Erleben formt das Gehirn

Coachingprozesse unter Einsatz von

Kreativ- und Theatertechniken

Abschlussarbeit von Uwe John, als PDF lesen


Worum geht es?

Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.

Schiller1

Die Aufgabe des Coachs besteht darin, dass er dem Klienten hilft, zu definieren, welche speziellen Veränderungen bzw. Ziele einen Fortschritt bedeuten würden und zu erkennen, welche Anzeichen eines Fortschrittes in Richtung dieser Ziele es bereits gegeben hat.

Das Aufdecken von Ressourcen, also von Informationen darüber, was dem Klienten beim Erreichen seiner Ziele helfen kann, ist ebenfalls ein integraler Bestandteil des lösungsfokussierten Ansatzes.

Das Modell basiert auf der Grundannahme, dass Klienten – auch wenn sie sich dessen vielleicht nicht bewusst sind – brauchbare Ideen in sich tragen, wie ihre Probleme gelöst werden können, seien es Ressourcen aus der Vergangenheit oder Gedanken, die sie heute fassen können.

Aufgabe des Coachs ist es, den Klienten dahin zu befähigen, dass er sich dieser Ideen bewusst wird und ihn bei deren praktischen Umsetzung zu coachen.

Der DBVC führt hierzu aus:

„Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs-, Steuerungsfunktionen und Experten in Unternehmen/ Organisationen“[…]

(DBVC 2014)

Zudem gibt es weitere Coachingvarianten wie Einzel-, Peer-, Team- oder Selbstcoaching.

Neugierde auf das Mögliche…Fragen

In dem Coachingprozess ist das Instrument des Coachs geeignete Fragen zu stellen, die dem Klienten die Möglichkeit eröffnet zurückzutreten, neue gedankliche Wege zu gehen und mittels seiner Phantasie innere Bilder zu verändern, die wiederum seine Wirklichkeit in Bewegung bringen.

Er nutzt dazu eine grundsätzliche Fähigkeit des Menschen, die der Imagination und des Spielens.

Zumindest dann, wenn wir in Gedanken alle vorstellbaren Möglichkeiten zur Lösung eines Problems, zum erreichen eines Zieles, oder zur Realisierung einer Absicht durchspielen, dann spielen wir.

Ohne die immer neue spielerische Erkundung der in uns angelegten Potenziale hätten wir Menschen uns gar nicht weiterentwickelt.

Im Kindesalter wie auch im Erwachsenenalter setzt sich unser spielerischer Erkundungsprozess des Möglichen in der Beziehung zu Eltern, Geschwistern und anderer Lebewesen fort.

Bis jede und jeder herausgefunden hat, was alles geht und was nicht funktioniert und selbst dann sind wir neurobiologisch in der Lage dies immer wieder zu verändern.

„Selbstorganisiertes, intrinsisch gesteuertes Lernen“ nennen das die Lernpsychologen und haben inzwischen verstanden, dass diese Art des Lernens entscheidend dafür ist, wie gut sich ein Mensch in der Welt zurechtfindet.

Im Spiel eröffnen sich Möglichkeitsräume, die zunächst scheinbar keinem Nutzen unterworfen sind, außer dass wir Lösungen und Möglichkeiten suchen2.

Im systemischen Coaching stehen viele Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung und im Wesentlichen läuft der Prozess über das zentrale Tool, die Frage.

Dieser Kristallisationspunkt ist ebenfalls ein wesentlicher Impuls in der Theaterpädagogischen Arbeit.

Vielleicht ließe sich das Angebot im Coachingprozess der Interventionen aus meiner Sicht um Möglichkeiten aus der Theaterpädagogik erweitern.

Diese Auseinandersetzung ist Kern dieser Arbeit. Ich werde im Folgenden untersuche die beiden Bereiche Coaching und Theaterpädagogische Arbeit dahingehende, welche Möglichkeiten sich eröffnen spielerische Prozesse in einem Coachingprozess einfließen zu lassen, wo Grenzen sind und wo die besonderen Beobachtungspunkte sind, die es gilt im Coachingprozess zu beachten.

Können Theaterpädagogische Spiele den Coachingprozess unterstützen und welche Möglichkeiten bietet dies?

Coaching und Theaterpädagogik, zwei Bereiche, die sich der Potentialentwicklung und Förderung von Menschen widmen.

Können die miteinander?

Was ist Coaching und was beschreibt Theaterpädagogik?

Wenden wir uns zunächst dem Coaching zu.

Systemisches Coaching kann aus meiner Sicht Beratung sein ohne Ratschlag – eine Beziehung zwischen Coach und Coachee, in der der Coach die Verantwortung für die Gestaltung des Coachingprozesses und der Coachee die inhaltliche Verantwortung übernimmt – also die Verantwortung dafür, an seinem Problem zu arbeiten.

Damit wird auch deutlich, worum es im systemischen Coaching geht – nicht etwa darum, Menschen „zu etwas zu bewegen“, ihnen etwas zu verkaufen oder sie im Sinne eines Höher, Weiter, Schneller „zu höheren Leistungen zu pushen“, sondern maßgeschneidert mit ihnen an konkreten anstehenden Problemen zu arbeiten und diese in möglichst effizienter Zeitnutzung zu lösen.

Coaching, ein Tanz…

Wie ließe sich der Coachingprozess beschreiben?

Hierzu fiel mir eine Beschreibung von Sonja Radatz auf, die schon eine starke Affinität zu kreativen Prozessen aufweist:

„Systemisches Coaching sieht unglaublich leicht aus – wenn man die Gelegenheit hat, es sich quasi „von außen“ anzusehen.

Es ist ein Tanz zwischen Coach und Coachee, bei dem der Coach dem Coachee die passenden Fragen stellt, damit Letzterer im Gespräch – im gemeinsamen Tanz – passende Lösungen zu dem von ihm angesprochenen Problem bildet.

Im Idealfall fliegen die beiden über das Parkett, wiegen sich im Rhythmus der Musik, die den Ton angibt und weichen geschickt allen Hindernissen aus, die sich ihnen im Raum bieten. Hier scheint Coaching beiden Spaß zu machen, auch wenn es dem Zuschauer unmöglich gelingen kann, die einzelnen Tanzschritte voneinander zu trennen oder gar „objektiv zu analysieren“.

Systemisches Coaching ist ein Tanz zwischen gleichwertigen Partnern, von denen nicht einer über mehr und der andere über weniger Wissen verfügt und der „Klügere“ pausenlos versucht, den „Dummen“ über die „richtigen“ Tanzschritte zu belehren; sondern einer der Partner führt über Fragen und der andere führt über die Tanzfiguren, die er auf dem Parkett vollbringt und beide Partner passen sich im Idealfall laufend aneinander an – in Form, Dynamik, Ausführung und nonverbalem Ausdruck.

Tanz macht Spaß – wenn man den passenden Partner hat, der Rahmen zwischen den Tänzern optimal abgesteckt ist und vor allem beide Tanzpartner ihre spezifischen Tanzschritte beherrschen; allerdings nicht für sich, denn Trockentraining alleine macht noch keinen Tanz aus, sondern in Wechselwirkung mit dem jeweils anderen.

Und ein solcher Tanz lässt sich auch nicht bis in Detail planen, denn bei jedem Schritt erfolgen neuerlich Anpassungen, die wiederum veränderte Ausgangsbedingungen für den darauffolgenden Schritt schaffen.

So gesehen, ist ein Tanz etwas, auf das man sich einlassen muss – ohne zu wissen, worauf man sich genau einlässt.

Aber immerhin besteht ja die Möglichkeit abrupt stehen zu bleiben – den Tanz abzubrechen -, wenn einem von der Dynamik schwindelig geworden ist, oder man sich in einer Ecke verheddert hat. Und dann kann die Situation in Ruhe besprochen werden, bevor man sich wieder dem Tanz ergibt.

Und Tanzen ist harte Arbeit – zumindest solange die einzelnen Schritte noch nicht automatisiert ablaufen und es unglaublich anstrengend ist den Tanzablauf und die einzelnen Schrittkombinationen nicht nur an den Partner anzupassen, sondern auch noch auf die Musik abzustimmen und sich dazu freudig entspannt zu geben.“3

Diese Beschreibung des Zusammenspiels von Coach und Coachee, so poetisch und bildhaft sie sein mag, berührt einen oder mehrere Aspekte des Coachingprozesses, der dem Wirken des Theaterpädagogen und den Teilnehmern eines Workshops in einem kreativen Prozess nicht unähnlich ist.

So lohnt es sich ein Blick auf die Arbeits-und Wirkungsweisen der Theaterpädagogik und die Arbeit mit Kreativtechniken zu werfen, um dem Vergleich etwas näher zu kommen und mögliche Verbindungen herauszufiltern.

Dabei beziehe ich mich einerseits auf den Einzelnen, ebenso auf den Einzelnen als Teil einer Gruppe in seinem individuellen schöpferischen Prozess.


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Quellen bis hierher

1 Friedrich Schiller: Über die ästhetischer Erziehung des Menschen.
2 Gerald Hüther, Christoph Quarch: Rettet das Spiel! Weil Leben mehr als funktionieren ist.
3 Sonja Radatz: Einführung in das systemische Coaching, S.14, Carl-Auer Verlag 2006