Coaching – konstruktivistisch. systemisch. lösungsorientiert.

Abschlussarbeit von Jasmin Röseler, als PDF lesen


Einleitung

Seit einigen Jahren ist der Begriff des „Coachings“ in aller Munde. Jeder hat schon einmal davon gehört.

Der Eine sieht die Notwendigkeit, der Andere ist genervt und einige stehen dem Coaching neutral gegenüber oder haben sogar noch nie etwas davon gehört.

Coaching ist bekannt aus Sport- und Businesskontexten und hält auch im Privatleben zur Konfliktlösung sowie persönlichen Weiterentwicklung immer mehr Einzug.

Dabei hört man von Life- oder Business-Coaching, NLP, Systemischen Coaching und vielem mehr.

Was macht Coaching so universell einsetzbar und welche Ansätze liegen dem eigentlich zu Grunde?

Meiner Meinung nach basiert die Wirksamkeit des Coachings, neben einer grundlegenden Haltung, auf drei wesentlichen Ansätzen:

    1. Konstruktivismus
    2. Systemischer Ansatz
    3. Lösungsorientierter Fokus

Der Konstruktivismus

 Der Optimist sieht das Glas halb voll – der Pessimist sieht das Glas halb leer

Jeder kennt diesen Satz – doch zunächst ist das Glas einfach nur bis zur Hälfte gefüllt. Ob wir dieses nun als halbvoll bezeichnen und für „positiv“ halten, uns damit als Optimist fühlen oder gehalten werden oder für halb leer und damit der problemorientierte Pessimist sind – die Frage wer Recht hat, was die Wahrheit ist, kann keiner objektiv beantworten.

Wir schreiben diese Eigenschaften, Situationen oder Dingen zu.

Weil man das halt so sagt“, wir das so gelernt haben, dies (ungeprüft) glauben und damit für wahr halten oder ob wir es schlicht nicht hinterfragen. Im Grunde spielt es keine Rolle.

Tatsachen sind und bleiben Tatsachen.
Die Bedeutung die wir einer Sache geben entscheidet über unser Erleben.

(Gunther Schmidt)

Damit ist klar, und das Zitat mach es deutlich, dass der Mensch keinen ungefilterten Zugang zu „der einen“ objektiven Realität hat.

Über unsere 5 Sinne (Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen) nehmen wir die Welt um uns herum und die Geschehnisse wahr, verknüpfen sie mit bereits Erlebtem, sortieren, kategorisieren und strukturieren.

Diese unterbewussten Prozesse unterstützen uns Automatismen zu entwickeln und Komplexität im alltäglichen Leben zu reduzieren.

Sie helfen uns Entscheidungen zu treffen und (re)agieren zu können.

Jede Erfahrungswelt ist individuell, interpretiert und höchst subjektiv.

Ein Beispiel:

Eine Gruppe von Freunden sitzt beisammen. Einer der Freunde erzählt von einer tollen Urlaubserfahrung am Strand.

Augenblicklich entstehen bei den Zuhörern Assoziationen, innere Bilder, es entstehen Gefühle. Es werden neuronale Netzwerke aktiviert.

Fragt man die Zuhörer anschließend, welche inneren Bilder und Gefühle bei Ihnen durch die Erzählungen entstanden sind, werden die Antworten unterschiedlich ausfallen. Vermutlich werden die meisten Aussagen Worte wie Sand, Strand oder Meer beinhalten.

Dennoch versteht, sieht und erlebt jeder der anwesenden Freunde die Erzählungen auf unterschiedliche Art und Weise entsprechend seinem Erlebnis- und Erfahrungshintergrund. Ist darunter zum Beispiel jemand, der von einem negativen Ereignis am Strand berichtet, werden die folgenden Antworten vermutlich wiederum anders ausfallen als anfangs angenommen und die Unterhaltung nimmt womöglich einen anderen Verlauf.

Oder einer der Freunde hört etwas vom Vorredner, womit er wiederum dieses oder jenes verbindet und integriert dies in seine Erzählung usw.

Was ist nun richtig?

Wer berichtet von der Realität?

Wer spricht die Wahrheit?

Dieses einfache Beispiel zeigt die Weltanschauung einer konstruktivistisch-systemischen Haltung. Somit hat weder einer der Freunde Recht noch Unrecht und es gibt nicht die Realität oder die eine Wahrheit.

Ein Strand ist ein Strand. Ein Meer ist ein Meer. Ein Ereignis ist ein Ereignis.

Was wir in Folge daraus interpretieren oder wie wir etwas bewerten bestimmt am Ende des Tages das Erlebte und wir richten unser Handeln und unsere Entscheidungen danach aus.

Wir können andere daran teilhaben lassen, alternativen „Wahrheiten“ offen begegnen und dennoch ist und bleibt es unsere eigene, persönliche Konstruktion von dem was ist.

Jeder meint, dass seine Wirklichkeit die wirkliche Wirklichkeit ist

(Paul Watzlawick)

Wir nutzen die Konstruktion, um uns in der Welt zurechtzufinden und genau hingeschaut kann somit ein „richtig“ oder „falsch“ nur für die eigene Weltanschauung gelten. Dies erklärt, warum Konflikte vermehrt dort entstehen, wo sehr unterschiedliches Erleben oder Meinungsdifferenzen aufeinandertreffen.

Aus dem eigenen, für als richtig empfundenen Standpunkt heraus wird argumentiert, ohne sich des andersartigen Weltmodells des Gegenübers bewusst zu sein bzw. dieses wird als „falsch“ deklariert.

Versetz Dich doch mal in meine Lage“ heißt es dann so oft.

Und tatsächlich: Wechseln die Kommunikationspartner einmal bewusst die Perspektive, entsteht plötzlich ein ganz anderes Bild.

Wir konstruieren unsere Wirklichkeit.

Die Wahrnehmung kann keine Allgemeingültigkeit erreichen – so besagt es der Radikale Konstruktivismus.

Im Coaching-Kontext ist es durch entsprechende Tools möglich

… das Gefühl für das eigene (Er)leben zu sensibilisieren

… damit Bedürfnisse, Werte oder Konflikte wahrzunehmen

… sich bewusst für eine Veränderung zu entscheiden

… dabei wechselwirkende Systeme in die Bewertung einzubeziehen

und damit nachhaltig Wirkung zu erzielen. All das in verhältnismäßig kurzer Zeit.

Zwar kann ein Klient nicht die Menschen um sich herum verändern, wohl aber sich selbst. Der Blick ist stets darauf gerichtet, was er beobachtet oder wahrnimmt, woran er arbeiten möchte und welche Ressourcen und Schritte er konkret benötigt, um sein Ziel zu erreichen.

Durch die Begleitung des Coaches schafft sich der Klient Möglichkeiten, Gedanken zur Umsetzung zu bringen und erfährt dadurch die entscheidenden Kompetenzen der Handlungsfähigkeit und Selbstwirksamkeit.

Galileo Galilei hat dazu gesagt:

Man kann einem Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken

(Galileo Galilei)

Der systemische Ansatz

Im vorherigen Kapitel habe ich erläutert, wie wir unsere eigene Wirklichkeit konstruieren und dass es grundsätzlich nur möglich ist, sich selbst zu verändern, nicht jedoch seine Umwelt oder Mitmenschen. Somit ist es hilfreich, sich auf seine eigenen Kapazitäten, Ressourcen, Möglichkeiten und Stärken zu fokussieren, um seine Ziele erreichen und Veränderung bewirken zu können.

Beim systemischen Ansatz geht man davon aus, dass jede Veränderung eines einzelnen Systemelements auch zu Veränderung im Gesamtsystem führt.

Die Annahme basiert auf der Familientherapie. Seit den 50er Jahren wurde der Blick weg von der klassischen Einzel- und Gruppentherapie hin zu einer breiter gefächerten Perspektive gewandt.

Angefangen mit dem Verständnis der Familie als Ursprungssystem rückten folglich mehr und mehr weitere Systeme, wo wechselseitige Beziehungen bestehen, in den Fokus. Es entstand eine neue Betrachtungsweise der Welt und von Zusammenhängen:

Die systemische Perspektive, in der der Mensch einen Teil des großen, funktionierenden Ganzen darstellt.

Kausale Zusammenhänge können bestenfalls vermutet werden.

Was ist ein System?

Ob in einer Freundschaft, im Unternehmen, in der Mannschaft, Familie oder anderweitigen Organisationen, alle haben gemein, dass sie für sich betrachtet ein eigenes System mit individuellen Systemelementen bilden. Diese Einzelteile des jeweiligen Systems stehen in irgendeiner Form in Abhängigkeit respektive Beziehung zueinander und beeinflussen sich damit gegenseitig.

So wird die Wirkung, das Verhalten oder die Charakteristik eines Systems vom Zusammenwirken aller Systemkomponenten bestimmt.

Oftmals gibt es unterschiedliche Systemebenen, die sich ebenso wechselseitig beeinflussen.

In jedem System ist die Bewegung daher omnipräsent.

Als Coach arbeiten wir im Umfeld komplexer sozialer Systeme unserer Klienten, die vielschichtig und in ständiger Bewegung sind.

Sie sind…

… mehr als die Summe der einzelnen Elemente

… miteinander vernetzt

… tauschen sich durch Kommunikation aus (z.B. Emotionen, Informationen…)

… zielorientiert und erfüllen einen bestimmten Zweck

… in ständigen Veränderungsprozessen durch die wechselseitigen Beziehungen/Einflüsse

… geordnet und das Systemverhalten folgt bestimmten, beobachtbaren Gesetzen und Regeln

… in stetigem Anpassungsprozess, um seinen Zielen/Zwecken gerecht zu werden

Vorhersagen zu systeminternen konkreten Veränderungen sind nahezu unmöglich. Diese Tatsache und die ständige Bewegung der Systeme(elemente) an sich macht die Arbeit als Coach herausfordernd.

Wichtig ist, die einzelnen Elemente welche im Kontext des Anliegens stehen zu betrachten und den Fokus ebenso auf deren Zusammenwirken zu legen.

So ist es möglich, Muster und Grundstrukturen herauszukristallisieren um damit Komplexität zu reduzieren.

Sowohl Coach als auch Klient ist es dadurch möglich, eine offene Haltung zu wahren, Unterschiede zu beschreiben und zu eruieren wie sich das System konkret „verhält“. Damit wird eine lösungsorientierte Arbeitshaltung geschaffen, statt eine „richtig-oder-falsch“- bzw. „Schuld“- Spirale zu eröffnen.

Von hoher Bedeutung ist, dass dem Klienten stets bewusst ist, dass eine Veränderung im Rahmen des Coachings auch Auswirkungen auf andere Teile seines (Gesamt)Systems hat.

Bereits am Beispiel „Erzählung vom Strand“ aus dem Kapitel „Konstruktivismus“ zeigt sich eindrücklich, wie sich sowohl die Erzählungen in Inhalt, Art und Weise als auch der Gefühlszustand der Erzähler allein durch kleine Merkmale oder Inhalte des Vorredners verändern können und damit auch die weitere Entwicklung der ursprünglichen Erzählsituation.

Im systemischen Coaching werden die Wechselbeziehungen und –wirkungen zwischen den einzelnen Systemen / Systemelementen betrachtet und Unterschiede herausgearbeitet – ein Schlüssel für erfolgreiche Veränderungen.

Für ein zielführendes Coaching sind folgende Faktoren unabdingbar und es ist von hoher Bedeutung, dass diese berücksichtigt werden.


als PDF weiterlesen