Persönliche Resilienzfähigkeit stärken

Abschlussarbeit von Jennifer Adam, als PDF lesen


Einleitung

Gerade in der momentanen Corona-Pandemie und deren immer noch anhaltenden Auswirkungen spielt das Thema Resilienz und die Förderung dieser eine zunehmende Bedeutung.

Bereits in der Stressstudie der Technikerkrankenkasse (2016) wurde darüber berichtet, dass

seit 15 Jahren ein Anstieg von stressbedingten Krankschreibungen zu verzeichnen ist

2,5 Tage von 15 Fehltagen pro Kopf und Jahr wurden bereits in der Studie psychischen Beschwerden zugeschrieben. (vgl. Die Techniker 2016: 2)

Aktuellere Daten des statistischen Bundesamtes zeigen noch gravierende Zahlen auf. Krankheitstage durch Burnout-Syndrom sind im Zeitraum von 2004 bis 2017 von 4,6 auf 67 Arbeitsunfähigkeitstage je 1.000 BKK-Mitglieder gestiegen. (vgl. Statista 2020)

Global erkranken 29 Prozent der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens an einer psychischen Störung.

Insbesondere stressassoziierte Erkrankungen weisen eine große Häufigkeit auf. Psychische Erkrankungen und die damit verbundenen Kosten stellen somit eine der bedeutendsten Herausforderungen für unsere Gesundheitssysteme dar.

Durch die immer stärker vernetzte Welt, gesellschaftliche Unsicherheiten und eine ständige Erreichbarkeit durch die Digitalisierung

nehmen die Erholungsphasen immer weiter ab und Stressfaktoren zu. Dementsprechend werden Folgeerkrankungen bedingt durch Stress weiter zunehmen. (vgl. Lieb/ Kunzler 2018: 745)

Gerade aufgrund dessen erhalten Präventionsmaßnahmen und die Gesundheitsförderung global eine immer größer werdende Aufmerksamkeit. 2001 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dies bereits zu einer ihrer zukünftigen Priorität.

In Deutschland wurde 2015 mit dem Präventionsgesetz (PrävG) bereits ein zukunftsweisender Grundstein zu dem Thema gelegt. Die Erforschung von Resilienz stellt eine Grundlage für das Voranbringen der Gesundheitsförderung und Prävention dar. (vgl. Lieb/Kunzler 2018: 745)

Gerade Coaching kann dazu beitragen sich auf eigene Ressourcen zurückzubesinnen und einen Baustein in der Resilienzförderung darstellen. Dementsprechend ist es wichtig, dass (angehende) Coaches sich einmal mit dem Konzept der Resilienz auseinandergesetzt haben und ein grundlegendes Verständnis dessen haben.

Dieses Paper soll dazu beitragen einen solchen Überblick zu verschaffen.

Was ist Resilienz? – eine Begriffsklärung

Der Begriff Resilienz kommt ursprünglich aus dem Lateinischen. Das lateinische Wort „resilire“ lässt sich mit „Zurückspringen“ oder „abprallen“ übersetzen.

Im Deutschen wird mit Resilienz gerne die Widerstandsfähigkeit, Belastbarkeit oder Flexibilität beschrieben1. Auch im Englischen ist das Wort „resilient“ auffindbar.

Das Adjektiv beschreibt, dass ein Material die Eigenschaft besitzt sich nach einer Verformung wieder in seine Ausgangsform zurückzubringen. Dies kann man sich gut wie einen flexiblen kleinen Gummiball vorstellen, der durch Kraft- auswirkung der Hand verformt werden kann, aber nach ablassen des Drucks wieder in seine Ursprungsform zurückspringt.  Der Ausdruck Resilienz beschreibt deshalb sehr gut die

Toleranz eines Systems gegenüber von innen und außen kommenden Störungen
(Hesse/Schrader o.J.: 2)

Ein resilientes System kann dementsprechend gut Störungen ausgleichen oder erdulden. Es kann verformende Einwirkungen bestehen ohne dabei seine ursprüngliche Form zu verlieren.  (vgl. Hesse /Schrader o.J.: 2, Ullmann 2020: 6)

Im psychologischen Kontext2 bedeutet Resilienz das Können des Menschen Ausnahmesituationen im Leben mit Hilfe von persönlichen und sozial gelernten Kompetenzen zu überwinden und diese als Entwicklungsanlass zu nutzen, so die Forscher Welter- Enderlin und Hildebrand. Über diese Definition herausgehend gibt es noch zahlreiche weitere. (vgl. Ullmann 2020: 5,
Hesse/Schrader o.J.: 2)

Die Mehrzahl der Definitionen weisen drei gemeinsame Aspekte auf:

    1. Wiederkehr zu einer vorherigen Balance oder eines Zustandes vor der Einwirkung, als auch die Zunahme der seelischen Belastbarkeit.
    2. Resilienz ist über die Zeit veränderbar und kein starres Merkmal der Persönlichkeit. Prozesse des Lernens verändern diese.
    3. Ein Krisenerleben oder andere Ausnahmesituationen fördern die Entstehung von Resilienz und hilft bei der Bewältigung dieser Zustände. (vgl. Ullmann 2020: 5)

Nachdem nun der Begriff grundlegend definiert wurde, soll im nächsten Abschnitt betrachtet werden, wie die Forschung das Konzept rund um den Resilienzbegriff beschreibt.

Resilienzforschung

Resilienzforschung existiert bereits seit mehreren Jahrzehnten.

In den 1950’er Jahren wurde hauptsächlich die Widerstandsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen betrachtet. Seit mehreren Jahren bekommt der Begriff jedoch eine immer größere Bedeutung in Bezug auf die Bildung von Erwachsenen und der Entwicklung von Organisationen.

Die immer stärker werdende Zunahme von psychosozialen Erkrankungen zeigt immer mehr die Bedeutung mit der Beschäftigung des Resilienzthemas auf. Gerade deshalb sollten sich vermehrt Einzelpersonen und Organisationen mit diesem Thema beschäftigen.

Resilienz stellt einen „dynamischen Prozess“ (Lieb/Kunzler 2018: 745) dar.

Seitdem Resilienz als ein solcher Prozess betrachtet wird, befindet sich auch die Forschung um diesen Begriff im Wandel. Moderne Definitionen des Begriffes werden mit Operationalisierungsvorschlägen und Ideen zur Erfassung der Theorie unterstützt.

Faktoren, die eine zuverlässliche Vorhersage von Resilienz gegenüber Stressfaktoren ermöglichen werden ebenfalls erforscht.
(vgl. Lieb/Kunzler 2018: 746)

Dieses ist wichtig, da die Erforschung der Resilienz ein immense Potential in Bezug auf die Prävention und Gesundheitsförderung darstellt. Eine der wichtigsten Herausforderungen der Forschung ist es die Mechanismen der Resilienz des Gehirns zu verstehen und diese durch geeignete Interventionen formend zu beeinflussen. (vgl. Lieb/Kunzler 2018: 746).

Im Nachfolgenden soll die Konzeptualisierung rund um den Resilienzbegriff genauer betrachtet werden.

Konzept der Resilienz

Die Konzeptualisierung von Resilienz im psychologischen Kontext wurde von der Entwicklungspsychologin Prof. Emmy Werner (1955-1999) entwickelt.

Zusammen mit einem Team aus Kinderärzten, Psychologen, Mitarbeitern des Gesundheitswesens und der sozialen Arbeit untersuchte sie die Auswirkungen von unterschiedlichen biologischen und psychosozialen Faktoren auf die Entwicklung von 698 Kindern.

Diese Kinder waren 1955 auf der hawaiianischen Insel Kauai geboren. Armut und Alkoholismus prägten die Lebensbedingungen der Hawaiianer in den 1950’er Jahren bereits in der zweiten Generation. Die Studie der Forscher erfolgte als Langzeitstudie von der pränatalen Entwicklung bis hin zum 40. Lebensjahr. (vgl. Ullmann 2020: 7)

201 der Studienteilnehmer wuchsen unter besonders prekären Bedingungen auf. Ihre Eltern prägten psychische oder Alkoholsucht bedingte Krankheiten oder sie hatten Familienstreitigkeiten. 72 dieser Kinder gelang es trotz dieser Rahmenbedingungen erfolgreich in der Schule zu sein, eine Familie zu gründen und im sozialen Gemeinschaftsleben eingebunden zu sein.

Sie waren weder arbeitslos, noch brauchten sie staatliche Unterstützung und blickten positiv in die Zukunft. Bei der Studie kam heraus, dass diese Kinder über resiliente Eigenschaften verfügten, die die Auswirkungen der prekären Bedingungen reduzierten.

Zu diesen Eigenschaften zählte Werner:

– Eine durchschnittliche Intelligenz und gute schulische Kompetenzen

– Eine Persönlichkeit, die positiv auf das Umfeld wirkte

– Eine emotionale Bindung an Personen, die die Kinder zu Vertrauen, Selbstständigkeit und Initiative ermutigten

– Ein Verständnis dafür, dass Erfolge selbstverantwortlich herbeigeführt wurden und die Kinder somit nicht passiv auf Ausnahmesituationen reagierten

– Unterstützende Funktionen von außen durch Schulen oder Einrichtungen der Bildung (vgl. Ullmann 2020: 7)

Die Forschung hat jedoch noch weitere resiliente Eigenschaften durch unterschiedliche Forscher und Theorieströme definiert, die in folgender Tabelle verglichen werden:

Reivich /Shatté (2003)Gruhl (2010)Mouriane (2012)Berendt (2013)
Akzeptanz dessen was istAkzeptanzAkzeptieren Sie, dass Veränderungen zum Leben gehören.
OptimismusOptimismusOptimismus– Entwickeln Sie eine positive Sicht auf sich selbst. – Erwarten Sie das Beste.
LösungsorientierungLösungsorientierungKausalanalyseSehen Sie Krisen nicht als unlösbare Probleme
Opferrolle verlassen(Selbstwirksamkeits-überzeugung)Handeln Sie entschlossen
Verantwortung übernehmenVerantwortung übernehmen(Selbstwirksamkeits-überzeugung)– Finden Sie zu sich selbst (lernen Sie über sich selbst). – Sorgen Sie für sich selbst (machen Sie Dinge, an denen Sie Spaß haben).
Soziale Netzwerke aufbauenBeziehung gestaltenEmpathieBauen Sie soziale Kontakte auf.
Zukunft planenZukunft gestalrtenZielorientierung– Versuchen Sie Ziele zu erreichen. – Behalten Sie die Zukunft im Augen.
sich selbst regulierenEmotionsregulation.

Tab1: Vergleich der Resilienz-Faktoren in der Literatur (vgl. Ullmann 2020: 9)


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1 In der deutschen Sprache wurde das Wort Resilienz erst spät populär. Erst nach 1996 wurde das Wort in den Duden aufgenommen. (vgl. Ullmann 2020: 6)
2 Der Resilienzbegriff ist in unterschiedlichen Forschungsgebieten auffindbar. Hierzu zählen: Ingenieurwissenschaften, Materialwissenschaften, Ökosysteme, Rechtswissenschaften, Soziologie. (vgl. Ullmann 2020: 6)