Coaching: Tarot als ergänzendes Tool

Abschlussarbeit von Elke Bergsma, als PDF lesen


Summary

Während meines Ausbildungsprozesses zum systemischen Coach bekam ich die Möglichkeit, eine Frau zu coachen, die sich in einer Lebensphase der beruflichen Neuorientierung befand.

Aufgrund eines burnouts und der Gewissheit, nicht mehr in ihren alten Job zurückkehren zu wollen, hatte sie diesen gekündigt, ohne jedoch zu wissen, welcher berufliche Weg für sie der richtige sein könnte.

Zwar gab es vage Vorstellungen davon, in welche Richtung es gehen könnte, doch sah sie sich nicht in der Lage, eine Entscheidung für die eine oder andere Möglichkeit zu treffen.

Im Rahmen des Coachings entschied ich mich daher für die Anwendung des ‚Tetralemma‘, in der Hoffnung, dass sie dadurch ihren zukünftigen Weg klarer vor sich sehen würde.

Als dies nur dahingehend fruchtete, dass sie jetzt wusste, was sie nicht wollte, bat mich die Klientin, ihr die Tarot-Karten zu legen – mit durchschlagendem Erfolg für ihren Berufsfindungsprozess.

Die verwendeten Tools

Das Tetralemma

Ursprünglich wurde das Tetralemma in der indischen Rechtsprechung angewendet und fand in erster Linie über Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer den Weg ins Coaching.

Die hier beschriebene, vereinfachte Variante behandelt lediglich die Bodenanker-Übung als Tool für Entscheidungsfindungsprozesse.

Das hier angewandte Tetralemma ermöglicht eine Entscheidung zwischen zwei Optionen:

A oder B,

Ja oder Nein,

Dies oder Das.

Das Instrument kann bei jeder Form der Entscheidungsfindung eingesetzt werden, ganz egal, ob es sich um berufliche, persönliche oder private Fragestellungen handelt.

Sinnvoll ist der Einsatz bei Cochees, die die unterschiedlichen Optionen ihrer Möglichkeiten bereits mehrfach durchdacht und mit Vertrauten besprochen haben, sich jedoch trotzdem nicht in der Lage sehen, eine Entscheidung zu treffen.

Es eignet sich auch zum effizienten Selbst-Coaching, doch soll dies an dieser Stelle kein Thema sein.

Zielsetzung des Tetralemma ist es, den Coachee von der rein rationalen Ebene in die Gefühlseben zu bringen, d. h. er soll aus seinem Inneren heraus spüren, welche Entscheidung für ihn die richtige ist.

Hierbei kommt es zu somatischen Reaktionen, die dem Coachee ein Richtig oder Falsch signalisieren.

Kommt es während der Übung zu Unbehagen, weist dies darauf hin, dass die imaginierte Situation nicht mit den Bedürfnissen des Coachees übereinstimmt.

Das Tetralemma wird als Aufstellung mit Bodenankern (beschrifteten Moderationskarten) praktiziert. Es geht dabei von fünf Optionen aus, die nach einem festgeschriebenen Schema ausgelegt und nacheinander abgegangen werden.

Bei der ersten und zweiten Position „Das Eine – Das Andere“ handelt es sich um die Kernalternativen, also um die beiden (klar bezeichneten) Pole, zwischen denen sich der Klient entscheiden möchte.

In der dritten Position (Bodenanker) „Sowohl als auch“ bekommt der Coachee die Möglichkeit sich vorzustellen, dass beide der oben genannten Alternativen möglich wären.

Führt diese Position zu einer positiven Reaktion des Coachee, kann im nachfolgenden Coaching besprochen werden, wie es funktionieren könnte, beide Optionen miteinander zu vereinen.

Interessant wird es in der vierten Position „Keins von beiden“, sollte sie als positiv gespürt werden.

Möglicherweise liegt die Lösung des Problems dann an einer Stelle, die der Coachee bislang noch nicht in Betracht gezogen hatte. Möglich wäre in diesem Fall aber auch, dass sich der Coachee (zu diesem Zeitpunkt) gar nicht entscheiden möchte.

Auf der fünften Position „Dies nicht und auch das nicht“ darf und soll für den Coachee alles möglich sein.

Er tritt aus seinem eingeengten Entscheidungsspielraum heraus und denkt über Alternativen nach, die er sich bislang noch nicht bewusst gemacht hatte – oder nicht bewusst machen wollte, weil ihm eine Umsetzung unmöglich erschien.

An dieser Stelle aber darf er auch das Unmögliche denken. Kommt es auf dieser Position zu einem positiven Gefühl, schließt sich wahrscheinlich ein interessanter weiterer Coachingprozess an.

Das Tarot

Tarot ist ein Satz von 78 Spielkarten.

In der Praxis werden sie als Werkzeug der Selbsterkenntnis oder als Wahrsagekarten verwendet, wobei sie im Zusammenhang mit dem hier beschriebenen Coaching-Prozess ausschließlich für Ersteres Verwendung finden.

Sie teilen sich ein in die 22 Karten des großen Arkana.

Diese zeigen psychologisch-seelische Archetypen und erzählen uns eine Art Heldenreise auf der Suche nach dem Paradies, die ihren Beginn in Ursprung und Aufbruch hat (Karte Nr. 0 = der Narr).

Die ersten zehn Karten zeigen den Prozess der persönlichen Bewusstwerdung, die weiteren 10 die Aufgaben und Handlungen, die aus diesem Bewusstsein entstehen.

Der Zyklus endet mit der Karte Nr. 21, der Welt, dem wiedergefundenen Paradies.

Ergänzt werden die Karten des großen Arkana durch die 56 Farbkarten des kleinen Arkana mit den Symbolen Stäbe (Feuerzeichen = Kreuz), Schwerter (Luftzeichen = Pik), Kelche (Wasserzeichen = Herz) und Münzen (Erdzeichen = Karo). Jeder dieser Sätze besteht aus 14 Karten (As = 1; 2 bis 10; König, Königin, Ritter, Bube).

Die Stäbe symbolisieren Durchsetzungskraft, Handeln, Beruf und Erfolg im Leben.

Bei den Schwertern geht es um die Themen rund um Verstand, Denken und Vernunft.

Die Kelche stehen für Intuition, Gefühle und Beziehungen.

Die Münzen symbolisieren alles Materielle sowie alles Praktische und Greifbare.

Wonach kann man die Karten befragen?

    1. Nach dem gegenwärtigen Stand einer Angelegenheit oder Entwicklung
    2. Nach zukünftigen Tendenzen und Perspektiven
    3. Nach einem Ratschlag, wie man ein Problem löst oder ein Ziel erreicht
    4. Nach Ursachen und Hintergründen einer Entwicklung
    5. Nach der besten Entscheidung oder klügsten Vorgehensweise
    6. Zur Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung1

Fallbeispiel Coachee Monika

Problemstellung

Coachee Monika hat vor einem halben Jahr ihre Beamtenstelle in der Schulleitung gekündigt, ohne genau zu wissen, wohin sie ihr neuer Berufsweg führen soll.

Klar ist nur, dass sie dem „staatlichen System Schule“, wie es derzeit in Deutschland praktiziert wird, nicht mehr zur Verfügung stehen möchte, da sie der Überzeugung ist, dass es weder dem Bildungs- und Entwicklungsanspruch der Schülerinnen und Schüler noch dem der Lehrer gerecht wird.

Begleitend zu ihrem Job als Lehrerin hat sie eine Ausbildung zur Kunsttherapeutin gemacht und könnte sich gut vorstellen, in diesem Bereich tätig zu sein – allerdings nicht ausschließlich.

Ihr zweites Steckenpferd ist die Energietherapie, die sie gerne in ihren neuen Tätigkeitsbereich integrieren würde.

Monika hat zudem einen intensiven Zugang zu Fragen der Spiritualität, den sie bei ihrer neuen Tätigkeit nicht außer Acht lassen möchte.

Die Frage, die Monika in erster Linie umtreibt, ist folgende:

Möchte ich mich als Kunst- und Energietherapeutin selbstständig machen oder lieber in einem Angestelltenverhältnis arbeiten?

Ohne noch tiefer in die Problemstellung einzusteigen, habe ich als Coach den Vorschlag gemacht, gleich in das oben beschriebene Aufstellungsszenario des Tetralemma zu gehen.

Praktische Anwendung des Tetralemma

Schritt 1 – Aufbau des Szenarios

Ich beschrifte fünf gleich große Moderationskarten mit:

    1. Das Eine (selbstständig tätig sein)
    2. Das Andere (angestellt tätig sein)
    3. Sowohl als auch
    4. Keins von beiden
    5. Dies nicht und auch das nicht

Ich lege die Karten in einer Entfernung von ca. eineinhalb Metern zueinander auf den Boden.

Wir machen die Übung draußen im Garten, da es in der Wohnung nicht genügend Platz gibt.

Schritt 2 – Nochmalige Benennung der Alternativen

Ich lasse Monika an die ausgelegten Karten herantreten und bitte sie, sie erneut zu betrachten.

Ich selber bleibe währenddessen in einigem Abstand stehen. Ich fordere sie auf, die beiden Alternativen noch einmal kurz und knapp zu benennen und einer von ihnen die Karte „Das Eine“ und der anderen die Karte „Das Andere“ zuzuordnen.

Danach bitte ich sie, einen Moment die Augen zu schließen, benenne selbst noch einmal beide Positionen und frage Monika, ob das so stimmig ist. Nachdem Monika das bejaht hat, gehen wir zu Schritt 3 über.


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1 aus: Banzhaf, Hajo (1990): Schlüsselworte zum Tarot