Coach im Zwiespalt

Abschlussarbeit von Anja Hechler, als PDF lesen


Problemstellung und Zielsetzung

Im Arbeitsalltag trifft der Coach meiner Erfahrung nach immer wieder auf die Erwartungshaltung seiner Klienten nach Ratschlägen für das Lösen von Problemsituationen.

Ziel eines Coachings ist jedoch, dem Klienten durch das Anwenden verschiedenster Interventionen, Möglichkeiten anzubieten, die seine Perspektive auf die Problemsituation erweitern.

Dabei wird der Klient vom Coach so unterstützt, dass er selbst Lösungen entwickelt.

Das Erteilen von Ratschlägen gehört nicht in das Feld des Coachings.

Der Coach wird jedoch häufig aufgrund seiner Erfahrung und seines Expertenwissens beauftragt.

Das kann in der Arbeit mit einem Klienten einen Zwiespalt beim Coach auslösen. Der Coach will einerseits nicht die Erwartungshaltung enttäuschen und andererseits den Klienten unterstützen sowie den Auftrag nicht verlieren.

Die nachfolgende Ausarbeitung widmet sich diesem Thema. Dabei werden zuerst die Definitionen und Bedeutungen von Coaching und Beratung vorgestellt und dann die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Formaten herausgestellt.

Anschließend wird der Zwiespalt, in den der Coach geraten kann, erörtert. Danach werden von mir verschiedene Möglichkeiten der Vermeidung sowie des Umgangs mit dem Zwiespalt aufgezeigt und abschließend ein Fazit gezogen.

Definitionen und Bedeutungen von Coaching und Beratung

Zur Verdeutlichung des Zwiespalts widme ich mich in diesem Punkt zunächst den Definitionen und Bedeutungen der aus meiner Sicht tangierten Formate.

Definition und Bedeutung von Coach und Coaching

Das Wort „Coach“ kommt aus dem Englischen und bedeutet Kutsche. In der Studentensprache wurde dieser Begriff ursprünglich für einen privaten Tutor benutzt, im Sinne von „jemand, der einen weiterbringt“ (Quelle: Duden).

Der Coach kann metaphorisch als Kutscher gesehen werden, der die Pferde zu betreuen, zu leiten und ihnen den Weg zu weisen hat, damit der Fahrgast sein Ziel erreicht, dass nur er selbst kennt.

Das wiederum übertragen, bedeutet, dass der Coach eine Art Begleiter bei einem interaktiven und personenzentrierten Prozess ist.

Der Coach maßt sich nicht an, die eine Lösung für den Klienten zu kennen, sondern versteht sich als Begleiter des Klienten auf dem Weg zur Lösung. Nur der Klient kennt sein (Fahr-)Ziel und kann somit nur selbst die für sich beste Lösung finden.

Folglich ist Coaching lösungsorientiert mit Fokus auf das Ziel. Coach und Klient sind dafür gleichermaßen gefordert.

Die Freiwilligkeit des Klienten und auch des Coaches ist schon aufgrund des Formats gegeben.

Im Vordergrund des Coachings stehen berufliche Themen und Anliegen des Klienten.

Die für mich persönlich einfachste und klarste Definition, natürlich mit dem Hintergrund meines inzwischen während der Ausbildung zum systemischen Coach erworbenen Fachwissens, ist:

Coaching ist Hilfe zur Selbsthilfe

Mit dieser Definition ist beispielsweise das Vorgeben von Lösungen für Themen des Klienten ausgeschlossen.

Außerdem drückt diese Definition für mich aus, dass sich beide – Coach und Klient – auf gleicher Augenhöhe begegnen und eine vertrauensvolle Basis haben.

Hilfe zur Selbsthilfe kann aus meiner Sicht nur dann gleistet werden, wenn der Coach die Themen bzw. Anliegen des Klienten wirklich kennt und versteht.

Im systemischen Sinne meine ich damit nicht nur die Themen selbst, sondern auch die Berücksichtigung der Wechselwirkungen im System des Klienten (z.B. Familie, Partnerschaft, Freunde etc.). Auch diese gilt es zu erkunden.

Definition und Bedeutung von Berater und Beratung

Als Berater wird eine Person verstanden, die (berufsmäßig auf ihrem Fachgebiet) Rat erteilt (Quelle: Duden). Diese Definition setzt voraus, dass es einen Ratsuchenden gibt.

Somit ist auch hier die Freiwilligkeit per Definition des Begriffs „Berater“ gegeben. Der Ratsuchende entscheidet, ob er den Rat annimmt und welches Verhalten er anschließend wählt.

Die Entscheidung, Rat zu suchen, wird häufig von fachlichen Zwängen begleitet. Als Beispiele seien hier die juristische (z.B. Anwalt) oder finanzielle (z.B. Steuerberater) Beratung genannt.

Die ungefragte Erteilung von Ratschlägen (z.B. von Vorgesetzten, Kollegen, Freunden, Familienmitgliedern etc.) lasse ich bei meiner Betrachtung außen vor.

Bei der Beratung liegt der Fokus auf der fachlichen Problemstellung.

Hier wird zunächst die Problemstellung vom Berater analysiert und anschließend eine Lösung dafür vorgestellt. Der Ratsuchende muss keine Einzelperson sein; es handelt sich oft auch um Organisationen, die einen Berater beauftragen.

Die Erwartungshaltung bei der Beauftragung ist die Präsentation einer Lösung durch den Berater.

Unterschiede zwischen Coaching und Beratung

Im vorangegangenen Punkt habe ich mich der Definition und Bedeutung der Formate Coaching und Beratung gewidmet.

Nun geht es darum, die Unterschiede zwischen beiden Formaten herauszustellen. Der Übersichtlichkeit halber, habe ich beide in einer Tabelle mit von mir ausgewählten Kriterien gegenübergestellt.

KriteriumCoachingBeratung
Kurzdefinition„Hilfe zur Selbsthilfe“

Erteilung eines Rates

RolleProzessbegleiterFachberater
Angewendete Kompetenz MethodenkompetenzFachkompetenz
Was

Analyse der Problemstellung sowie (Aus-)Wirkungen auf das System des Klienten

Analyse der fachlichen Problemstellung
BeziehungAuf AugenhöheBerater ist aufgrund seines Expertenwissens überlegen
LösungKeine Vorgabe einer Lösung, Klient trägt die Lösung in sich, damit ist diese immer individuellVorgefertigte oder individuelle Lösung aufgrund des Expertenwissens des Beraters
ZielErkennen von Handlungsmöglichkeiten (Verhalten) durch Perspektiverweiterung

Erweiterung des Fachwissens bzw. Erledigung von Aufgaben durch den Berater

Betreff

Persönliche Entwicklung des Klienten im Umgang mit für ihn problematischen Situationen

Fachliche Anliegen
Inhalt und Ablauf

Wird gemeinsam von Coach und Klient bestimmt

Wird vom Berater vorgegeben

Gemeinsamkeiten von Coaching und Beratung

Zwischen Coaching und Beratung gibt es auch Gemeinsamkeiten. Nachfolgend gehe ich nur auf die aus meiner Sicht wichtigsten Gemeinsamkeiten ein.

Ziel ist bei beiden Formaten die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Klienten.

Der Klient kann eine Einzelperson, eine Gruppe oder auch eine Organisation sein. Die Verbesserung der Leistungsfähigkeit wird lediglich über verschiedene Wege erreicht.

Beide Formate sind nicht für die Anwendung bei psychischen Problemen oder Erkrankungen geeignet, da die Selbstmanagementfähigkeiten des Klienten intakt sein müssen.

Bei beiden Formaten ist es erforderlich, dass der Coach bzw. der Berater über Expertenwissen verfügt. Lediglich die Art des Expertenwissens ist unterschiedlich (Coach – Methodenkompetenz, Berater – Fachkompetenz) sowie auch die Art der Anwendung.

Die lösungsorientierte Bearbeitung mit Fokus auf das Ziel ist ebenfalls bei beiden Formaten gegeben.

Zu den Gemeinsamkeiten gehört außerdem die Freiwilligkeit des Klienten. Selbst wenn beispielsweise ein Mitarbeiter eines Unternehmens ein Coaching „verordnet“ bekommt, so entscheidet er jedoch selbst, ob er es annimmt und wie weit er sich dem Coaching Prozess öffnet.

Ein Coach arbeitet nicht mit einem Klienten unter Zwang.

Bei der Beratung kommt der Ratsuchende mit einem Anliegen auf den Berater zu und entscheidet dann selbst, ob er den Rat annimmt und umsetzt oder nicht.


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