrina Specken, als PDF lesen


Einführung

Heutzutage leben wir in einer Welt, die sich höchst rasant und dynamisch verändert.

Eintreffende Vorhersagen über die Zukunft sind kaum möglich. Die meisten unserer Denk- und Entscheidungsgewohnheiten beruhen auf kausalen Zusammenhängen.

Diese Vorgehensweise funktioniert bei voraussehbaren und berechenbaren Bedingungen. In Situationen der Ungewissheit bedarf es andere Denkweisen.

Effectuation stellt ein Modell dar, das in neuartigen Entscheidungssituationen trotz höchster Unsicherheit Handlungsspielraum bietet.

Der vorgestellte Ansatz beruht dabei auf den Forschungsergebnissen der Entrepreneuership-Forscherin und Kognitionswissenschaftlerin Saras Sarasvathy.

Grundlage der Forschung bildete die Forschungsfrage:

Wie denken, entscheiden und handeln erfolgreiche Gründer?

Dabei sollte untersucht werden, ob es Elemente gibt, die Entrepreneure über Zeit, Branchen und Regionen hinweg gemeinsam haben. Und folglich, ob daraus ein gemeinsamer lehr-und lernbarer Kern zum Unternehmertum vorliegt.

Sie formulierte deren Denk-Entscheidungs- und Handlungsgewohnheiten in einem Prozess und entwickelte vier Prinzipen.

Diese Erkenntnisse fasste sie unter dem Namen Effectuation zusammen. Die Übersetzung „to effectuate“ mit „bewirken“ hebt die Bedeutung der Gestaltung bei diesem Ansatz hervor.

Zwei Arten zu denken

Im nächsten Kapitel werden zwei verschiedene Arten zu denken vorgestellt. Sie unterscheiden sich in ihrer Ausprägung der Zukunftsprognose, der Zielformulierung und -erreichung sowie der Umweltstabilität.

Linear-kausal

Ausgangslagen mit dem Hintergrund

Wie komme ich am besten von A nach B?

bedienen sich der linear-kausalen Struktur. Dabei soll ein bestimmtes Vorhaben auf möglichst direktem Weg umgesetzt werden.

Bei dieser Denkart sind Chancen und Möglichkeiten potenzieller Wege in unserer Umwelt bereits angelegt und müssen demnach entdeckt und erschlossen werden.

Dies gelingt durch eine gute Positionseinnahme in einer vorhersehbaren und berechenbaren Zukunft.

Die Ausgangslage für kausale Problemlösung basiert meist auf einen unbefriedigten aktuellen Zustand. Um ins kausale Handeln zu kommen, muss zunächst ein bestimmter erwünschenswerter Zustand vorliegen.

Schließlich soll die Lücke zwischen Soll und Ist geschlossen werden. Wichtig für diesen Ansatz ist das Wissen des Ziels, um überlegen zu können, wie man dieses am besten erreichen kann.

Hier wird eine exakte Analyse eingesetzt. Das lineare Grundmuster kann wie folgt beschrieben werden:

Das ideale Feld

Das ideale Feld für kausales Denken sollte folgende Bedingungen erfüllen:

• planbare Zukunft

Es müssen verlässliche Prognosen der Zukunft möglich sein. Auf Basis des Wissens über die Vergangenheit können gute Voraussagen über das Umfeld und die Entwicklung eines Vorhabens getroffen werden.

• fixe Ziele

Das Ziel sollte klar sein. Voraussetzung ist, zu wissen, wohin es gehen soll.

• stabile Umwelt

Die Umwelt ist unabhängig von dem, was wir und andere Akteure tun.

Effectuation

Effectuation beschäftigt sich mit der Frage:

Wie komme ich am besten von A nach X?

Denn unter Ungewissheit lässt sich das Ende einer Reise nicht mit Sicherheit vorhersagen.

Nach Effectuators wird die Zukunft nicht vorhergesagt, sondern durch das eigene Handeln geformt.

Die Dynamik der Umwelt spielt hierbei eine wichtige Rolle, denn auch andere Akteure gestalten die Zukunft mit. Folglich sollte möglichst frühzeitig mit anderen Akteuren kommuniziert und verhandelt werden.

Effectuation zeigt Werkzeuge mit denen in Ungewissheit Neues – das noch nicht bekannte „X“ – geschaffen werden kann. Man weiß demnach vorher noch nicht zwingend, wo man hin will.

Der persönliche Ausgangspunkt ist entscheidend.

Zu wissen, wer ich bin, was ich weiß und kann und wen ich kenne. Dieses Wissen bezeichnet die Mittel, die für Effectuation nützlich sind. Es geht dabei um Wirkungen und Ergebnisse, die mit den eigenen Mitteln erzielt werden können.

Ins Handeln kommen heißt, andere von den eigenen Zukunftsvorstellungen zu erzählen und ebenso Zukunftsvorstellungen von anderen einzuholen.

Möglich sind Vereinbarungen, in denen Zeit, Energie, Geld und andere Einsätze festgehalten werden. Durch jede Vereinbarung werden die eigenen Mittel erweitert und das Ziel wird klarer.

Aus dem zuvor unbekannten „X“ wird ein bekanntes „B“.

Effectuation betont das ständige Wechselspiel von Denken und Handeln.

Der Schwerpunkt liegt auf dem Handeln.

Das ideale Feld

Dort wo, Effectuation optimal wirkt, stößt kausales Denken an seine Grenzen.

Das ideale Feld basiert auf:

• ungewisse Zukunft

Die Basis für eine gültige Prognose der Zukunft fehlt. Die Vergangenheit lässt sich nicht auf die Zukunft übertragen. Dieser Schritt wäre kein sinnvolles Instrument.

• verhandelbare Ziele

Es gibt keine Leitplanken für den zu gehenden Weg oder das Ziel. Man trifft andere Akteure, die ebenfalls auf dem Weg sind und kreiert, verhandelt und vereinbart gemeinsam Ziele.

• gestaltbare Umwelt

Die Umwelt zeigt Formbarkeit. Sie ist abhängig davon, was einzelne Akteure machen. Durch eigene und Handlungen anderer Akteure lässt sich die Umwelt verändern. Chancen können demnach kreiert werden.

Die vier Prinzipien von Effectuation

Im folgenden Abschnitt werden die vier von Saras Sarasvathy entwickelten Prinzipien von Effectuation vorgestellt.

Das Prinzip der Mittelorientierung

Es wird überlegt, was unmittelbar verfügbar ist und welche Ergebnisse daraus erzielt werden können.

Die daraus möglichen Ziele verändern sich abhängig von den verfügbaren Mitteln. Die Mittel geben vor, welche Ziele überhaupt in Erwägung gezogen werden können und werden laufend aktualisiert.

Bei der Mittelorientierung gibt es keinen Tunnelblick, d.h.

die Aufmerksamkeit ist auf Veränderungen im gesamten Blickfeld gerichtet.

Dabei werden drei Kategorien von Mitteln unterschieden:

▪ wer ich bin

Hier handelt es sich um die Identität, Werte, Charakter, Vorlieben und Kultur.

Zu wissen wer man ist bietet starke Vorteile in Entscheidungssituationen, denn die Identität dient als Maßstab. Hierbei sind verschiedene Rollen zu bedenken.

Diese Ist-Analyse der eigenen Person kann stichwortartig geschehen. Dabei sollten Erlebnisse aus unterschiedlichen Lebensbereichen herangezogen werden.

▪ was ich weiß

Dieser Bereich zielt auf den persönlichen, subjektiven Wissenskorridor eines Akteurs ab.

Hierzu zählen Wissen, Fertigkeiten und Erfahrungen sowie die schulische Bildung oder Berufsausbildung. Der Kontext, in dem das Wissen gefragt wird, ist entscheidend.

▪ wen ich kenne

Effectuators involvieren frühzeitig ihr Netzwerk, denn das Gelingen eigener Vorhaben baut oft auf andere Personen.

Zum Netzwerk können Bekannte, Kollegen, Mitarbeiter, Kunden, Familie, Freunde usw. gezählt werden.

Effectuators sind auf der Suche nach Menschen, die bereit sind, mit zu wirken, d.h. jeweils die eigenen Mittel beispielsweise in Form von Wissen, Fähigkeiten oder Kontakten zur Verfügung zu stellen. Aus guten Beziehungen kann gemeinsames Handeln erfolgen.


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