Coaching: Wutausbrüche kontrollieren

Abschlussarbeit von Marie Kerkloh, als PDF ansehen


Meine ersten Schritte im Coaching

In dieser Arbeit werde ich anhand meiner ersten allein durchgeführten Coachings meine Entwicklung darlegen, die ich im Rahmen dieses Prozesses als Coach durchgemacht habe.

Erste Session mit Frau K. – Beobachterrolle

Meine allererste Coaching-Erfahrung fand im Rahmen unseres Peergroup-Treffens statt. In der ersten Session mit Frau K. als Coachee befand ich mich in der Beobachterrolle, eine Mitauszubildende übernahm die Rolle des Coaches.

Anliegen Frau K.s

Frau K. möchte ihre unkontrollierten Wutausbrüche in den Griff bekommen.

Hintergründe

Das Thema, mit dem Frau K. zu uns kam, wurde von ihr folgendermaßen beschrieben:

In bestimmten Situationen im privaten Umfeld werde sie wiederkehrend unkontrolliert und schnell rasend, könne sich nicht zurückhalten und habe eine Art Wutausbruch.

In solchen Momenten sprudeln auch durchaus Dinge aus ihr heraus, die für ihr Gegenüber schnell verletzend werden kann.

Auslöser sind meist Situationen, in denen ihr Partner oder ihre Familienmitglieder entgegen Frau K.s eigenen Plänen und Ideen handeln.

Ein konkretes Beispiel wurde geschildert anhand einer Situation, in der Frau K. nach Hause kommt und ihr Partner in der gemeinsamen Wohnung nicht aufgeräumt habe, obwohl es für Frau K. offensichtlich dreckig und unordentlich war, z.B. war die Spülmaschine nicht ausgeräumt.

In einem solchen Moment reagiere Frau K. mit einem Wutausbruch, der dann – wie bereits erwähnt – für den Partner sehr persönlich und verletzend werden kann, da sie sich nicht nur auf das aktuelle Thema beziehe, sondern auch andere Themenbereiche kritisiere und sich in solchen Situationen nicht besonders sensibel ausdrücke.

Im Nachhinein sei ihr die Situation stets unangenehm und tue ihr leid, aber in dem Moment an sich könne sie einfach nichts ändern, sich nicht beherrschen. Sie habe dann keine Kontrolle.

Im beruflichen Kontext komme so ein Wutausbruch nicht vor.

Bei Fragen nach ähnlichen Verhaltensmustern im Bekannten- oder Verwandtenkreis beschreibt Frau K., dass ihre Eltern oft in einem Stil kommunizieren, in dem sie sich gegenseitig Vorwürfe machten und sich auch teilweise verletzende Dinge an den Kopf warfen.

Hypothesen

1) Frau K. hat ein tiefer liegendes Problem mit ihrem Freund und ihrer Familie und dieses kann nicht direkt thematisiert werden.

Stattdessen führen „Kleinigkeiten“ den Wutausbruch herbei.

– Argument für die Hypothese:

die Wutausbrüche geschehen vor allem im engen/familiären Kreis, nicht auf der Arbeit, sondern ausschließlich bei Partner und Familie.

– Argument gegen die Hypothese:

Es wurde kein konkretes Problem benannt, weder in Hinblick auf den Partner, noch in Hinblick auf die Familie.

2) Frau K. hat insgesamt zu viel Stress und zu wenig Ruhepausen und in solchen Momenten reicht ein kleiner Tropfen aus, um das Fass zum Überlaufen zu bringen.

– Argument für die Hypothese:

es fiel immer wieder der Begriff, dass bei ihr „zu viel Druck auf dem Kessel“ sei.

– Argument gegen die Hypothese:

Es erscheint wahrscheinlicher, dass Frau K. bei einer Überlastung dann auch mal in einem anderen Rahmen Wutausbrüche bekommt, z.B. auch auf der Arbeit.

Intervention: Wunderfrage

Was passiert, wenn Frau K. einschläft und am nächsten Morgen aufwacht und über Nacht ist das besagte Problem verschwunden?

Antwort: Frau K. ist sehr entspannt und verbringt einen entspannten Tag mit ihrem Freund.

Nächste Frage: Gab es eine Situation, in der das schon mal so was?

Antwort: Ja, an einem Wochenendtag.

Nächste Frage: Was war an diesem Tag anders als sonst?

Antwort: Pläne wurden zusammen geschmiedet, der Partner wurde in die Pläne mit einbezogen.

Ergebnis und Reflexion

Die Wunderfrage hat zum einen die entscheidende Erkenntnis gebracht, dass Frau K. sich mehr entspannen muss.

Zum anderen hat Frau K. erkannt, dass sie die Pläne, die sie schmiedet, notwendigerweise ihrem Umfeld und vor allem ihrem Partner mitteilen muss, um sicherzustellen, dass diese erfüllt und mitgetragen werden können.

Vor allem, wenn ihr Pläne die anderen Personen mit beinhalten.

Obwohl ich mich nur in der Beobachterrolle befunden habe, fiel es mir extrem schwer, nicht in die Falle zu tappen, die Lösung selbst darlegen zu müssen.

Ich habe mich zu sehr in der Verantwortung gefühlt, die Lösung für das Problem selbst finden zu müssen anstatt die Verantwortung beim Coachee zu lassen.

Während der Coaching-Session habe ich innerlich stets versucht eine Lösung zu finden und habe mir auch im Nachhinein noch viele Gedanken zu dem Thema von Frau K. gemacht.

Meine eigene Interventionsidee in diesem Fall wäre gewesen, das „Innere Team“ aufzustellen.

Das heißt, die inneren Anteile darzulegen, die in den Situationen der Wutausbrüche beteiligt sind und was die Bedürfnisse dieser Anteile sind. Hierbei die Anteile wertschätzen und schauen, wie die einzelnen Anteile vielleicht noch besser gesteuert werden und miteinander interagieren können.

In diesem Fall könnte man beispielsweise schauen, welcher Anteil in den Situationen des Wutausbruchs die „Chefrolle“ im Team übernimmt und wie es den anderen Teammitgliedern (inneren Anteilen) dabei geht.

Im Folgenden kann man fragen, was eine Möglichkeit wäre, in dem Team wieder einen Zusammenhalt herzustellen und sicherzustellen, dass alle Teammitglieder zusammenarbeiten und alle zufrieden sind.

Man erzeugt eine Dissoziation von der Situation und seinen Emotionen durch die Verbildlichung der inneren Anteile und kann dadurch aus einem anderen Blickwinkel auf die Situation blicken. Zudem fällt es den Klienten oft leichter von sich in Anteilen zu sprechen und sich nicht als ganze Person mit dem eigenen Verhalten identifizieren zu müssen.

Zudem wird so auch den anderen inneren Anteilen Raum gegeben, die auch zu der Person gehören und die Person ausmachen.

Der Klient wird also nicht nur auf sein als negativ empfundenes Verhalten reduziert, sondern es wird zudem auch Platz für seine Ressourcen geschaffen.

Ein Augenmerk sollte bei der Intervention auch darauf gelegt werden, was der Anteil, der die als störend oder unangenehm empfundene Verhaltensweise dominiert, für positive Absichten hat und wofür er auch gut und wichtig sein kann.

Bei weiterem Interesse an der Intervention „Inneres Team“ verweise ich an das Buch von Friedemann Schulz von Thun: „Miteinander reden, Band 3: Das „Innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation“.1

„Lessons learned“:

– Es soll mir als Coach es am besten gehen im Raum

– Ich bin lediglich die „Hebamme“, die hilft das Kind (die Lösung) zu gebären, aber ich kann das Kind nie selbst gebären (also die Lösung nicht selbst finden).

Das ist die Aufgabe des Coachees, die Verantwortung der Lösung liegt bei ihm. Ich trage die Verantwortung der Führung und Steuerung des Prozesses.

Zweite Session mit Frau K.

Beim zweiten Treffen mit Frau K. waren wir zu zweit und ich als alleiniger Coach am Werke. Meine Einstiegsfrage war, was sie von der letzten Session mitgenommen hatte und was sich in Hinblick auf ihr Anliegen geändert hatte.

Ergebnisse aus der ersten Sitzung

Frau K. hatte erkannt, dass sie ihre Pläne und Gedanken an ihren Partner und ihre nähere Umgebung (die Betroffenen der gelegentlichen Wutausbrüche) mitteilen muss, transparenter zu werden.

Diese Transparenz konnte sie inzwischen auch schon so umsetzen, dass sie seit längerer Zeit keinen Wutausbruch mehr gehabt hat.

Der letzte war so lange her, dass sie sich nicht mal mehr daran erinnern konnte. Somit hatte sie in diese Richtung kein Drang mehr für eine weitere Bearbeitung des Themas.

Anliegen der zweiten Session

Frau K. möchte sich abgrenzen gegenüber Job, Freunden und Familie.


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Fußnoten bis hierher

1 Friedemann Schulz von Thun: „Miteinander reden, Band 3: Das „Innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation“, Seite 35; 24. Auflage Januar 2016
2 Friedemann Schulz von Thun: „Miteinander reden, Band 3: Das „Innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation“; 24. Auflage Januar 2016
3 Friedemann Schulz von Thun: „Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung“, S. 43-51; 35. Auflage März 2016