Mentale Wettkampfvorbereitung im Ausdauersport

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Einleitung
In meiner Freizeit bin ich leidenschaftliche Triathletin auf der Mitteldistanz (1900m Schwimmen, 90km Rad und 21km Laufen) und habe schon lange den Wunsch, in einigen Jahren die Volldistanz Ironman (3,8km Schwimmen, 180km Rad und 42 km Laufen) zu meistern.

Der Weltrekord für Profis liegt hier bei 7:35h bei Männern und bei 8:18h bei Frauen. Ein gut trainierter Freizeitsportler benötigt länger, hat demzufolge auch wesentlich mehr Zeit für Gedanken und Gefühle, die während des Wettkampfs auftreten. Diese können ihn sowohl positiv als auch negativ beeinflussen auf dem Weg zum Ziel.

Was macht einen erfolgreichen Sportler aus? Diese Frage wird meist mit Talent, Training, Fitness, Kondition, Taktik, Technik, optimale Ernährung, Disziplin, Siegeswillen beschrieben.
Und der Kopf? Und die mentale Stärke?
Ein Sportler kann noch so fit, gesund, optimal trainiert, perfekt ernährt sein – wenn der Kopf während des Wettkampfs nicht mitspielt, wird er nicht ans Ziel kommen.
Nicht die körperliche Leistungsfähigkeit macht den Unterschied, ein Ironman wird im Kopf entschieden. Diese Auffassung teilen nach Umfragen etwa 90 % aller Triathleten, dennoch beschäftigen sich weniger als 5 % mit dem Thema Mentaltraining.

In meiner Abschlussarbeit betrachte ich eine Methode genauer, die dem Sportler helfen kann, sich mental individuell auf seinen Wettkampf vorzubereiten. Dazu habe ich eine Umfrage in meinem Bekanntenkreis gestartet, welche positiven und negativen Gedanken, Aussagen oder Fragen ihnen während eines Wettkampfs durch den Kopf gehen und welche Gefühle sie ausserdem wahrnehmen. Die verschiedenen Antworten sind auf dem Deckblatt als auch auf der letzten Seite zu finden.
Gleichzeitig habe ich einige Sportler, die sich auf einen Wettkampf vorbereiten interviewt, welche positiven und negativen Erfahrungen sie bereits in vorhergehenden Wettkämpfen gemacht haben und wie sie damit umgegangen sind.
Auf meine Frage, welche Stimmen sie hörten, wenn es in bestimmten Situationen stressig zugeht oder sich die gesteckten Ziele immer weiter in der Ferne verschwinden, kamen meist vergleichbare Antworten wie z.B.:

Warum mach ich das?
Das schaff ich nie.
Ich kann nicht mehr
Die anderen sind viel schneller
Streng dich jetzt mal an

In Kapitel 4 werden zwei kurze Beispiele erläutert.

Eine sehr praxisrelevante sportpsychologische Methode beschäftigt sich im ersten Schritt genau mit dieser Frage: Wie viele Stimmen sind dir bewusst? Interessant ist, dass sich viele Sportler gar nicht bewusst sind, dass sie bereits mit einigen ihrer inneren Stimmen gearbeitet haben. Darauf aufbauend lässt sich mit ein wenig Übung schnell identifizieren, welche inneren Gespräche helfen und den Sportler näher zum Ziel bringen.
Dieses «Innere Team» (ein Persönlichkeitsmodell von Friedemann Schulz von Thun) wird nun in der Theorie erläutert, so dass es als Methode für die optimale Wettkampfvorbereitung regelmässig ins Training integriert werden kann. Während des Wettkampfs kann es zu einem nützlichen Tool werden, damit der Sportler in herausfordernden Situationen selbstwirksam bleibt.

Die Methode «Das Innere Team»

Das „Innere Team“ von Friedemann Schultz von Thun symbolisiert die Vielfalt des menschlichen Innenlebens durch ein Team und seinen Chef.

Schulz von Thun betrachtet hierbei den Menschen als nach Selbstverwirklichung strebendes Geschöpf, welches sich gemäss seinen Möglichkeiten entwickelt und entfaltet (humanistischsystemisches Menschenbild). Das heisst, der Mensch ist somit zugleich Teil des Ganzen (der Mensch im System) und selbst ein Ganzer (der Mensch als System). Den Menschen als System zu verstehen (Inneres Team) und ihm zu seinem Wachstum zu verhelfen gilt genauso, wie den Menschen als Teil eines Systems zu begreifen, zu dessen Gelingen er beitragen will und soll.

Jeder Mensch hat auf Basis seiner Persönlichkeit, seiner Erziehung und Sozialisation verschiedene Stimmen in sich

die sich je nach Kontext und Stimmung in unterschiedlicher Lautstärke melden und sich in ihrer Meinung ergänzen oder widersprechen können. Diese Stimmen, Aussagen oder Vorschläge werden durch verschiedene Mitglieder des Inneren Teams metaphorisch zum Ausdruck gebracht. Sie agieren miteinander, gegeneinander, verbünden sich, verschwören sich und was der eine will, kann der andere manchmal überhaupt nicht leiden.

Um Entscheidungen treffen zu können, muss der Mensch aus dem Mit- und Gegeneinander der Aussagen der verschiedenen Teammitglieder, die die jeweilige Situation hervorruft, eine Lösung herausarbeiten. Dies gelingt nur mit einem Teamleiter, der von Schulz von Thun als „Oberhaupt“ betitelt wird.

Der Mensch selbst übernimmt die Rolle des Teamleiters und versetzt sich in eine Meta-Perspektive. Er hat nun die Aufgabe, zusammen mit den Teammitgliedern die bestmögliche Entscheidung herbeizuführen.

Im konkreten Fall des Sportlers, der optimal durchs Ziel gelangen möchte, ist jedes „Mitglied“ des Inneren Teams einer der diversen Antriebe und bezweckt im Grunde etwas Gutes. Aber wenn die Stimme eines oder mehrerer Mitglieder nicht berücksichtigt werden, kann es sein, dass sie Überhand gewinnen und nicht unbedingt zielführend Einfluss auf das Geschehen im Wettkampf nehmen.

Der Sportler kann nun versuchen, auf jede Stimme zu hören und sie als Oberhaupt seiner „inneren Teamversammlung“ kooperierend zusammenzubringen – mit dem Ziel, selbst zu entscheiden, welche Handlungsweise gerade sinnvoll ist.

Es gibt unterschiedliche innere Stimmen (Persönlichkeitsanteile), die die Sportler zur Teilnahme an Wettkämpfe anspornen. Sich diese Anteile im Vorfelde bewusst zu machen kann in einer Wettkampfsituation helfen. Wichtig es ist, dass der Sportler als Teamleiter all diesen Stimmen zuhört, sie einsortiert und miteinander in Einklang bringt und sich so zu einer authentischen, vertretbaren Entscheidung und Handlung verhilft. Das Unterdrücken einer Stimme, die eventuell nicht so angenehm ist, führt nur zu weiteren Teamkonflikten. Sie lassen sich nicht zu Schweigen bringen. Es gilt also diese

Konflikte wahrzunehmen und zu lösen.

Zum Beispiel eine Stimme, die Spaß möchte («die Genießerin»), oder eine, die an die Grenze gehen will («die Grenzgängerin»). Fast immer mit dabei ist «der Sicherheitsinspektor» oder der «Gesundheitsbeauftragte», der die wichtige Aufgabe hat, vor gefährlichen oder ungesunden Situationen zu warnen.
Zudem können sich weitere Anteile, wie etwa „die Unsichere“ oder „der Zweifler“, „die Vergleicherin“ und „die Disziplinierte“ melden, die den Spaß und die Freude am Wettkampf erschweren, wenn sie zu laut werden. Dennoch sollten alle inneren Stimmen ernst genommen werden, da sie anzeigen können, was der Sportler gerade braucht.

Darüber hinaus kann eine solche innere Selbstklärung helfen, viele am Selbstwert oder an der Motivation nagende Situationen zu lösen und zu vermeiden. So könnte der Sicherheitsinspektor wollen, dass der Sportler sein Leben sicher, gesund und selbstbestimmt meistert. Zu seiner Beruhigung könnte sich der Sportler zum Beispiel die Wettkampfstrecke vor dem Wettkampf ansehen und gegebenenfalls abfahren und checken, welche objektiven Gefahren es gibt und wo mögliche Schlüsselstellen sein könnten.

Wie sollte der Sportler nun vorgehen, um sein inneres Team aufzustellen?

Zunächst wird die theoretische Vorgehensweise erörtert und danach anhand eines konkreten Beispiels beschreiben.

Identifikation der einzelnen Teammitglieder

Wen gibt es?
Jedes Teammitglied hat eine Botschaft.
Diese wird notiert, z.B. Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, Werthaltungen, Normen und entsprechende Befehle an sich selbst.

Wie heißen sie (vorläufige Namen)?
Zusätzliche Symbole (Bilder) können helfen den Wesensgehalt eines Mitglieds genauer zu
bestimmen.

Was haben sie zu sagen, wofür stehen sie (Botschaft)?
Welche positive Absicht verfolgen die Teammitglieder, auch die momentan vielleicht eher unbequemen?
Wozu ist es gut, dass diese zuweilen auch da sind?
Was kann der Sportler an ihnen schätzen?
Welche Gefühle kommen dabei hoch?


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