Intuition – die unbewusste Intelligenz

Abschlussarbeit von Lydia Rischen, als PDF lesen


Einleitung

Relevanz des Themas Intuition

Die Welt wird zunehmend komplexer und das Wissen ist zu einer der wichtigsten Ressourcen geworden. Die Menschheit hat über die letzten Jahrhunderte, eine enorme Menge an Wissen gesammelt, was zu großem Fortschritt in vielen Lebensbereichen geführt hat. Das Streben nach Wissen und Informationen ist für viele Menschen, sowohl im privaten als auch Unternehmenskontext von erheblicher Relevanz um zu bestehen und wettbewerbsfähig zu sein. Dazu steigt die Sorge nicht genug zu wissen. Und tatsächlich steigt die Menge der zu verarbeitenden Information bei sich stetig verringernder Zeit. „In den nächsten zehn Jahren muss die Menschheit mehr Wissen verarbeiten als in den letzten 2.500 Jahren zusammen“, so Christiane Schiersmann und Heinz-Ulrich Thiel (2011). Das Übermaß an Informationen wird von uns sowohl bewusst als auch unbewusst wahrgenommen, und die Trennung von Wichtigem zu Unwichtigem sowie die Entscheidungsfindung hat sich erschwert. Die Aufnahme- und Speicherkapazität unseres Gehirn ist limitiert und bewusste Informationsverarbeitung benötigt Zeit.
Heute ist das Fällen von schnellen und vor allem richtigen Entscheidungen mehr denn je gefragt, was bei der ansteigenden Komplexität zunehmend schwieriger wird. Daher suchen unterschiedliche Managementdisziplinen, Psychologie, Neurowissenschaften sowie der Bildungssektor nach Möglichkeiten angemessen auf die vielen komplexen Fragen zu antworten (Kruljac, Renato, 2017).
Auch wenn der Verstand (Logik) in der zunehmend komplexen Welt überaus wichtig ist, bleiben manche Fragestellungen ungelöst. „Die Rolle des Verstandes ist so doktrinär in uns verankert, dass kaum jemand fragt, ob wir nicht noch andere Werkzeuge besitzen, um zu lernen, zu reagieren, uns zu entwickeln, mit Dingen und Menschen umzugehen“ (Heinz-Uwe Hobohm, 2013).
Eins dieser Werkzeuge ist die Intuition.

Intuition im systemischen Coaching-Kontext

Die Literaturrecherche zeigt unzählige Werke zu dem Thema „Intuition“. Die Kombination aus „Intuition“ und „systemischem Coaching“ hat allerdings erst in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen.
Während Wempe (2021) die Bedeutung von Intuition im beruflichen Kontext exploriert und aufzeigt, welche Relevanz Intuition in der komplexen Entscheidungsfindung und Interaktion mit Menschen haben kann, erforscht Ryba (2018) explizit die Rolle unbewusster und vorbewusst-intuitiver Prozesse im Coaching. Darüber hinaus sind einige praxisnahe Ratgeber zu dem Thema erschienen, so z.B. Le Sauier (2019), die ein 5-Schritte-Programm zur inneren Stärke entwickelt hat und Bauer (2019), die das Geheimnis von Bauchgefühl und innerer Stimme „lüftet“.

Meine persönliche Motivation und Aufbau der Arbeit

Mein persönliches Interesse an dem Thema „Intuition“ hat sich während der systemischen CoachingAusbildung entwickelt. Mit meiner Teilnahme an den Wochenend-Modulen und der wachsenden
praktischen Erfahrung durch Übungs-Coachings habe ich gemerkt, dass ich auf meine Intuition hören kann. Auch wenn ich zunächst versuchte einen Fokus auf die theoretischen Modellen und gelernten Inhalte zu legen, habe ich schnell gespürt, wie wichtig es ist seiner Intuition Raum zu geben und ihr zu folgen. Für mich war der Begriff Intuition und deren Existenz zu Beginn wenig greifbar, und doch unglaublich spannend und mächtig. Daher widme ich mich in dieser Arbeit der „Intuition – als unbewussten Intelligenz“.

Meine Arbeit baut auf der Definition und den Arten von Intuition auf. Auf Basis dessen, wird der Einsatz von Intuition sowie die Voraussetzungen zur Nutzung von Intuition im Coaching-Prozess diskutiert. Abschließend endet die Arbeit in der Frage, inwiefern Intuition erlernbar ist.

Diese Arbeit ist nicht wissenschaftlich und der Autor übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Inhalts.

Definition und Arten von Intuition

Der Begriff „Intuition“ wird von Gigerenzer (2015) synonym für Bauchgefühl und Ahnung verwendet und bezeichnet ein Urteil, dass rasch im Bewusstsein auftaucht, dessen tieferen Gründe uns nicht ganz bewusst sind und das stark genug ist, um danach zu handeln. Kruljac (2017, S 14f.) stimmt dem zu, nennt darüber hinaus aber weitaus mehr Synonyme und kategorisiert diese in:

    1. Diffuses Erleben (subtile und nicht offenkundige Wahrnehmung): Gefühl, Riecher, Instinkt, Bauchgefühl
    2. Evidentes Erleben (klare, überzeugende Erfahrung): Sechster Sinn, Vor-Ahnung
      a. Spiritueller/transzendenter Kontext: Erleuchtung, Innenschau, Eingebung, Vision
      b. Rationaler/funktionaler Kontext: Einfall, Geistesblitz, Idee, Implizites Wissen

Wissenschaftler, Achtsamkeitsforscher und Meditations-Experten sind sich zusammenfassend einig, dass Intuition eine Verbindung zwischen dem Bewussten und Unbewussten darstellt. Intuition ist eine Erkenntnis, die weit über die Rationale hinausgeht und ein „Begreifen“ beschreibt, das nicht in Wort gefasst werden kann; ein nichtwissendes Wissen, so Kruljac (2017, S. 16).

Blenke (2010) befasst sich explizit mit den Arten von Intuition im systemischen Coaching und verweist im Rahmen dessen auf Sanders, der die folgenden vier Bereiche der erweiterten Wahrnehmung erforscht hat. Laut ihm bietet diese Differenzierung eine wertvolle Orientierungshilfe für den Coaching Kontext.

    1. Innere Bilder
      Diese könnten z.B. visuelle Fiktionen über das Zielverhalten des Klienten bei Kritikgesprächen sein. Gegebenenfalls sehe ich konkret vor mir, wie sich jemand präsentiert und was sie/er ausstrahlen möchte. Solche Bilder können hervorgerufen werden, indem die Augen bei gerader Kopfhaltung nach oben bewegt werden oder die Konzentration auf den Bereich der Stirnmitte gelenkt wird. Visuelle Personen handeln häufig automatisch so.
    2. Innere Dialoge
      Wertvolle Impulse können auch durch innere Dialoge entstehen. Möglicherweise geht einem der Satz „Lass die Finger von dem Auftrag!“ durch den Kopf. Hier kann der Zugang durch die Fokuslenkung auf den Bereich oberhalb der eigenen Ohren geschaffen werden. Die Augen blicken dabei häufig gerade nach vorne (sog. Tunnelblick).
    3. Das Bauchgefühl
      Häufig wird im Zusammensein mit Menschen eine bestimmte Stimmung oder auch Befindlichkeiten der Anwesenden wahrgenommen. Das Bauchgefühl tritt über sogenannte „somatische Marker“, sprich Körperempfindungen auf, die oft im „Solar Plexus“ oberhalb des Bauchnabels lokalisiert werden. Andere Körperteile können hierfür allerdings genauso sensibilisiert sein. Zudem wandert der Blick der Augen häufiger nach unten.
    4. Intuitives Wissen
      Eine plötzliche innere Bewusstheit bzw. ein Impuls, der z.B. sagt, dass es beim Coachee um ein anderes als von ihr/ihm adressiertes Thema geht. Der Zugang zu diesem intuitiven Wissen kann über die Konzentration auf den Bereich leicht über dem Kopf erfolgen; quasi als gäbe es eine innere Öffnung nach oben. Die Aufnahmefähigkeit wird über geschlossene Augen unterstützt.

Mit dem Wissen, was Intuition ist, und welche Arten es im Coaching Kontext gibt, wird im Folgenden der Einsatz von Intuition im Coaching Prozess beleuchtet.


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