Haltung als entscheidendes Element

Abschlussarbeit von Dagmar Kolberg, als PDF lesen


Einleitung

Die Ansicht darüber wie die Haltung eines Coaches im Coaching-Prozess aussehen soll oder sogar muss, hat unterschiedlichste Gesichter. Allerdings ist festzuhalten, dass alle Schulen davon ausgehen, dass es eine ‚Haltung‘ des Coaches geben muss.

Wie die Haltung eines Coaches aussehen kann, soll hier betrachtet werden.

Wie kann und soll die innere Haltung des Coaches aussehen?

Woran ist sie zu erkennen?

Welche unterschiedlichen Arten von inneren Haltungen kann es geben und was fehlt, wenn die innere Haltung nicht zu erkennen ist?

Es soll auch herausgearbeitet werden, dass die innere Haltung sicherlich erlernt werden kann, am Ende des Tages aber eine Kunst und kein Handwerk darstellt:

‚A fool with a tool is still a fool‘.

Dies ist selbstverständlich nicht tiefgreifend, da man hierüber sicherlich mindestens eine Doktorarbeit schreiben könnte.

Es kann aber festgehalten werden, dass die innere Haltung immer mit einer professionellen Achtsamkeit in Verbindung gebracht werden kann.

Gehen wir auf die Spurensuche.

Das Menschenbild im Coaching

Coaching ist mehr als ein professionelles, methodisch geleitetes Handeln zu verstehen. Es ist eine Haltung, die hinter einem Menschenbild mit einzelnen Verhaltensweisen steht, die in konkreten Handlungen zum Ausdruck kommt.

Es ist ebenfalls ein Modell, das wir unserem Denken und Handeln zugrunde legen.

Doch welches Menschenbild sollte hinter einer Coaching-Grundlage stehen?

Das Menschenbild ist der begriffliche Rahmen zur Beschreibung menschlichen Tuns.

Auf der Basis dieses Rahmens wird das menschliche Tun erklärt und definiert zugleich die zentralen Werte, die Grundlage für das Handeln bilden.

Schließlich definiert das jeweilige Menschenbild einen Rahmen für konkrete Interventionen.

Hierbei kann man z.B. das Menschenbild des Behaviorismus, den humanistisch Psychologischen Ansatz des Menschbildes (Maslow; Rogers) oder die Verbindung des Menschenbildes der humanistischen Psychologie mit der Systemtheorie (Gregory Bateson) durch Satir betrachten.

Behaviorismus

Im Behaviorismus werden ‚Verhaltensänderung‘, Reiz‘ und ‚Reaktion‘ betrachtet und bilden die Grundlage für die so betrachtete Realität.

Ein Reiz wirkt auf einen Menschen, der eine Reaktion auslöst und im Anschluss eine Verhaltensänderung generiert.

Hierbei ist das Prinzip von Verstärkung, Löschung und Bestrafung grundlegend.

Es ist erlaubt, dass der Mensch verändert werden darf.

Menschenbild der Humanistischen Psychologie

Wie von Rogers formuliert, handelt es sich hierbei um ein personenzentriertes Menschenbild.
Es wird durch folgende Thesen gestützt:

    1. Menschen besitzen die Fähigkeit, sich zu entwickeln.
      Hierbei wird davon ausgegangen, dass der Mensch die Tendenz hat, zu wachsen, sich persönlich weiterzuentwickeln und sich schlussendlich weiterzuentwickeln.
    2. Entwicklung verläuft in Richtung größerer Autonomie.
      Der Mensch möchte sich im Rahmen seiner Weiterentwicklung zu einer größeren Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit entwickeln.
    3. Entwicklung wird gesteuert durch das Wechselspiel von Selbstkonzept und Erfahrungen.
      Durch die durchlebte Realität wird ein Abgleich zwischen dem Erlebten und dem Erwarteten gebildet, wodurch eine Weiterentwicklung entsteht.
    4. Die Entwicklung kann unterstützt werden durch Wertschätzung, Empathie und Authentizität.
      Die hier erwähnten Faktoren sind eine positive Grundlage zur Weiterentwicklung des Menschen, die von außen herbeigeführt werden kann.

Humanistische Psychologie in Verbindung mit Systemtheorie

Das Ziel für Virginia Satir ist, wie auch bei Maslow oder Rogers, Autonomie, oder wie von Ihr formuliert:

Menschen helfen, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen

Für Sie gibt es fünf Freiheiten, die Grundlage des Menschenbildes sind:

    1. ‚Die Freiheit zu sehen und zu hören, was ist, satt zu sehen und zu hören, was sein sollte oder einmal sein wird‘.
    2. ‚Die Freiheit zu sagen, was du fühlst und denkst, statt zu sagen, was du darüber sagen solltest‘.
    3. ‚Die Freiheit zu fühlen, was du fühlst, statt zu fühlen, was du fühlen solltest‘.
    4. ‚Die Freiheit, um das zu bitten, was du möchtest, statt immer auf die Erlaub zu warten‘.
    5. ‚Die Freiheit, um der eigenen Interessen willen Risiken einzugehen, satt sich dafür zu entscheiden, auf Nummer sicher zu gehen und das Boot nicht zum Kentern zu bringen‘.

Satir erweitert mit diesen Aussagen den Blick und bezieht das soziale System mit ein.

Ebenfalls werden die Personen der eigenen Sphäre, Regeln in der Familie, im Freundeskreis oder dem Unternehmen auf auch immer wiederkehrende Verhaltensmuster mit zu Grunde gelegt.

Heutige Sichtweise

Letztlich ist es das humanistische Menschenbild was bei allen Coaching-Betrachtungen als Grundlage genutzt wird.

Es sollen Menschen dabei unterstütz werden, sich über Situationen klar zu werden, eine andere Perspektive einnehmen zu können und im ganzen Prozess neue Lösungen zu entwickeln.

Die eigene Perspektive auszublenden und den Coachee als umfassende Wirklichkeit mit allen Möglichkeiten wahrzunehmen ist eine idealtypische Haltung.

Elemente der Haltung

Aufmerksamkeit

Alles Gesagte wird von Beobachtenden gesagt.

Ein Coach muss sich daher zuallererst vor Augen führen, dass auch er nur Teil des Systems und ein Beobachter ist. Dementsprechend muss er seine eigene Aufmerksamkeit professionalisieren und sich auf den Coachee konzentrieren.

Lange, bevor der Coach überhaupt handelt – sei es sprachlich, sei es nichtsprachlich –, hat der Coach eine Perspektive auf das zu beobachtende Geschehen.

Es gilt, dafür zu sorgen, dass der Coach aufnahmefähig und aufnahmebereit ist, sodass er immer über mehrere Möglichkeiten des Verstehens verfügen. Je mehr, desto besser.

Hierzu gehört vorab eine sehr intensive innere Arbeit.

Zuhören

Ohne die Fähigkeit zuzuhören geht in der Kommunikation gar nichts.

Im Coaching noch weniger. Zuhören ist so etwas wie die Grundstellung im Tanz mit den Coachees.

Was geschieht auf der inneren Bühne beim Zuhören?

Zunächst einmal gilt es, gewahr zu werden, ob sie überhaupt angemessen frei ist.

Oder ob dort vielleicht noch ein ganz anderes Stück in vollem Gange ist: turbulente Gedanken und Gefühle aus dem privaten Erleben, die nachdenkliche Beschäftigung mit der vorhergehenden Coachingsitzung, tiefe Sorge um den Weltfrieden – was immer es sei.

Etwas davon ist eigentlich immer da.

Schließlich kann der Strom der inneren Bilder, Gedanken und Gefühle nicht so einfach abschaltet werden.

Der Mensch kann nicht nicht denken, solang wir nicht tot sind oder im Koma liegen.

In jeder Begegnung wird uns eine Fülle an »Material« geliefert.

Von der ersten Sekunde an erhalten wir von unserem Gegenüber eine große Menge an Signalen, sprachliche wie körpersprachliche. Nicht der Text ist wichtig, sondern der Subtext, denn darin ist die wichtigere Botschaft verborgen.

Gerade weil man unwillkürlich geneigt ist, in einem Aufmerksamkeitsfokus »einzurasten«,braucht es als Gegenmittel einen entspannten, eher unscharfen Blick, eine weite, schweifende, gleichsam periphere Wahrnehmung.

Die Psychoanalytiker nennen das »freischwebende Aufmerksamkeit«


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