Begegnung mit dem Menschen im NLP

Das Beispiel von Virginia Satir

Abschlussarbeit von Laurence Changeat, als PDF lesen


Wer ist Virginia Satir?

Virginia Satir gilt als „Mutter der Familientherapie“ und als „Meisterin der Kommunikation“.

Am 26. Juni 1916 erblickt Virginia Satir in Neillsville, Wisconsin USA das Licht der Welt. Sie verbringt Ihre Kindheit auf einem Bauernhof. In dieser Zeit lernt sie die Natur wertzuschätzen. Darüber hinaus entwickelt sie eine ausgeprägte Hochachtung vor dem Wunder des Lebens. Ihre jugendlichen Erfahrungen hinterlassen starke Spuren in ihrem späteren Leben.

Die Ehe ihrer Eltern ist von Spannungen und Konflikten geprägt. Diese Konflikte wurden den Kindern gegenüber nie offen ausgesprochen. Die Kinder nahmen aber die Spannungen wahr. Virginia Satir war nach einer Mittelohrentzündung zwei Jahre lang taub.

Selber erzählt sie

Als ich fünf war, beschloss ich, wenn ich einmal groß wäre,Familiendetektiv für Kinder zu werden.

und weiter:

„Ich wusste zwar noch nicht genau, was ich herausfinden wollte, aber mir war klar, dass in Familien vieles im Verborgenen vor sich geht.“ (Virginia Satir, 2004, S.15)

Neben Ihrem Beruf als Lehrerin absolviert sie eine psychoanalytische Ausbildung und graduiert im Fach Sozialarbeit. Anschließend eröffnet sie ihre Privatpraxis.

Damals war die Regel, mit Patienten nur in Einzelsitzungen zu arbeiten. Im Laufe der Sitzungen entdeckte aber Virginia Satir die Wichtigkeit der Zusammenhänge in der Familie. Sie fing dann an, die Mutter, den Vater, den Bruder und die Schwester zu den Sitzungen einzuladen.

Ab 1955 machte sich Virginia Satir stark für eine Arbeit mit der ganzen Familie und nicht nur mit dem einzelnen Klienten allein. Nun gilt Virginia Satir als „Pionierin der Familientherapie“.

Sie arbeitet oft mit Personen, mit denen kein anderer Therapeut arbeiten wollte oder mit Personen, die nach stundenlanger Therapie noch nicht aus Ihrem Dilemma herausgekommen waren. Virginia

Satir arbeitet auch in Staatlichen Krankenhäusern mit Menschen von der Straße. Es war ihr wichtig, mit Menschen ohne Hoffnung zu arbeiten. Ihre Praxis läuft sehr erfolgreich. Ihre außergewöhnliche Fähigkeit, mit den schwierigsten Menschen zu arbeiten, wird von vielen geschätzt.

Ab 1962 unterrichtet sie in dem Mental Research Institute das erste offizielle Familientherapie-Trainingsprogramm der USA. Von da an erhält Virginia Satir auch Möglichkeiten, mit Meditation und Körperarbeit zu therapieren, sowie darauf aufbauend neue Ideen und Methoden zu entwickeln.

Ihre Begegnungen mit Moshe Feldenkrais, Jakob L. Moreno und Alexander Lowen ergeben eine gegenseitige Bereicherung der Arbeiten aller Beteiligten.

Die Bekanntheit Ihrer besonderen Unterrichts- und Trainingsmethoden wuchs stetig. Sie wurde häufiger als Trainerin in aller Welt nachgefragt. Sie zeigte sich als eine Meisterin der Kommunikation. Ihre Art, Kontakte mit anderen Menschen aufzubauen, war einzigartig. Sie veröffentlichte ihre Erfahrungen in Aufsätzen und Büchern.

Virginia Satir Grundhaltung war: Respekt vor dem Leben und vor dem Potential jedes Menschen. Virginia Satir beschreibt es mit:

I want you to get excited about who you are, what you are, what you have, and what can still be for you. I want to inspire you to see, that you can go far beyond where you are right now.

Virginia Satir als ein Vorbild für NLP

Das Erfolgsgeheimnis von Virginia Satir in ihrer Begegnung mit Menschen war: Sie nahm die Menschen ernst.

Sie verstand, eine solide Vertrauensbasis aufzubauen sowie Verbindungen zu schaffen, die Veränderungsprozesse ermöglichten. Sie war stets gutgelaunt und brachte selbst schwierige Therapie- und Seminarsitzungen mit einer natürlichen Leichtigkeit zu einem Ergebnis.

Dabei arbeitete sie auch mit Menschen, die als unheilbar galten. Virginia Satir half den Menschen, positive Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen.

Virginia Satir betrachte den Menschen auf ihre eigene Weise (Satir, Banmen, Gerber, Gomori: das Satir-Modell, Paderborn 1995, S.33)

Sie entwickelte u.a. folgende Glaubensätze:

    1. Veränderung ist möglich. Wenn eine äußere Veränderung schwierig ist, ist in jedem Fall eine innere Veränderung möglich.
    2. Wir alle verfügen über die inneren Ressourcen, die wir brauchen, um unser Leben erfolgreich zu gestalten und um innerlich wachsen zu können.
    3. Wir verfügen über Wahlmöglichkeiten, besonders wenn es darum geht, in angemessener Weise mit Stress umzugehen, statt einfach nur auf Situationen zu reagieren.
    4. Hoffnung ist ein signifikanter Faktor oder Bestandteil von Veränderung.
    5. Die Menschen treten in Beziehung zueinander auf der Grundlage ihrer Gemeinsamkeiten, und sie wachsen aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit.
    6. Ein Hauptziel jeder Therapie ist, dass wir in die Situation versetzt werden, eigenständig Entscheidungen zu treffen.
    7. Wir alle sind Manifestationen der gleichen Lebenskraft.
    8. Das Problem liegt nicht im Problem als solchem, sondern in der Art des Umgangs mit Schwierigkeiten.
    9. Gefühle sind ein Teil von uns. Wir alle haben sie.
    10. Menschen sind im Grunde ihres Wesens gut. Um mit ihrem Selbstwertgefühl in Verbindung zu sein und dieses zu stärken, müssen sie ihren eigenen inneren Schatz finden.
    11. Ereignisse der Vergangenheit können wir nicht ändern, lediglich die Auswirkungen, die sie auf uns haben.
    12. Menschliche Prozesse sind universell und deshalb in den unterschiedlichsten Zusammenhängen, Kulturen und äußeren Umständen zu finden.
    13. Kongruenz und ein starkes Selbstwertgefühl sind die Hauptziele des Satir-Modells.
    14. Gesunde zwischenmenschliche Beziehungen gründen auf Gleichwertigkeit.

Aus den Glaubensätzen von Virginia Satir wurden zwei Thesen als Grundannahmen des NLP übernommen:

Die Positive Absicht

Jedem Verhalten liegt eine positive Absicht zugrunde.

Das Erkunden und das Erkennen der positiven Absichten, die sich hinter einem primär störenden Verhalten verbergen, verändern im NLP das störende Verhalten. Laut Virginia Satir liegt einem negativen Verhalten stets eine wohlwollende Intention zugrunde (z.B. Schutz, Orientierung, Anerkennung, Liebe).

Änderung beginnt von innen

Die Mittel, die ein Individuum benötigt, um angestrebte Veränderungen zu erreichen, sind bereits im Individuum angelegt.

Virginia Satir geht davon aus, dass Menschen bereits all die Ressourcen in sich tragen, die sie brauchen, um die ihnen bestmögliche Entscheidung bezüglich ihres Verhaltens zu treffen. Ist der Willen zur Verhaltens-Veränderung erst einmal da, sind auch die Fähigkeiten dazu vorhanden.

Doch auch weitere Elemente der Arbeiten von Virginia Satir hatten Einfluss auf die Entwicklung des NLP.

Hierzu gehören z.B. ihre Konzepte zur Therapie und zur Familientherapie, zu körpersprachlicher Kongruenz, zu negativen Kommunikationsformen sowie ihre Erfindung der „Parts Party“, die als „Modul Teile“ im NLP wiederzufinden ist.

Virginia Satirs Leitgedanken als Elemente des NLP

Der Selbstwert

Der Selbstwert einer Person ist in Virginia Satirs Augen der springende Punkt für alle Komponenten ihres geistigen und sozialen Lebens.

Für Virginia Satir ist das Erleben des Selbstwertes die Quelle persönlicher Energie:

Wenn ich ein gutes Gefühl mir selbst gegenüber habe und wenn ich mich selbst mag, habe ich ausgezeichnete Chancen, dem Leben in Würde, Ehrlichkeit, Stärke, Liebe und mit Wirklichkeitssinn entgegentreten zu können.

Dies alles kennzeichnet einen Zustand hoher Selbstachtung.

Virginia Satir erklärt einen Zustand hoher Selbstachtung an folgendem Beispiel:

Ein Mensch mit Selbstachtung sagt nach einem Misserfolg nicht:

Wie dumm ich doch bin! Wie konnte ich so etwas nur tun“.

Stattdessen denkt, fühlt und sagt er:

Ich sollte mich einmal genauer mit der Sache beschäftigen. Vielleicht kann ich aus dem, was passiert ist, etwas lernen.

Diese Haltung hat mit Selbstakzeptanz zu tun.

Die Selbstakzeptanz ermöglicht dem Menschen, seine Gefühle zu analysieren, statt sich selbst und andere zu beurteilen.

Ab diesem Moment wird Vertrauen gewonnen.

Dieses Vertrauen öffnet Türen zu neuen Wahlmöglichkeiten. Von da aus kann eine Beziehung mit anderen Menschen neu aufgebaut werden.


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Quellen

Virginia Satir: Kommunikation, Selbstwert, Kongruenz; Paderborn 2004
Virginia Satir, John Banmen, Jane Gerber, Maria Gomori: Das Satir-Modell, Familientherapie und Ihre Erweiterung; Paderborn 1995
Romina Schell: Das Herz im NLP, Kongruent und empathisch coachen mit Virginia Satir. Die dritte Generation des NLP; Paderborn 2015
1991, auch Andreas, 1994 S.96 ff.
Virginia Satir: Meine vielen Gesichter – Wer bin ich wirklich; München 1988