COACH sein

… und dabei seinen eigenen Weg gehen

Abschlussarbeit von Susan Stausberg, als PDF lesen


Wer in den Fußstapfen eines anderen wandelt, hinterlässt keine eigenen Spuren.

(Wilhelm Busch)

Einleitung

Seit dem Beginn meiner Coaching Ausbildung beschäftigt mich eine Frage:

Was macht einen guten Coach aus?

Da ich diese Frage schon eine Weile im Kopf habe, habe ich mich entschieden, hierüber meine Abschlussarbeit zu schreiben. Denn ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige bin, die sich diese Frage stellt.

Aus einem Impuls heraus, meinem Naturell entsprechend, habe ich diverse Bücher befragt, mir viele unterschiedliche Coaches angesehen und mit verschiedensten Menschen darüber gesprochen.

Sprich, ich habe versucht, die Frage sehr analytisch und vor allem im Außen zu beantworten.

Sicherlich bin ich dabei auch auf viele Antworten gestoßen, denn tatsächlich ist der Analytiker in mir sehr stark ausgeprägt. Da mein Analytiker auch ein starker Kritiker sein kann, hatte ich zunächst das Thema zur Seite gelegt.

Im Laufe der Ausbildung kam die Fragestellung jedoch immer wieder auf.

Ich beschloss, mich dem Thema von einer neuen Seite zu nähern – von meiner intuitiven Seite.

Wie das funktioniert hat und ob ich Antworten auf meine Frage gefunden habe, ist nun in dieser Arbeit nachzulesen.

Viel Freude damit!

Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen.

(Franz Kafka)

Meine Vorgehensweise

Ich nahm mir also diesmal nicht zuerst einen Stapel Bücher, sondern einen FlipchartBlock und einige bunte Marker und fing einfach an.

Ich schrieb meine Fragestellung in die Mitte des Blattes.

Um diese Fragestellung herum bauten sich nach und nach drei verschiedene Blickwinkel auf, aus der diese Fragestellung beleuchtet werden könnte.

Die Perspektive des Personalentwicklers, der die Auswahl eines guten Coaches treffen soll, die Perspektive des Coaches, der seinem Klienten bestmöglich zur Seite stehen möchte sowie die Perspektive des Klienten, der sich mit seinen Themen in den bestmöglichen Händen wiederfinden möchte.

Als ich diese drei Perspektiven zu Papier gebracht hatte, hat der Personalentwickler in mir gesagt:

„Eine 360 Grad Betrachtung könnte hilfreich sein, um diese Frage zu beantworten!“

Der Coach in mir schaute sich das Bild an und sagte:

„Das ist interessant, das ist eine klassische Anwendung der Methode des Inneren Teams. Dieser Blickwinkel könnte spannend sein!“

Und der Klient in mir meldete sich und meinte:

„Es fühl sich gut an, dass meine Meinung auch berücksichtigt wird, um diese Frage zu beantworten!“

Und plötzlich ging alles ganz schnell. Ohne es wirklich zu merken, wendete ich die Methode des Inneren Teams an. Als mir das bewusst wurde, meldete sich meine analytische Seite und sagte: „Prima, dann steht der Aufbau für die Abschlussarbeit auch fest.“

Ich folgte dem klassischen Prozess der Methode und hoffte am Ende eine einheitliche Aussage darüber treffen zu können, was in meinen Augen einen guten Coach ausmacht.

Die Methode des Inneren Teams

Das Konzept der Inneren Pluralität

Das Konzept der Inneren Pluralität besagt, dass jeder von uns verschiedene Anteile oder auch Impulse in sich trägt.

Diese Anteile sind Ausdruck unterschiedlicher Werte, Erfahrungen, Ziele oder auch Ängste.

Diese Anteile sind sich nicht immer einig, wenn es um Ziele, Entscheidungen oder auch die Beantwortung von wichtigen Fragestellungen für die Person selbst geht. Im Coaching geht es darum, dass sich der Klient dieser unterschiedlichen Anteile bewusst wird und somit die Möglichkeit erhält, Anteile und Haltung zu reflektieren und Verwirrungen zu klären. Der innere „Team Building Prozess“ stellt dabei eine große „Quelle von Kraft und Klarheit“ (Schulz von Thun, 2019, S. 25) dar.

Dieser Prozess folgt einem klassischen Ablauf: Beschreibung der Ausgangslage, Sammeln und Benennen der Inneren Anteile, Ermittlung der positiven Absicht der inneren Anteile, Einnehmen der Außenansicht, Entwicklung von Lösungsideen und Abschluss.

Um die Fragestellung „Was macht einen guten Coach aus?“ für mich klar zu beantworten, möchte ich nun diesem Ablauf folgen.

Ausgangslage

Als Wirtschaftspsychologin arbeite ich derzeit als Personalentwicklerin bei einem mittelständischen Umweltdienstleister.

Inzwischen habe ich fast 20 Jahre Berufserfahrung im Personalbereich, habe viel Erfahrung in der Eignungsdiagnostik gesammelt und diverse Personalentwicklungsthemen mit entwickelt, umgesetzt und angewendet.

Ich arbeite sehr gern mit Menschen zusammen und mich erfüllt es mit Freude, wenn ich sehe, dass Menschen sich durch meine Unterstützung weiter entwickeln.

Um hier noch wirksamer werden zu können, absolviere ich die Ausbildung zum Systemischen Coach. Ich habe in den vergangenen Jahren viele Coaches kennen gelernt, durfte sie für unser Unternehmen auswählen, habe mich selbst als Klient in diversen Coaching Sitzungen wieder gefunden und natürlich auch selbst bereits diverse Erfahrungen als Coach sammeln dürfen.

Daher schlagen diese drei Herzen in meiner Brust und diskutieren nun darüber, was einen guten Coach ausmacht.

Ich wünsche mir am Ende meiner Arbeit ein rundes Bild entwickelt zu haben, um diese Frage für mich eindeutig beantworten zu können.

Innere Anteile sammeln und positive Absicht ermitteln

Meine inneren Anteile sind die drei folgenden: Mein analytischer Personalentwickler*, mein handelnder Coach* und mein zurückhaltender Klient*.

Der analytische Personalentwickler

Die Perspektive des Personalentwicklers spiegelt die Seite des Analytikers wieder.

▪ Was ist der positive Beitrag des Personalentwicklers?

▪ Was ist dem Personalentwickler besonders wichtig? Für welchen Wert steht er?

▪ Wofür engagiert sich der Personalentwickler besonders?

Der Personalentwickler möchte durch eine saubere Analyse mittels festgelegter genormter Kriterien eine objektive und klare Aussage treffen und eine „richtige“ Antwort auf diese Frage geben.

Er möchte als kompetent angesehen werden. Er steht für den Wert Verlässlichkeit: Worte und Taten gehen einher!

Der Personalentwickler engagiert sich besonders dafür, dass eine gute Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt wird.

Der handelnde Coach

Die Perspektive des Coaches ist die Sicht aus der Praxis.

▪ Was ist der positive Beitrag des Coaches?

▪ Was ist dem Coach besonders wichtig? Für welchen Wert steht er?

▪ Wofür engagiert sich der Coach besonders?

Der Coach kann aus seinen Erfahrungen und seinem Netzwerk berichten. Er kennt Kollegen und Partner und bringt somit eine weitere praktische Sicht der Dinge mit ein.

Der Coach möchte seine Erfahrungen schildern. Er möchte berichten, von welchen Kollegen er gelernt hat, welche Methoden und Tools wirken und welches Feedback er erhalten hat.

Er steht für den Wert Authentizität. Der Coach engagiert sich besonders dafür, dass die Sicht aus der Praxis in diese Überlegungen einfließt.

Der zurückhaltende Klient

Die Perspektive des Klienten ist die Seite, bei der ganz stark das Gefühl eine Rolle spielt.

▪ Was ist der positive Beitrag des Klienten?

▪ Was ist dem Klienten besonders wichtig? Für welchen Wert steht er?

▪ Wofür engagiert sich der Klient besonders?

Der Klient kann aus seinen Erfahrungen berichten, er kann erzählen, welche Erkenntnisse er gewonnen hat und welche Rolle dabei der ihn unterstützende Coach gespielt hat. Dem Klienten ist besonders wichtig, mit einbezogen zu werden.

Er möchte einen Wertbeitrag leisten, um diese Frage zu beantworten. Er möchte seine Erfahrungen weitergeben, damit die Ausgangsfrage nicht theoretisch beantwortet wird.

Der Klient steht für den Wert Integrität und engagiert sich besonders dafür, dass die Stimme des zukünftigen „Kunden“ gehört wird.

Außenansicht einnehmen

Um die Außensicht einzunehmen, helfen folgende Leitfragen:

▪ Wer hat momentan das Sagen?

▪ Wie ist die Beziehung untereinander?

▪ Gibt es Konflikte untereinander?

Von außen betrachtet nimmt der Personalentwickler aufgrund seiner Erfahrung aktuell die stärkste Position ein.

Er ist kompetent und hat ein klares Vorgehen etabliert, um mit bestimmten Situationen und Fragestellungen umzugehen.

In seinen Augen macht der Coach ihm seinen bisher erarbeiteten Status etwas streitig. Daher steht der Personalentwickler dem Coach eher skeptisch gegenüber.

Der Klient ist in seinen Augen aktuell eher ein Lernender als ein Lehrender und wird derzeit vom Personalentwickler nicht ganz ernst genommen.

Daneben steht der Coach mit seiner praktischen Erfahrung und der Nähe zum Klienten.

Er sieht den Personalentwickler als wichtige Instanz, die in eine Entscheidung oder die Beantwortung der Frage mit einbezogen werden sollte. Jedoch ist er erfahren genug, um sich seine eigene Meinung zu bilden.

Der Klient fühlt sich in dieser Runde nicht ganz so wohl, denn er sieht in den beiden anderen Erfahrung und Kompetenz und ist sich nicht ganz sicher, wie wichtig sein Beitrag zu dieser Diskussion ist.

Er fühlt sich persönlich dem Coach viel näher und möchte lieber mit ihm diese Fragestellung besprechen.


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(*Aufgrund der besseren Lesbarkeit werde ich im Folgenden darauf verzichten, jede Person zu gendern.)